Letztes Jahr waren 75 Prozent der illegalen Migranten in Österreich vorher in keinem anderen EU-Land registriert worden, obwohl sie im Regelfall mindestens eins, meist sogar mehrere Länder durchquert haben müssen. An deutschen Grenzen ist der Zustand seit Jahren kein anderer. Und doch kann das eine Bundesregierung wie diese nicht zu einer Ausweitung der Grenzkontrollen bewegen.
Olaf Scholz verkündete am Samstag aus Salzburg, wo er sich mit dem Österreicher Karl Nehammer traf, dass die Grenzkontrollen zu Österreich natürlich fortgesetzt werden. Er sprach auch davon, dass man „das ganze System auf gute Füße stellen“ müsse und dass „das alles nicht funktioniert“. Das sind so Sprüche, die man sich auch in Osnabrück zwischen Kate und Kneipe zuraunen könnte. Und komplexer wird es bei diesem Bundeskanzler vermutlich auch nicht mehr.
Aber solange das Asylsystem so beschädigt ist, wie Scholz bei weitgehender Untätigkeit immerhin zugibt, verzeiht sich auch der Internationalist im Kanzleramt die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich, die er zufällig geerbt hat und wo man sich eben auch „mal ganz pragmatisch helfen“ müsse. Alles nur eine Ausnahme vom großen Plan.
Für die Grenze zu Polen scheint das gleiche nicht zu gelten, obwohl sie die Grenze zu Österreich als Hotspot illegaler Wanderungsbewegungen abgelöst hat. Wahrscheinlich noch nicht lange genug (erst ein halbes Jahr), als dass ein sozialdemokratischer Kanzler und seine Innenministerin reagieren müssten. Scholz denkt lieber an „Migrationspartnerschaften“, die den deutschen Heißhunger nach möglichst billigen Arbeitskräften sättigen sollen. Niemand weiß, wie lange der Hunger anhält. Die „Arbeitskräfte“ aber werden bleiben. In München sagte Scholz nun laut einer enthusiastischen SPD Bayern: „Die Zukunft ist gut, sie ist demokratisch und frei. Sie besteht aus einem Land, in dem wir unterschiedlich sind und gut und gerne zusammenleben.“ War das nicht das CDU-Programm gewesen?
Scholzens Aussagen dienen nur dem taktischen Ziel, das Thema Migration unter der sozialdemokratischen Wahrnehmungsgrenze zu halten. Bei allen Wahlbürgern wird er dabei keinen Erfolg haben. Primär betroffen von der neuen illegalen Migrationsroute sind die Bundesländer Brandenburg und Sachsen, später auch alle anderen Bundesländer. Migrationsnotizen aus einem Land, das anscheinend nach illegalen Einreisen giert wie nach kaum etwas anderem. Und aus der mitbetroffenen engeren Nachbarschaft.
Sachsen vermisst Asylbewerber
In Sachsen werden 478 Asylbewerber vermisst. Dass musste der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) nun in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Sebastian Wippel (AfD) einräumen, wie Bild berichtet. Die Zahl der abhandengekommenen Antragsteller hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr (damals 185 Personen) mehr als verdoppelt. Eine erste Vermutung war, dass es sich um Doppelidentitäten handelt, aber das erklärt den Anstieg nicht. Vermutlich werden diese Migranten irgendwann in anderen Bundesländern auftauchen und dort die Laufbahn des Asylbewerbers starten, ohne die sie nur schwer an Leistungen wie Unterkunft und Verpflegung kämen.
Viele im Netz quittierten diese unabsichtliche Vermisstenanzeige mit Ironie und Spott, nach dem Motto: „Bitte nicht suchen!“ Andere gehen davon aus, dass sie sich in die größeren Städte oder die Unterwelt abgesetzt haben.
Brandenburg: Stübgen stöhnt und integriert weiter
In Brandenburg schimpft der CDU-Innenminister derweil wie ein Rohrspatz auf die Ampel. Im uckermärkischen Prenzlau brennt laut Bild die Luft. 300 Migranten sollen dort in ein ausrangiertes Bürohochhaus einquartiert werden. Die Einheimischen, inklusive Bürgermeister, finden es ungeeignet und sagen „Heimkoller“ voraus. Das Gebäude wäre also nicht nett genug gelegen. Ob das wirklich die Politik gegen den allseits befürchteten Rechtsruck ist? Die AfD hatte derweil großen Erfolg bei der Sammlung von Unterschriften für ein Bürgerbegehren zu dem geplanten Heim: 13.030 unterschrieben in kürzester Zeit im Heimatkreis der einstigen Teflon-Kanzlerin.
Nun sagte Stübgen: „Die Menschen spüren, dass wir die Kontrolle über die illegale Migration verloren haben.“ Man möchte zur Gegenfrage ansetzen: Erst jetzt? Doch Stübgen meint, dass in diesem Jahr eine neue Stufe des Kontrollverlustes erreicht wird. Hatte man sich bisher sieben Jahre lang mit der Asyl-Infrastruktur, die 2015 und 2016 entstand begnügt und damit sein Auskommen gefunden, dann ist dieses Jahr klar, dass diese Infrastruktur nicht mehr reicht – am Ende des Jahrs noch weniger.
Die brandenburgische CDU und mit ihr Innenminister Michael Stübgen rühmen sich derweil, durchgesetzt zu haben, dass chancenlose Flüchtlinge künftig 18 statt nur drei Monate in den Erstaufnahmen des Landes verbleiben müssen. Was der Aufschub an Positivem bewirken soll, bleibt vollkommen schleierhaft, zumal ja auch Stübgen selbst versichert hat, die Migranten sollten in den Landeslagern natürlich auch „integriert“ werden.
Hessen: Drogensüchtige Algerier stehlen und belästigen im ICE
Polizeimeldungen zum Thema „Asylbewerber“ zu finden, ist dabei nicht schwer. Aus dem gesamten Bundesgebiet finden sich tages- bis wochenaktuelle Berichte, aus denen ersichtlich wird, dass Asylbewerber in Deutschland stehlen, sexuell belästigen und unerlaubt Leistungen in Anspruch nehmen.
An einem Montagmorgen im August fielen einer Gießenerin zwei oder drei Autoaufbrecher auf. Festgenommen wurde in der Folge ein 28-jähriger marokkanischer Asylbewerber, bei dem die Beamten auch einen Teil des Diebesguts fanden: Mobiltelefone, ein Navi und weiteres technisches Gerät. Fußnote: In Gießen befindet sich die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen. Ist es da ein Wunder, dass immer mehr Orte sich der Zuweisung von Asylbewerbern verweigern und auf Gefahren für sich und die Ihren verweisen? Erst am 28. Juli war ein 26-jähriges marokkanischer Asylbewerber in eine Wohnung eingebrochen, wo er ein Handy, einen Laptop und ein Tablet stahl. Der Besitzer konnte – Glück im Unglück – die Geräte über sein Zweithandy orten.
Drei Tage später waren zwei algerische Asylbewerber (29 und 32) im ICE von Frankfurt nach Dresden unterwegs, und zwar ohne Fahrschein. Im Zug berührten sie zuerst eine 19-jährige Dresdnerin unsittlich. Weiterhin versuchten sie einem anderen Reisenden die Apple-Airpods zu stehlen. Doch damit gingen die beiden offenbar zu weit. In Fulda griff die Bundespolizei auf sie zu, stellte weiteres Diebesgut sicher, darunter „eine Spiegelreflexkamera, ein Nokia-Handy sowie ein Damenfahrrad“ (!). Weiter im Text der Pressemitteilung: „Im Verlaufe der polizeilichen Maßnahmen zeigten die Männer Entzugserscheinungen, da beide offensichtlich Betäubungsmittel konsumieren. Aufgrund ihres Gesundheitszustandes kam das Duo mit einem Rettungswagen in das Fulda Klinikum.“ Nun läuft ein Strafverfahren wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung, Diebstahls und auch wegen des Erschleichens von Leistungen.
Vom Vorteil des Zurückweisens
Was Zurückweisungen an deutschen Grenzen nützen können, zeigten Bundespolizisten im bayerischen Lindau. Am 19. Juli griffen sie einen 29-jährigen Pakistaner auf, der eine Verlustbescheinigung über seinen abgelaufenen italienischen Aufenthaltstitel dabei hatte. Zudem war er in Deutschland zur Abschiebung ausgeschrieben. Er war im Sommer 2015 nach Deutschland gekommen. Sein Asyl war abgelehnt worden, und so tauchte er in Italien unter und stellte einen neuen Asylantrag. Man dachte eigentlich, in solchen Fällen würden EU-Staaten einmal ihre Daten abgleichen. Offenbar war das zumindest in der Vergangenheit nicht so. Zuvor war der Pakistaner schon in Ungarn als Asylbewerber registriert worden.
Zusammen mit zwei anderen Landsleuten ohne gültige Einreisepapiere wurde der Pakistaner in Zurückweisungshaft gebracht. Nun sei geplant, die Migranten auch wirklich abzuschieben. Ob es passiert ist, weiß man dadurch freilich noch nicht. Die Bundespolizei titelt jedenfalls schon einmal euphorisch: „Mit dem Bus nach Deutschland, mit dem Flugzeug ins Heimatland“. Fehlt nur noch die Lederhose im Gepäck. Und diese Zurückweisung, so viel Zeit sie auch in Anspruch nahm, stellt zumindest eine partielle Erfolgsgeschichte dar, die sich aber die Bundesregierung unter Olaf Scholz chronisch weigert, auf alle betroffenen Grenzen auszudehnen.