Andreas Scheuer hat einfach kein Glück mit Gerichten, gleich, ob es sich nun um EU-europäische handelt oder um deutsche. Dass er dachte, seine Unterschrift unter einem Mautvertrag würde am Ende die Entscheidung des Gerichtshofs der EU übertrumpfen (oder sie zu seinen Gunsten beeinflussen?), ist eigentlich schon zum Lachen. Es kam bekanntlich anders. Der Gerichtshof entschied gegen die Maut, und das bedeutet Verluste von über 500 Millionen Euro für den Steuerzahler.
Doch auch die jüngste Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg hat Folgen für die steuerzahlenden Bürger. Wiederum wurde ihnen ein Stück mehr die Kontrolle entzogen – die Kontrolle über die Seegrenzen der Schengen-Zone und der Europäischen Union. Es handelt sich faktisch um eine Art Außenhülle Deutschlands, durch die Migranten sich Zugang zu einem der am besten ausgebauten Wohlfahrtssysteme der Welt verschaffen können. Sind sie erst durch die Außenmembran EU-Außengrenze gelangt, so ist es im Grunde nur noch eine Frage der Zeit, wann sie in Mitteleuropa ankommen. Und da Österreich und Frankreich, auch die skandinavischen Länder längst aus dem Umverteilungsprogramm ausgestiegen sind, bleibt eigentlich nur Deutschland als Ziel.
Zwei Schiffe lagen bis jetzt in zwei Häfen am Mittelmeer vor Anker. Eines vor Lesbos, das andere vor Sizilien. Das eine heißt »Mare Liberum«, auf ihm gab es Anfang September eine Razzia und vorübergehende Festnahmen. Die griechische Polizei hatte angeblich Informationen über eine illegale Zusammenarbeit mit türkischen Schleppern erhalten und hob das Schiff einer NGO aus (TE berichtete). Betrieben wurde die »Mare Liberum« von der gleichnamigen NGO, sie befindet sich aber anscheinend bis heute im Besitz der bekannten Migrationsbeförderer von Sea-Watch e. V., die sich auch bei der deutschen Botschaft für die Freilassung der mehr als zwanzigköpfigen Besatzung aus der griechischen Haft einsetzte – letztlich mit Erfolg.
Wie die NGOs im Mittelmeer arbeiten
Es ist ohnehin ein endloser Sumpf zwischen diesen NGOs. Mare Liberum hat offenbar eine Tochtergesellschaft, die Forschungsgesellschaft Flucht & Migration (FFM) e. V., die ihrerseits verantwortlich zu sein scheint für den Rufdienst »Alarm Phone«, der wiederum auch von Sea-Watch – inzwischen vor allem im zentralen Mittelmeer – genutzt wird.
Im Fall von Lesbos hat es offenbar die Besatzung der »Mare Liberum« übernommen, die »Alarm Phone«-Notrufe entgegenzunehmen und, darauf folgend, die griechischen Behörden zu kontaktieren beziehungsweise unter Druck zu setzen, zum Beispiel auch durch Veröffentlichung von Einzelheiten auf Twitter. Die »Mare Liberum« wäre dann weniger ein Rettungsschiff gewesen als eine vor Lesbos liegende Kommandozentrale für die Koordination des Schlepperwesens um die Insel herum, so die Behauptung, der die Schiffsbetreiber widersprechen. Das aber wäre, wenn es so ist, wie die griechischen Sicherheitsbehörden vermuten, kriminell und illegal. Spionage und Geheimnisverrat sollen Teil des Werks der vier NGOs gewesen sein, deren Mitglieder Ziel der Ermittlungen sind.
Scheuer und sein Freund, das EU-Recht
Was hat nun Andreas Scheuer vorgehabt und unternommen, um das von deutschen NGOs geförderte Schlepperwesen im Mittelmeer zu erschweren? Schon 2019 hatte sein Verkehrsministerium der »Mare Liberum« das Auslaufen untersagt, weil dem Schiff das »erforderliche Schiffssicherheitszeugnis« fehlte. Das Schiff werde weder zu Sport- noch zu Freizeitzwecken genutzt und brauche daher eine aufwendigere Zulassung als Handelsschiff. Das Verwaltungsgericht Hamburg hob diese Entscheidung, einem ersten Eilantrag folgend, auf.
Daraufhin versuchte es Scheuer mit einer Verordnung. Darin änderte man eine Formulierung: Statt Sport- und Freizeitzwecken waren jetzt nur noch Sport- und Erholungszwecke für den niedrigschwelligen Zulassungstyp erlaubt. Und der Erholung der NGO-Mitarbeiter dient ein Schiff wie die »Mare Liberum« am Ende wohl doch nicht.
Am 4. September, einen Tag vor der griechischen Razzia, erließ das Bundesverkehrsministerium zwei Festhalteverfügungen für die beiden Schiffe »Mare Liberum« und »Sebastian K«, die vor Sizilien lag. Das klingt erst mal wie eine perfekte Abstimmung mit den griechischen Behörden, ohne dass man das sicher wissen könnte. Immerhin können die Griechen von der Scheuer-Entscheidung Wind bekommen und zugeschlagen haben.
Nun urteilte das Hamburger Verwaltungsgericht, dass die neugefasste Schiffsicherheitsdefinition gegen EU-Recht verstößt. Das Verkehrsministerium hätte seine Änderungen bei der Europäischen Kommission »notifizieren« müssen. Das gilt offenbar für jede technische Änderung im deutschen Verwaltungshandeln. Man ist nicht mehr souverän.