Eine kleine Meldung wirft ein Licht auf die hinter einem dichten Schleier gesinnungsthetischer und moralischer Phrasen verborgene Oligarchisierungspolitik der Brüsseler Administration, dieser seltsamen Kunstschöpfung aus überbezahlten Bürokraten und Politikern – und natürlich Technokraten aller Branchen.
In deutschen Medien und von deutschen Politikern wurde der Vertrauens- und eigentlich auch Vertragsbruch Polen und Ungarn gegenüber als Höhepunkt neuer deutscher Regierungskunst gefeiert. Merkels Politik hat seit 2015 in der Realität Europa geschwächt und gespalten und die neue Brüsseler Oligarchie zunächst gestärkt. Polens und Ungarns Zustimmung zum Corona-Fonds, von dem zuallererst und im vollkommen übertriebenen Maße Italien profitiert, wurde mit der Zusage erkauft, dass die Zahlung der Corona-Hilfen nicht an politische Bedingungen geknüpft werden. Dieses Versprechen wurde gebrochen. Deutsche Medien und Politiker jubelten über Merkels „Geniestreich“, der in Wahrheit nur die Glaubwürdigkeit Deutschlands als ehrlichen Makler bedenkenlos verjubelte. Man könnte spotten, dass Deutschland vom Anwalt der ost- und mitteleuropäischen Länder zum Winkeladvokaten Brüsseler Bestrebungen geworden ist.
Die Zahlung der Gelder wurde entgegen der Absprache jedenfalls doch an die sogenannte Rechtstaatlichkeit gebunden, die bei Lichte besehen nur im behaupteten Recht der Brüsseler Administration, jedes Recht der Völker Europas auf nationale Selbstbestimmung auszuhebeln, „europäisches Recht“ über nationales Recht zu stellen und die nationalen Verfassungsgerichte dem EuGH unterzuordnen, besteht. Da dieser Prozess der Rechtsanmaßung des EuGH keine demokratische Legitimation besitzt, weil er nicht im Sinne der Gewaltenteilung von einer europäischen Verfassung, die jedem Bürger der Staaten Europas zur Abstimmung vorgelegen hat, fundiert ist, läuft es, verfolgt man den Weg weiter, auf einen legalistischen Putsch gegen die Demokratie hinaus. Um nichts anderes geht es im Kern im sogenannten Streit um die Rechtsstaatlichkeit.
Polen und Ungarn hatten bereits Pläne in Brüssel eingereicht, nach denen Ungarn 7,2 Milliarden Euro und Polen 40 Milliarden an Zuschüssen bekommen sollte. Draghis Italien erhält 191 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds. Mit diesen Geldern könnte Italien auch versucht sein, seine Rentenkasse zu stabilisieren. Es wird sogar befürchtet, „dass die Mafia profitieren könnte.“ Bedenken bezüglich der Rechtsstaatlichkeit der Mafia scheint man in Brüssel nicht zu hegen.
Zur Erinnerung: Die deutschen Bürger zahlen kräftig dafür, um die Regierung Draghi im Amt zu halten. Die bittere Pointe dabei: Mario Draghis Nullzinspolitik enteignet weiterhin die deutschen Sparer und bittet die deutschen Beitragszahler der Renten- und Krankenversicherung und aller übrigen Versicherungen kräftig zur Kasse. Unter einem Kanzler Scholz werden diese de facto Transfers und die Verschuldung Deutschlands ungebremst weiter gesteigert werden, stärker noch als unter Merkel.
Von der AIIB – und das ist die „kleine“ Meldung – leiht sich Ungarn 183 Millionen Euro, um es zur Modernisierung von 17 Krankenhäusern und zum Erwerb von medizintechnischen Geräten zu verwenden. Wer das ungarische Gesundheitssystem kennt, weiß, dass die Investitionen erforderlich sind.
Wichtiger als die Summe des Kredits dürfte die Botschaft des Kredits sein, denn Ungarn zeigt der Brüsseler Administration, dass es sich nicht erpressen lässt – und auch nicht erpressen lassen muss. „Merkels List“, wenn es denn tatsächlich geplant war und sich nicht einfach nur so „ergeben“ hat, erweist sich als kurzer Sieg mit langfristigen Folgen. Die Kreditvergabe an Ungarn stellt das erste Geschäft dieser Art der AIIB außerhalb des asiatischen Raums dar – und noch dazu in Europa. Damit gelingt es der chinesischen Kreditvergabepolitik als Mittel des Projekts der Neuen Chinesischen Seidenstraße, in Europa präsent zu sein und weiter die Macht von IWF und Weltbank einzudämmen. Letztlich bedeutet das aber auch einen Angriff auf die westeuropäischen Werte, die sich in der aktuellen Politik des Westens immer mehr als Fiktion erweisen. Holger Görg, Direktor des Forschungszentrums Internationaler Handel und Investitionen am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, kommentierte das mit den Worten: „Für China hat das Darlehen an Ungarn eine große Signalwirkung: Schaut her, auch eine von uns dominierte Entwicklungsbank wird im Westen als Kreditgeber akzeptiert“.
So kann es gehen. Beteiligt haben sich vier EU-Länder (Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien), um ihren Einfluss in Asien zu festigen und dort Geschäfte zu machen, und nicht dafür, Chinas Macht in Europa zu steigern.
Deutschen Politikern, die fordern, dass man nach der jüngsten Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts Polen die Gelder streichen sollte, sei gesagt, dass sie mit ihrer Großmannspose den Chinesen das Tor sperrangelweit öffnen und mittelfristig Europa, die Einigkeit Europas, der Brüsseler Hybris opfern. Je mehr die Brüsseler Administration König sein möchte, um so stärker wird sie ein König ohne Land werden.