Tichys Einblick
Hochwasser und angebliche Naturschützer

Wenn der Naturschutz zur Katastrophe beiträgt

Ein heftiger Streit ist in Österreich um das jüngste Hochwasser entstanden. Dort steht vor allem der Naturschutzbund Salzburg in der Kritik, weil er Schutzbauwerke mit Einsprüchen verzögerte.

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Aktivitäten sogenannter Naturschützer können oft kontraproduktiv sein und manchmal sogar Leben gefährden. Ein heftiger Streit ist in Österreich um das jüngste Hochwasser entstanden. Der Naturschutzbund Salzburg steht in der Kritik, weil er Schutzbauwerke gegen Hochwasser mit Einsprüchen torpedierte.

Beispiel: Hallein. Die Stadt 20 km südlich von Salzburg mit ihren 19.000 Einwohnern wurde vor einer Woche von einem heftigen Unwetter heimgesucht. Am Samstagabend, 17. Juli, ergossen sich in einer Sturzflut ungeheure Wassermassen durch den Ort und richteten Schäden in Millionenhöhe an. So sind die Salzberghalle ebenso wie das bekannte Keltenmuseum betroffen; Teile einer Sommerrodelbahn und der Lifttrasse am Zinkenkogel wurden durch Muren weggerissen, Straßen und Plätze in der Stadt verlegt und teilweise Asphalt und Pflaster zerstört.

Niederschläge von 120 mm und mehr haben eine Hochwasserwelle so schnell entstehen lassen, dass Evakuierungen nicht mehr möglich waren. Im Stadtgebiet wurde rasch Zivilschutzalarm ausgelöst; ein Video machte im Internet die Runde, auf dem zu sehen war, wie ein Mann zwei in den Wassermassen abtreibende Menschen festhielt und alle drei in einen Hof getrieben wurden.

Noch Tage später war die Gefahr von Murenabgängen in der Umgebung noch nicht gebannt. 1976 hatte zuletzt der Kothbach, der durch den seit den Zeiten der Kelten besiedelten Ort fließt, große Teile der Innenstadt verwüstet. Die staatliche Lawinen- und Wildbachverbauung hatte 2014 ein Schutzkonzept eingereicht, dessen Finanzierung in Höhe von sechs Millionen Euro durch Bund und Land im Jahre 2016 gesichert wurde. Doch selbsternannte Naturschützer sahen das Landschaftsbild in Gefahr und erhoben Einsprüche.

Das österreichische Landwirtschaftsministerium:

»Das Projekt hat Gesamtkosten von 6,3 Mio. Euro (davon 58 Prozent Bund) und umfasst im Wesentlichen Maßnahmen des Geschiebe- und Wildholzrückhalts, Hochwasserrückhaltemaßnahmen sowie die Sanierung des Unterlaufgerinnes. Das Projekt hat auch einen „Bypass“ vorgesehen, um Hochwasser abzuleiten und die Innenstadt von Hallein vor derartigen Ereignissen zu schützen.

Das Genehmigungsverfahren dafür läuft seit 2016 und konnte aufgrund von Einsprüchen des Naturschutzbundes Salzburg bis Ende 2020 nicht umgesetzt werden. Die Einsprüche hatten das Ziel, wirksame Sperrbauwerke zu verhindern, weil man das Landschaftsbild gefährdet sah. Das Verfahren ist bis zum Bundesverwaltungsgericht gegangen und hat eine Umsetzung der Schutzmaßnahmen daher um Jahre verzögert.«

Das Landwirtschaftsministerium weiter: »Die Einsprüche hatten das Ziel, wirksame Sperrbauwerke zu verhindern, weil man das Landschaftsbild gefährdet sah. Das Verfahren ist bis zum Bundesverwaltungsgericht gegangen und hat eine Umsetzung der Schutzmaßnahmen daher um Jahre verzögert.«

Seit 2016 läuft das Genehmigungsverfahren und konnte aufgrund von Einsprüchen des Naturschutzbundes Salzburg bis Ende 2020 nicht umgesetzt werden. Erst im Dezember vergangenen Jahres hat das Bundesverwaltungsgericht dann die rechtlichen Voraussetzungen für die Bauten geschaffen. Doch der Naturschutzbund Salzburg ging in Revision, am 11. Mai 2021 hat der Verwaltungsgerichtshof diese als unbegründet abgewiesen.

Österreich Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) erhebt nun schwere Vorwürfe gegen solchen Naturschutz. Aus ihrer Sicht hätte die Katastrophe verhindert werden können.

Köstinger: »Hallein wäre zu verhindern gewesen, wenn dieses bewilligte und ausfinanzierte Projekt gebaut worden wäre.« Es sei an der »Zeit für Schutzprojekte dieser Art auch andere Rahmenbedingungen an den Tag zulegen, was vor allem auch die Möglichkeit von Parteienstellung und Einsprüchen betrifft«.

In Österreich funktioniere der Hochwasserschutz grundlegend gut, betont sie. Doch könne »die Beeinspruchung eines Schutzprojektes durch den Naturschutzbund, langfristig auch zu Katastrophen führen«. Sie sieht die Schuld bei NGOs, die einen Hochwasserschutz durch Einsprüche verzögert hätten.

Dort, wo Schutzbauten errichtet wurden, verhinderten sie vor einer Woche schlimmere Schäden im Pinzgau. So betonte Leonhard Krimpelstätter, der Leiter der Wildbach- und Lawinenverbauung Salzburg, gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA: »Gerade im Oberpinzgau, aber auch in Maria Alm und Leogang haben wir viele Zubringerbäche, deren Rückhaltebecken randvoll mit Holz und Geschiebe sind.«

Immerhin wurden in den vergangenen 15 Jahren um Salzburg 750 Millionen € in Hochwasserschutzprojekte investiert: »Die Auffangbecken sind voll mit Holzmassen, die so nicht weitertransportiert worden sind.«

Auch die Überlaufflächen entlang der oberen Salzach im Pinzgau hätten eine Vielzahl von Schäden verhindert. »Es ist vor allem in landwirtschaftlichen Bereichen zu Überflutungen gekommen. Natürlich wurde Infrastruktur wie Straßen oder Bahngleise beschädigt. Aber die Orte sind bis auf wenige Ausnahmen hochwasserfrei geblieben«, zieht Krimpelstätter Bilanz.

Auch bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal in Rheinland-Pfalz wurde deutlich, wie der Naturschutz selbst zur Katastrophe beitragen kann. Dort wurden Stauwehre sogar wieder zurückgebaut – angeblich aus »Renaturierungsgründen« und um dem Lachs wieder Wanderungen flussaufwärts zu ermöglichen. Verbauungen hatten die Menschen in früheren Jahren in den Tälern, die schon immer von Hochwassern geplagt waren, errichtet, damit das Wasser nicht mehr so schnell abfließt und vor allem bei kräftigen Regenfällen und Sturzbächen nicht mehr so viel Schaden anrichtet. Eine Folge bei der jüngsten Hochwasser-Katastrophe: Die außergewöhnlich starken Regenmassen konnten jetzt ungehindert zu Tal schießen und mit ihrer Kraft fast alles mitreißen, was im Wege stand.


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