In Italien macht Ex-Premier Matteo Renzi Druck. Die Regierung von Giuseppe Conte hängt am seidenen Faden seiner Partei „Italia Viva“. Während in Deutschland das Chaos losbricht, weil ein FDP-Ministerpräsident mit AfD-Stimmen gewählt wurde, denkt man in Italien laut über ein Bündnis zwischen Mitte-Links und vermeintlichen „Populisten“ nach. Matteo Renzi und Matteo Salvini: eine ungewöhnliche Liebe.
Realpolitik, dein Name sei Italien. Was man im Lande Machiavellis interessiert, aber nicht überrascht zur Kenntnis nimmt, würde vermutlich nördlich der Alpen für blankes Entsetzen sorgen: Ex-Premier Matteo Renzi hat nonchalant erklärt, dass er auch mit Lega-Chef Matteo Salvini zusammenarbeiten könnte. Hintergrund ist der Streit zwischen den Fraktionen der Linksregierung aus der basislinken Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), dem linken Partito Democratico (PD) und Renzis sozialliberaler Vereinigung „Italia Viva“ (IV). Wenn der PD dem „verrückten“ Vorhaben des M5S weiterhin folgen werde, dann – so Renzi – sei es Zeit „eine Vereinbarung mit Salvini zu treffen, um wählen zu gehen“.
Die unverhohlene Drohung lautet also: Wenn die anderen Fraktionen nicht nach Renzis Pfeife tanzen, dann könnte er gemeinsam mit dem Beelzebub der italienischen Politik die Regierung zu Fall bringen. Zwar könnte die Linksregierung von Premierminister Giuseppe Conte in der Abgeordnetenkammer auch ohne Renzis „Lebendiges Italien“ weiterhin eine Mehrheit stellen. Anders sieht es allerdings in der zweiten Kammer des italienischen Parlaments aus. Die Regierung stellt im Senat 170 Abgeordnete, die Opposition 150. Renzis Truppe besteht aus 16 Mandatsträgern. Es reichen elf, um die gelb-rote Regierung ins Taumeln zu bringen.
Der langjährige Bürgermeister von Florenz hat damit das Heft des Handels in die Hand genommen – obwohl die Renzianer eine verhältnismäßig kleine Abspaltung des PD sind. Contes Regierung hat angekündigt, das umstrittene Justizgesetz durch das Parlament zu boxen, indem es dieses mit einer Vertrauensfrage verbindet. Renzi konterte prompt: Die IV würde ein Misstrauensvotum gegen den amtierenden Justizminister Alonso Bonafede (M5S) ins Spiel bringen. Im Gegensatz zum Bundestag können im italienischen Parlament Misstrauensanträge gegen einzelne Minister gestellt werden. Für ein solches Manöver wäre Renzi auf die Opposition angewiesen – und damit auf deren Anführer Salvini.
Der einstige „Rottamatore“ Renzi, der als „Verschrotter“ der Funktionäre angetreten war, und einst selbst von einem Bündnis aus M5S und Lega bei einem Referendum im Jahr 2016 verschrottet wurde, weist allerdings Spekulationen um eine mögliche Koalition zurück. Er habe im Spätsommer nicht Salvinis Pläne durchkreuzt, um sich nun mit diesem zu verbünden. Dass sein Ende als Premier maßgeblich auf Salvinis Kampagne zurückging, dürfte Renzi nicht vergessen haben. Der opportunistische Schachzug gilt vornehmlich dem eigenen Lager, um mehr Macht in der Regierung einzufordern. Das florentinische Säbelrasseln soll Conte und den M5S einschüchtern, um weitergehende Forderungen durchzusetzen. Sonst würde Renzi, der früher mal als EU-Liebling galt, direkt mit einem Ende der Regierung drohen.
Für Salvini wäre eine Kooperation mit dem ehemaligen Erzfeind ein zweischneidiges Schwert. Salvini wie Renzi stehen für eine Entschlackung des Staates, für Investitionen in die Infrastruktur wie den Schnellzug TAV, sowie für härtere Regeln in der Strafverfolgung. In der Migrationskrise hatte Renzi oftmals gegen die Parteilinie des PD eine stärkere Regulierung gefordert. Andererseits hat sich die IV eine Charta gegeben, die dezidiert für Globalismus und gegen Protektionismus, Populismus, Nationalismus und Souvranismus eintritt. Sie ist damit eine erklärte Anti-Salvini-Partei. Auch für Salvinis Wähler wäre ein Bündnis mit der etablierten politischen Kaste schwer zu verdauen und könnte den „Capitano“ schwächen.
Ein taktisches Zusammengehen Renzis und Salvinis scheint daher kurzfristig unwahrscheinlich. Eine „Liebesbeziehung” war allerdings auch die Koalition aus Lega und M5S nicht. Wie auch beim Koalitionsbruch im vergangenen Jahr gilt die alte Devise: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Renzis Taktieren hat für Unmut gesorgt. PD-Parteichef Zingaretti kommentierte das Geschehen äußerst unamüsiert: „Das ist ein unerträgliches Theater. Italia Viva ist den eigenen Worten nach entstanden, um den demokratischen Raum für die Moderaten gegen Salvini zu weiten. Heute ist sie dagegen Hauptursache für das Herzflimmern in der Koalition und tut Matteo Salvini einen Gefallen. Wir verstehen Italia Viva nicht, scheint, als machten die Opposition anstelle der Parteien von Mitte-Rechts.“
Es sind solche Aussagen wie die von Zingaretti, die schon manchen Verbündeten in das Lager des Feindes getrieben haben.
Marco Gallina schreibt auf www.marcogallina.de