Tichys Einblick
Für die Regelsetzer gelten keine Regeln

Warum nimmt sich die #Metoo-Gruppe nicht mal die UNO vor?

Frauen in der UNO beschreiben eine Kultur des Missbrauchs (inklusive Vergewaltigung), in der Opfer mundtot gemacht und isoliert, oft sogar entlassen werden.

MARWAN NAAMANI/AFP/Getty Images

Achim Winter hat eine Glosse von Mary Wakefield im Spectator ins Deutsche übertragen, welche so manche der Obersten in der globalen Gutmenschen-Einrichtung der Vereinten Nationen mit ihrer eigenen Wirklichkeit konfrontiert. Unsere englische Kollegin Mary Wakefield fragt sich, warum die schlimmen Finger unter dem Schutzschirm der Weltorganisation so unbehelligt ihr Unwesen treiben können:

Vergangene Woche sind endlich auch die Frauen der UNO der #Metoo-Bande beigetreten, und trotz der haarsträubenden Dummheit mancher #Metoo-Leute, hat mir das gefallen. Die UNO ist vielen Bereichen nämlich eine schmierige Käseglocke. Zwar gibt sie weltweit Unsummen aus, um die Geschlechtergleichstellung zu fördern, aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Frauen in der UNO beschreiben (gegenüber dem Guardian) eine Kultur des Missbrauchs (inklusive Vergewaltigung), in der Opfer mundtot gemacht und isoliert, oft sogar entlassen werden.

Ich bin sehr froh, dass das jetzt herauskam. Aber auch irritiert, warum man nicht noch weitergeht. Anfang Februar marschierten Tausende durch New York, um auf die Ungleichbehandlung von Frauen aufmerksam zu machen. Warum sind also diese Damen der UNO – oder besser: Warum sind nicht alle selbstgerechten Feministinnen in Manhattan vor das UNO-Hauptquartier gezogen um, wenn schon nicht ihre eigene Behandlung, sondern doch wenigstens den ständigen Missbrauch der verletzlichsten Mädchen der Welt durch UNO-Friedenstruppen anzuprangern?

Zum ersten Mal ist mir aufgefallen, dass UN nicht immer nur für Das Gute steht, im Jahre 2008. Ich war in Liberia, das sich gerade vom Krieg zu erholen versuchte. Für einige Tage war hier jeder mit einem blauen Helm ein Held. Ich erinnere mich genau an die weißen Toyotas auf dem Parkplatz vor Monrovias populärstem Strandcafé. Ich sehe die Offiziere der UNO noch vor mir, die herumsaßen wie Spinnen in der Hitze und junge liberianische Mädchen beim Spielen beobachteten. Auf einem Hügel in der Stadt, wo fliegende Händler Stammesmasken verkauften, beobachte ich einen dicken Mann, wie er aus seinem Jeep ausstieg, ein sehr junges liberianisches Mädchen bei der Hand nahm und sie in eine Seitenstraße führte.

Vielleicht ist er ja ihr Hauslehrer, dachte ich. Ich wollte ja nicht unfair sein! Erst als ich zuhause einen Report von Save the Children über die schlüpfrige Seite der Hilfsanstrengungen in Liberia und Sierra Leone las, begriff ich, wie selbstverständlich es offenbar für UN-Mitarbeiter (und solcher der NGOs) (so hat zur Zeit Oxfam seinen eigenen Sexskandal und dabei stellte sich heraus, dass Pädophile mittlerweile bei Hilfsorganisationen gezielt anheuern, um in der Dritten Welt an Opfer heranzukommen. Anmerkung des Übersetzers) war, jungen Mädchen für Hilfe sexuelle Gefälligkeiten abzuverlangen. Die liberianischen Mädchen, die von Save the Children befragt worden waren, hatten angenommen, dass Sex für Essen die normale policy der Helfer sei. Ihre Eltern hatten sich nicht beschwert, weil Essen eben knapp war.

Der Skandal in Liberia war nichts Außergewöhnliches. Im Kosovo wurden minderjährige Mädchen und Jungs zur Bespaßung der UN-Mitarbeiter gekidnappt und gefoltert. 2014 setzten französische Soldaten in Zentralafrika eine Vergewaltigung-für-Essen-Initiative in Gang. Im vergangenen Jahr entdeckte Associated Press, dass 100 srilankische UN Peace Keeper seit zehn Jahren einen Kindersexring betrieben hatten – natürlich wurde keiner von ihnen entlassen.

In den vergangenen zwölf Jahren gab es mehr als 2.000 Anschuldigungen sexuellen Missbrauchs und Ausbeutung durch UN-Personal. Die heiligen Generalsekretäre, erst Kofi Annan und dann Ban Ki-moon, versprachen beide zwar „grundlegende“ Reformen, aber es passiert nicht wirklich etwas, da nichts getan wurde, die Beschuldigten zu bestrafen. Sie kommen nach wie vor ungeschoren davon.

2016 konstatierte Anders Kompass, ein UN-Direktor, der als whistle blower suspendiert worden war: „Die völlige Straffreiheit für die, die auf verschiedene Weise ihre Autorität missbrauchen, in Tateinheit mit der Weigerung der Hierarchie, mich in Schutz zu nehmen, bestätigt in trauriger Weise, dass der Mangel an Verantwortlichkeit in den UN tief verwurzelt ist.”

Selbstwiderlegung
Feminismus: Out of Control
An all die Frauen, die im Februar marschierten und schrien: „Trump must go!“ ‚Frauen gegen Trump!‘: Es ist wirklich nicht ausgemacht, ob Trump für die Frauen weltweit schlechter ist als Kofi oder Ki-moon. Jeder anständige Generalsekretär sollte in Reaktion auf die vielen Anschuldigungen von Kindesmissbrauch das gesamte Set up ändern. Stattdessen reden sie nur viel und machen weiter wie gehabt. Hier ein wunderbares Beispiel heißer Luft, geäußert von Phumzile Mlambo-Ngcuka, UN undersecretary–general for gender equality and empowerment of women:„Wir müssen allen Frauen eine Stimme geben, ihre Rechte und Körper respektieren und Regeln schaffen und als normal implementieren, dass niemand davon kommt. Keine Straffreiheit mehr.”

Ich würde dieses Statement gerne neben das von Hillel Neuerer, des Leiters von UN Watch, stellen: „Die UNO betont immer, dass ihre Politik die von Null Toleranz sei, aber wir sehen genau das Gegenteil: Die Vernachlässigung von Frauen und Kindern, die von Peace Keepern missbraucht werden, und eine Politik der Straffreiheit für die Übeltäter.”

Warum nehmen sich unsere  lautstarken Feministinnen also die UN nicht vor? Warum ist es auf solch komische Weise unmöglich, sich vorzustellen, was dort passiert? Vielleicht weil #MeToo mittlerweile schon eine Clique mit eigenen Regeln ist? Immerhin gibt es ja schon eine eigene Tracht für Auftritte (Vaginamützen) und genehmigte Hassfiguren wie Harvey Weinstein und den Donald. Vielleicht sind Kerle, die einen  Friedensnobelpreis bekommen haben, einfach nicht auf der #Metoo-Kampfliste? Man stelle sich nur einmal die (begründete) Empörung vor, wenn diese Art von Missbrauch in der katholischen Kirche oder in der republikanischen Partei Amerikas entdeckt würde …

Das Empire ist ebenso tabu zur Zeit, so dass einige der gescheiten Studenten noch nicht einmal darüber diskutieren wollen. In Oxford wurde zum Boykott eines Kurses aufgerufen, in dem lediglich die Vor- und Nachteile des Kolonialismus erörtert werden sollten. Das Ironische daran ist, dass die UN ähnliche Schrecklichkeiten zu verantworten wie die, die zu Zeiten des Imperialismus begangen wurden – und zwar mit ähnlicher Motivation. Gute wie schlechte Menschen werden von der jeweiligen Kultur erzeugt, in der sie leben. Wenn man ungebildeten Männern zu viel Macht über junge Mädchen gibt, wenn man Verantwortlichkeit und Transparenz abschafft  – und wenn keine der auf der Welt herummaschierenden Aktivistinnen sich darum kümmern wollen, dann wird das nicht gut ausgehen.

Mary Wakefields Artikel erschien zuerst hier.

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