Den ersten Wahlgang gewann der Rassemblement National (RN), der – zusammen mit verbündeten Parteien – ein Drittel der Stimmen erhielt und knapp über die Hälfte der 76 direkt Gewählten stellt. Es folgen die „Volksfront“ (amtlicher Name: Union de la gauche „Linksunion“) mit 28 Prozent Stimmenanteil und 32 direkt Gewählten und das Parteienbündnis ENSEMBLE! „Zusammen!“ des Staatspräsidenten Macron (20 Prozent, 2 direkt Gewählte), das gegenüber der letzten Wahl (2022: 26 Prozent) der Verlierer ist.
Nach dem französischen Wahlrecht kommen diejenigen Kandidaten in den zweiten Wahlgang die im ersten nicht die absolute Mehrheit erhielten, aber die meisten und zweitmeisten Stimmen, sowie alle nächstplatzierten Kandidaten, wenn deren Stimmenzahl mehr als 12,5 Prozent der Wahlberechtigten betrug. Letzteres war dieses Mal wegen der hohen Wahlbeteiligung (67 Prozent) oft der Fall: Nach dem Ergebnis des ersten Wahlganges hätte es von den 501 Wahlkreisen des zweiten in 306 eine Stichwahl zwischen drei Kandidaten geben müssen und in 5 sogar zwischen vier Kandidaten.
An der Stichwahl am 6. Juli werden nun in 409 Wahlkreisen nur zwei Kandidaten antreten, in 89 drei und in 2 vier; in 1 Wahlkreis (von Französisch-Guyana) gibt es aufgrund besonderer Umstände nur noch einen Kandidaten. Der RN stellt in den meisten der Wahlkreise (genau: 446) einen Kandidaten und müsste, um in der Nationalversammlung (Assemblée nationale) die absolute Mehrheit der Sitze zu erreichen, in 250 die Stichwahl gewinnen.
Das Ergebnis des ersten Wahlganges wurde von den Umfrageinstituten ziemlich genau vorausgesagt. Für den zweiten Wahlgang ist eine verlässliche Prognose unmöglich, weil nicht abzuschätzen ist, wie die Wähler der Volksfront und von ENSEMBLE auf den Rücktritt ihrer Kandidaten von der Stichwahl reagieren: durch Stimmenthaltung, Wahl der jeweils anderen Partei oder Wahl des RN?
Der große Verlierer der Wahl steht aber schon fest: Staatspräsident Macron. Falls der RN die absolute Mehrheit gewinnt, muss er einen Premierminister dieser Partei ernennen; falls nicht, eine Regierung aus Volksfront und ENSEMBLE bilden: zwei Parteien, die politisch fast nichts eint – außer der „Kampf gegen Rechts“.