Tichys Einblick
Im Panzergang durch Brüsseler Gänge

Von der Leyens Fehler beim Pfizer-Deal: Kommissionschefin lehnt Fragen eines Reporters ab

Ein französisches Fernsehmagazin wirft erneut ein helles Licht auf den murksigen Pfizer-Deal, den Ursula von der Leyen für die EU ausgehandelt hat. Die Kommissionschefin lehnte das Dialogangebot ab. Die Frage ist berechtigt, ob sich wie auch immer gewählte Politiker so gebärden dürfen.

Screenprint via Twitter

Ursula von der Leyen versucht, stoisch zu wirken. Aber ein souveräner Auftritt kann das nicht sein. In einem lichtdurchfluteten Gang im Brüssler EU-Komplex läuft von der Leyen samt Entourage dem französischen Reporter davon. Erst lehnt sie es höflich ab, irgendeine der Fragen zu beantworten, die sie aus den E-Mails des Journalisten kennen dürfte. Dann verhärtet sich ihr Gesichtsausdruck, ihre Körperhaltung nimmt etwas Gepanzertes an. Trotz der dekorativen Schleife um den Hals wirkt sie trotzig und abweisend. Sie hebt noch mit den Worten an: „Please respect…“, dann marschieren sie und ihre Begleiter weiter, als würde der Fragesteller nicht existieren. Auf Twitter erregen sich einige Nutzer: Das will eine Demokratie sein? Wenn die ‚gewählten‘ Vertreter ihren Wählern die Antwort auf die einfachsten Fragen verweigern.

Der Reporter kommt vom französischen Investigativ-Fernsehmagazins Complément d’enquête (versendet vom öffentlich-rechtlichen Sender France 2) und bemühte sich für die neueste Folge des Magazins um Antworten der Kommissionschefin. Denn in der letzten Ausgabe des Fernsehmagazins ging es um den Pharma-Riesen Pfizer und seine Wandlung vom „Retter der Welt“ zum Krisenprofiteur in weniger als 24 Monaten. Das Magazin thematisierte darin unter anderem den Mangel an Transparenz über die Verträge und die „mysteriösen SMS“, welche die Kommissionschefin Ursula von der Leyen mit dem Pfizer-Vorstand Albert Bourla austauschte.

Da wären Antworten von der Leyens natürlich mehr als willkommen gewesen. Warum sie das Dialogangebot nicht annahm, weiß die Kommissionschefin allein. Die Einsicht in die fraglichen Textnachrichten wurde bisher Journalisten wie dem Europäischen Rechnungshof verwehrt. Bisweilen wurde behauptet, sie existierten nicht mehr oder seien unauffindbar.

Es geht auch um den Verdacht der Steuer-Optimierung durch Pfizer und die Angst vor unerwünschten Nebenwirkungen der mRNA-Präparate. In der Folge heißt es dann unter anderem: „Die illegalen Aktivitäten von Pfizer … beweisen eine nationale, konzertierte und wohlorganisierte Strategie des Unternehmens, das dabei auch auf Schmiergelder zurückgriff.“

Hochproblematisches Verschwindenlassen eines Twitter-Profils

Nun könnte man sagen, dass diese Themen schon etwas besser abgehangen sind. Ihren Haut-goût behalten sie aber dennoch. Die France-2-Journalisten fragen daher provokant: Muss man Angst vor dem „großen bösen Labor“ haben? Tatsächlich ist es eher umgekehrt: Angst scheint man eher vor solchen Veröffentlichungen zu haben. Kurz nach Ausstrahlung der Sendung wurde das Twitter-Profil des Fernsehmagazins nicht einfach gesperrt, vielmehr existiert es nicht mehr. „Ce compte n’existe pas“, heißt es da. Die Redakteure berichten von einer Authentifizierungsanfrage, die ihnen zugekommen sei.

Zahlreiche Anfragen an Elon Musk, die Sache aufzuklären, werden von Twitter-Nutzern gestellt. Doch wer für die effektive Sperrung verantwortlich ist, bleibt unklar. Es scheint sich nicht um das gewöhnliche Verfahren zu handeln, bei dem Twitter eine Art „Grund“ angibt. Fest steht nur: Irgendein Mächtiger in oder um Twitter war in der Lage, einen Knopf zu drücken, der das Profil verschwinden ließ. Im Zusammenhang mit der Diskussion um Zensur und Kontrolle durch einen undurchsichtigen regierungsnahen Komplex in den USA kann man alleine diesen Vorgang als beängstigend und hochproblematisch für die Meinungsfreiheit finden.

Die Magazinfolge greift daneben weit zurück in die 1990er-Jahre, als Pfizer in Nigeria fragwürdige Experimente an Kindern mit einem nicht zugelassenen Antibiotikum durchführte. Bald darauf habe man das Schmerzmittel Bextra – angeblich mit erheblichen Nebenwirkungen – aggressiv vermarktet. Diese Bilanz kann nicht einmal die Erfindung von Viagra aufhellen. Sogar hier noch entdecken die Journalisten Schattenseiten.

Von der Leyens persönliche Verhandlungsführung und Fehlerbingo

Verhandelt wird in der Magazinfolge natürlich der denkwürdige Auftritt der Pfizer-Direktorin Janine Small vor einem Ausschuss des EU-Parlaments, wo sie offen zugab, dass man niemals einen Nachweis für wirksamen „Fremdschutz“ durch das Biontech-mRNA-Präparat erbracht hatte. Man hatte es nicht einmal versucht, sondern sich mit Wahrscheinlichkeiten zu einer derart weitreichenden Behauptung aufgeschwungen, die zum Grundstein der Covid-Gesetzgebung in mehreren Ländern werden sollte. Die „Ungeimpften“ zu isolieren und vom öffentlichen Leben auszuschließen, ergab nur dann einen Sinn, wenn man vom Schutz anderer Menschen durch die eigene „Impfung“ ausging. Deshalb war der vor dem EU-Parlament erbrachte Gegenbeweis so wichtig. Die Behauptung vom „Fremdschutz“ (ja, von Schutz überhaupt) war Voraussetzung für die zeitweise in Köpfen und Gesetzeswerken herrschende Covid-Apartheid, die inzwischen durch Aufklärung und offizielle Eingeständnisse der Produzenten und Verantwortlichen desavouiert ist.

Stéphane Bancel
Boss von Impfstoff-Firma Moderna kassiert 353 Millionen Euro im Jahr
 Doch das ist nicht der einzige Inhalt des Skandals um von der Leyen und Pfizer-Chef Bourla. Nicht nur hatte die EU-Kommission den Einkauf eines weitgehend wirkungslosen Präparats in viel zu großen Mengen ausgehandelt. Hunderte Millionen Dosen Impfstoff wurden so für insgesamt 35 Milliarden Euro eingekauft. Etwa zehn Dosen pro Einwohner waren das, von einem Stoff, der schon ein Jahr nach seiner Entwicklung auch aus der Sicht der Befürworter als veraltet gelten musste (wie jeder andere Grippe-Impfstoff auch).

Doch darüber hinaus gilt der Aushandlungsprozess zwischen Kommissionschefin und Pfizer als vollkommen undurchsichtig. Es war nur in diesem Fall gewesen, dass die Verhandlungen überhaupt aus dem eigentlich dafür zuständigen Gremium ausgegliedert und in die alleinigen Hände Ursula von der Leyens gelegt wurde. Ihre mit Bourla ausgetauschten SMS sind natürlich – wie es immer wieder bei dieser Ex-Bundesministerin geschah – spurlos verschwunden.

Überflüssig zu sagen, dass auch der ausgehandelte Preis der mRNA-Dosen dank der persönlichen Verhandlungsführung deutlich, ja ins Exorbitante anzog, obwohl die EU sich zur Abnahme einer derart großen Menge von Einzeldosen verpflichtet hatte. Den Preis von 19,50 Euro pro Dosis rechtfertigt Pfizer laut dem Magazin mit den ökonomischen Kosten der Covid-Lockdowns. Leider konnten nicht alle betroffenen Wirtschaftszweige einen ähnlichen Aufschlag auf ihre Preise verlangen.

Belgischer Lobbyist stellt erste Klage gegen Kommissionschefin

Zuletzt hat der EU-Lobbyist Frédéric Baldan von der Leyen vor einem belgischen Gericht verklagt, weil er glaubt, dass die mutmaßlichen Verstöße der Kommissionschefin gegen Regeln und Vorgaben der EU selbst die Finanzen Belgiens und das öffentliche Vertrauen geschädigt hätten. In seiner Klage geht es Baldan um die „widerrechtliche Aneignung von Funktionen und Titeln“, die Vernichtung von öffentlichen Dokumenten, „illegale Interessenwahrnehmung und Korruption“.

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