Tichys Einblick
Doch keine Zensur gegen US-Plattformen?

Von der Leyen: Pause für DSA-Verfahren gegen Musk und die Plattform X

Kurz vor Trumps zweiter Amtseinführung versucht Ursula von der Leyen die Wogen im Verhältnis zu den USA offenbar zu glätten. Die DSA-Verfahren gegen X, Facebook und Apple werden derzeit nicht fortgeführt. EU-Gesetze erweisen sich als Willkür-Instrumente, die bald gelten können - oder bald auch nicht.

picture alliance / NurPhoto | Jonathan Raa

Mitten in der Aufregung um die vermeintliche Einmischung Elon Musks in den deutschen Wahlkampf scheint es Konterbande aus Brüssel zu geben. Ein dezentes Gegenfeuer sickerte nun durch die Zeilen der französischen Tageszeitung Le Monde. Ursula von der Leyen, momentan mit Lungenentzündung im heimischen Hannover untergebracht, widmet sich aber auch im Home-Office „ausdauernd und hingebungsvoll“, wie sie eben ist, ihren Geschäften, wie die Kommissionssprecherin Paula Pinho am Montag mitteilte.

Was aber nun auffällt, ist weniger etwas das von der Leyen gesagt oder getan hätte, als etwas, das zu sagen sie unterließ. VDL hat es unterlassen, die Linie ihres Ex-Binnenmarktkommissars Thierry Breton weiterzuverfolgen, von dem bekannt ist, dass er Elon Musks Auftreten in zwei Briefen scharf kritisiert und ihm die Anwendung des neuen Digitale-Dienste-Gesetzes (Digital Services Act, DSA) der EU immer wieder offen angedroht hat. Nichts dergleichen von UvdL, und das reicht den Kritikern schon, um die Kommissionschefin zu kritisieren. Erwartet wurde, dass die Kommissionschefin dem französischen Präsidenten zur Seite spränge und natürlich Olaf Scholz, auch ihrem Parteifreund Friedrich Merz, die das Gespräch von Musk und Weidel allesamt entsetzlich fanden, bevor es überhaupt stattgefunden hatte. Es sei Ausdruck einer „neuen Internationalen“, die eher „reaktionär“ sei, sagte Emmanuel Macron.

Die Reaktionen von Scholz und Merz sind bekannt – man fürchtet nun ernsthafter um seine Schäfchen, die bisherigen Wähler von SPD und Union. Und nach dem Gespräch scheint das noch berechtigter als zuvor, denn Musk ließ natürlich keinen Zweifel daran, dass er die AfD für die einzige Rettung Deutschlands hält, während Weidel viele Stiche landen konnte, die im Kulturkampf um ihre Partei wichtig sind, etwa dass es die AfD sei, die sich heute stärker als viele anderen für das jüdische Leben in Deutschland einsetzt, oder dass der Nationalsozialismus „dogmengeschichtlich“ eindeutig eine linke, sozialistische Bewegung war, also auch Hitler ein Linker. Diese Punkte eigneten sich weitaus mehr für dieses kurze, herantastende Gespräch mit einem bald assoziierten Mitglied der US-Regierung als Einzelheiten zur deutschen Innenpolitik, auch wenn die Parallelen teils schlagend sind. Es konnte aber an sich nur um die „ideologischen“ Konstanten zwischen Europa und den USA gehen, die sich zum großen Teil einer jahrzehntelangen Bearbeitung beider Weltregionen durch „links-liberale“ Meinungsmacher der Marke Soros oder Gates verdankte.

Es ist genau dieser Hintergrund, der die Reaktionen der Regierenden in Paris und Berlin erst erklärt. Und da müsste eben auch etwas aus Brüssel (oder derzeit Hannover) kommen, zumal mit dem DSA ja jenes „Instrument“ bereitstünde, um es Musk nun definitiv zu zeigen. Aber wie Le Monde berichtet, mehren sich die Hinweise, dass das so bald nicht kommen wird. Denn die Kommission setze derzeit auf die „transaktionale Seite“ des gewählten US-Präsidenten Donald Trump und sei daher durchaus zu Konzessionen bereit.

Gemeint ist Trumps Verständnis der Weltpolitik als Verhandlungssache, und niemand kann sagen, dass er damit keinen Punkt hätte oder ein ganz und gar ungeeignetes Mittel zur Glättung internationaler Konflikte einsetzen würden: Verhandlungen, bei denen jeder seine eigenen Interessen bekundet und offen danach strebt, so viel wie möglich davon umzusetzen. Nur diese Politik ergibt im Sinne des „America first“ – oder auch von „Europa zuerst“, „Deutschland zuerst“ – Sinn. Und für die USA hatte es der gewählte Vizepräsident J.D. Vance deutlich gemacht, dass jede aus amerikanischer Sicht unfaire Aktion der EU gegen Musk und seine Plattform X zu einer einschneidenden, auf die Europäer eher undiplomatisch wirkenden Reaktion führen werde: etwa auf den Entzug der US-Unterstützung im Nato-Verbund.

Auch in Folge dieser Äußerungen scheint von der Leyen nun darauf zu setzen, die schon begonnenen Verfahren der EU-Kommission – dieser höchsten Autorität jenseits aller Kontrolle – gegen die Plattform X, den Meta-Konzern (Mutter von Facebook, WhatsApp und Instagram) und Apple zumindest „zu pausieren“. So lange die Verfahren laufen, sind alle drei Unternehmen der Gefahr ausgesetzt, zu einem gewissen Zeitpunkt bis zu sechs Prozent ihres weltweiten Umsatzes als Strafe zahlen zu müssen. Diese Gefahr wäre also vorerst gebannt.

Brüsseler Enttäuschung: Wo bleibt denn nun die X-Zensur?

Doch in Brüssel oder Straßburg scheint man schon einen gedanklichen Schritt weiter. „Das europäische Instrumentarium zur digitalen Regulierung“, also die Anwendungsbestimmungen des DSA, der „vor allem von Frankreich unterstützt wurde, ist so gut wie tot“, meinte eine ungenannte EU-Quelle zu Le Monde. Hinter von der Leyens Schweigen sieht derselbe Informant aber zudem gleichsam strukturelle Probleme am Werk. Denn die EU-Europäer sind sich natürlich mal wieder uneinig, was eigentlich überhaupt von den gemeinsam beschlossenen Gesetzen gelten soll und was man zu Musk unternehmen soll. „Einige Politiker, wie Giorgia Meloni, teilen seine ideologischen Positionen, während andere auf Teslas Investitionen auf ihrem Boden hoffen“, meint die Quelle.

Nur der neue französische Außenminister Jean-Noël Barrot appellierte am Sonntag im privaten Radiosender RTL „sehr feierlich an die Kommission, dass ihre Hand nicht zittert und dass sie die europäische digitale Regulierung sehr entschlossen durchsetzt“. Nun hat sich auch Emmanuel Macron zuletzt durchaus an Trumps Seite geworfen, wenn nicht sogar in eine gegenüber dem Amerikaner „tiefere“ Position, als er sich und europäische Friedenstruppen sogleich zum Instrument einer US-Friedensoffensive machen wollte.

Auf der EU-Ebene erkennt man aus alledem vor allem, wie willkürlich dieser Staatenblock eigentlich verfährt und wie wenig es wirklich verbindliche Regeln für alle Mitspieler gibt, die dann auch eingehalten werden. Dabei soll hier freilich nicht ein Zensur-Konstrukt wie das DSA als irgendwie sinnvoller ‚Ordnungsrahmen‘ betrachtet werden – es ist alles andere als das. Aber wie das EU-Gesetz (früher hießen sie noch Verordnungen) nun angewandt wird, scheint in der Willkür bestimmter Feudalherrscher zu liegen, die eben Breton oder von der Leyen heißen mögen, aber selbst in beiden Fällen keinem allgemeinen Regelwerk unterliegen, sondern die selbstgeschriebenen und eingebrachten Gesetze auch selbst nach eigenem Gutdünken auslegen können. Das scheint die Wiedergeburt des Absolutismus aus dem Schoße der „europäischen Einigung“ zu sein. Aber vielleicht ist es noch nicht zu spät umzukehren. Die Wirksamkeit des US-amerikanischen Drucks von außen, könnte ein Medikament gegen diese im alten Europa von neuem ausgebrochene Krankheit sein.

VDL wollte Trump treffen – auch wegen Grönland

Derweil bemüht sich, wie Bloomberg https://www.bloomberg.com/news/articles/2025-01-09/eu-s-von-der-leyen-trying-to-clinch-meeting-with-trump weiß, die eigentlich noch schwer erkältete Kommissionschefin zudem um ein persönliches Treffen mit Trump noch vor dessen Inauguration in zehn Tagen. Aber vielleicht wird sich VDL mit einem Ferngespräch begnügen müssen. Ein Empfang in Mar-a-Lago wäre natürlich schöner gewesen. Doch zugleich galt es auch noch der Trump’schen Invasion Grönlands rhetorisch – via X-Post – zu begegnen. Die Botschaft von VDL und Ratschef António Costa war hier gleichlautend, offenbar abgesprochen:

„Die USA sind einer unserer engsten Partner, und wir sind entschlossen, das transatlantische Band zu stärken.
Für die EU ist es wichtig, unsere demokratischen Grundwerte zu schützen und zu stärken, unsere Wirtschaft wettbewerbsfähiger und nachhaltiger zu machen, unser globales Netz von Partnerschaften auszubauen und mehr in unsere Sicherheit zu investieren.
Die EU wird unsere Bürger und die Integrität unserer Demokratien und Freiheiten stets schützen.
Wir freuen uns auf ein positives Engagement mit der neuen US-Regierung, das auf unseren gemeinsamen Werten und Interessen beruht. In einer rauen Welt sind Europa und die USA gemeinsam stärker.“

Darauf kann sich nun jeder seinen eigenen Reim machen. An den „demokratischen Grundwerten“ dieser EU waren jedenfalls in der Vergangenheit – nicht erst in der Corona-Zeit – durchaus Zweifel möglich.

— Ursula von der Leyen (@vonderleyen) January 9, 2025

Anzeige
Die mobile Version verlassen