Tichys Einblick
»Vienna Forum« zum politischen Islam

Vier europäische Länder rüsten sich gegen den internationalen politischen Islam

In Wien trafen sich vier europäische Minister, um über ein drängendes Thema zu sprechen: die Schwierigkeiten bei der Integration, vor allem, was den Islam in seiner politischen und radikalen Form angeht. Einig war man sich, dass ausländische Finanzierung an dieser Stelle besonders schadet. Deutschland blieb der Konferenz fern. Warum nur?

IMAGO / photosteinmaurer.com

Österreich, Dänemark, Belgien und Frankreich wollen gemeinsam stärker gegen den politischen Islam angehen. Das ist das Ergebnis einer Konferenz, die am Donnerstag in Wien stattfand. Geladen hatte die österreichische Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP). Mit dem neuen Format will sie einen »europäischen Austausch im Kampf gegen den politischen Islam« anstoßen. Der Islamismus sei ein Phänomen, das auf dem Vormarsch sei, so die Ministerin. Geht es nach Raab, soll die Wiener Konferenz künftig regelmäßig stattfinden und als »Kompetenzzentrum gegen den politischen Islam« etabliert werden.

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Rund hundert Experten waren zu diesem ersten »Vienna Forum« angereist, dazu drei Fachminister aus europäischen Staaten. Neben dem dänischen Ausländer- und Integrationsminister Mattias Tesfaye (S) waren der Minister für Integration und Chancengleichheit Bart Somers von den flämischen Liberalen (VLD) und die Französin Marlène Schiappa (LREM), beigeordnete Ministerin für Staatsbürgerschaft, gekommen.

Gemäß dem Titel der Veranstaltung wollte man gemeinsam »gegen Segregation und Extremismus im Kontext der Integration« kämpfen. Der Integrationsprozess erscheint hier nicht als Weg mit eindeutigem Ziel, sondern als ein gefahrvolles Unternehmen, das in vielerlei Hinsicht schiefgehen kann. Dabei kann es ebenso zur erfolgreichen Aufnahme in die Gastgesellschaft wie zu Abstoßungsreaktionen und Extremismen kommen.

Tesfaye: »Wir kämpfen für Demokratie und Aufklärung«

Der dänische Ausländerminister berichtete von seinen Erfahrungen als Sohn eines äthiopischen Vaters in Dänemark und fuhr fort: »Millionen von Migranten leben heute in europäischen Ländern. Wir dürfen keine Parallelgesellschaften entstehen lassen.« Diese Aussage bezog sich freilich vor allem auf die muslimischen Gemeinschaften. Tesfaye stellte klar: »Wir kämpfen nicht gegen den Islam, sondern für die Demokratie, für die Aufklärung und unsere Werte.« Sein flämischer Kollege ging noch weiter und sprach von einer »Gemeinschaft, die von Diversität gekennzeichnet ist«. Für Bart Somers wird der Islam gerade »ein Teil der europäischen Identität«. Spezielle Islamgesetze, wie Österreich schon 2015 eines verabschiedete, könnten die Folge sein.

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Laut Frauen-, Familien- und Integrationsministerin Raab ist vor allem der Einfluss anderer Länder »Gift für die Integration«. Davon seien viele EU-Staaten betroffen, in Österreich spüre man vor allem den »starken Arm Erdogans«, der immer wieder auf die türkischen Gemeinschaften im Land Einfluss nehme, zum Teil auf dem Umweg der Religion. Dass solch ein Verhalten inakzeptabel ist, dem stimmte auch der Flame Somers zu. Erst im Mai war die österreichische Ministerin anonym bedroht worden, nachdem sie eine Karte zum politischen Islam veröffentlicht hatte, auf der problematische Vereine und Moscheen verzeichnet sind. Auch zwei der beteiligten Experten stehen seitdem unter Polizeischutz.

Tesfaye bemerkte, dass zu wenig über das Thema Integration gesprochen werde. Der dänische Minister wählte im Weiteren wohl die deutlichsten Worte: Zwar gebe es auch Muslime, die als »geschätzte Nachbarn« in Europa lebten. Daneben glaubten aber einige Bürger, dass der Islam nicht zu Europa passe. Zu diesen Bürgern zählte Tesfaye überraschenderweise auch die Islamisten. »Sehr viele Länder in Europa« stünden hier vor denselben Problemen wie Dänemark. Man dürfe keine Parallelgesellschaften entstehen lassen.

Schiappa: Kampf gegen Islamismus als Schwerpunkt im Jahr 2022

In Frankreich ergibt sich die Besonderheit, dass die Auseinandersetzung mit dem politischen Islam auch ein zentrales Thema im beginnenden Präsidentschaftswahlkampf ist. Vor allem der Überraschungskandidat Éric Zemmour geht in seiner Prä-Kampagne breit auf die um sich greifenden Parallelgesellschaften in Frankreich ein. Doch auch der konservative Ex-EU-Kommissar und Brexit-Aushändler Michel Barnier hat sich für ein dreijähriges Zuwanderungsmoratorium ausgesprochen, was in eine ähnliche Richtung deutet.

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Die zuständigen Minister im Kabinett Castex sind folglich auch im Wahlkampf gefragt, wo es für die Regierung darum geht, der wachsenden Schar konservativer und national ausgerichteter Konkurrenten Herr zu werden. Vor allem Zemmour zieht ein bürgerliches Publikum in großen Mengen an. Zuletzt musste sich Schiappa rechtfertigen, dass sie Zemmours Positionen überhaupt einer Erwiderung für würdig befand. Damit habe sie »sein Spiel« gespielt. Schiappa verwahrte sich gegen die Kritik, sie stehe für einen offenen Diskurs, in dem sie mit Argumenten zu überzeugen versuche.

Auf die Aktualität des Themas jenseits des Wahlkampfes deutet eine Vorläufer-Konferenz im Januar dieses Jahres hin, an der neben den beiden französischen Ministern die Ex-Premiers David Cameron und Manuel Valls teilnahmen (TE berichtete). Die französische Ministerin Schiappa hat angekündigt, den Kampf gegen den Islamismus zu einem Schwerpunkt der französischen Ratspräsidentschaft 2022 zu machen.

Doch was ergab nun die Wiener Konferenz? Nichts allzu Ungewöhnliches, dennoch sehr Notwendiges und Konstruktives: Kontakte auf der Fachebene sollen gestärkt werden. Man will sich über bewährte Praktiken, Erfahrungen und Erkenntnisse austauschen und so auch einen Mehrwert an Erkenntnissen gewinnen. Im Interview mit der Kronen-Zeitung sagte Raab: »Es ist wichtig, dass wir uns grenzüberschreitend verständigen. Vielfach sind ähnliche Akteure tätig, die gilt es zu benennen. Und es geht darum, Wissen zusammenzutragen, etwa über Hassprediger, die in mehreren Ländern aktiv sind.«

Leerer Stuhl für Deutschland

Daneben sollen weitere Länder für das Wiener Forum gewonnen werden. Das erscheint – zumal aus deutscher Sicht – bisher als der Pferdefuß der Veranstaltung. Die Bundesregierung war in Wien trotz Einladung nicht vertreten. Und wer hätte eigentlich anreisen sollen? Innenminister Seehofer hat derzeit mit der Lage an den Grenzen – zumindest medial-rhetorisch – reichlich zu tun. Auch die Integration fällt in Seehofers Ressort, er ist freilich mit dem Thema kaum aufgefallen – ganz anders als der Däne Mattias Tesfaye, der allein im laufenden Jahr zahlreiche Gesetzentwürfe vorlegte, darunter solche gegen Ghettobildung, zur Rückführung nach Syrien, zum extraterritorialen Asylverfahren und zur Moscheenfinanzierung.

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In Österreich wurde schon im Jahr 2015 durch ein Islamgesetz die Finanzierung islamischer Gemeinschaften aus dem Ausland verboten. Gleiches gilt für Frankreich seit einem neuen Gesetz, das auf zahlreiche Terroranschläge folgte. In beiden Ländern sollen Imame künftig nur noch im Land ausgebildet werden. In Deutschland erhält immer noch die Mehrheit der Imame ihre Ausbildung im Ausland. Eine gesetzliche Regelung auch zur Moscheenfinanzierung ist nicht in Sicht.

Die Abwesenheit Horst Seehofers kann man also mehr als symbolisch nennen, sie hatte einen ganz praktischen Grund. Die deutsche Bundesregierung hätte zu dem Thema ohnehin keine eigenen, mehrheitsfähigen, konstruktiven Ansätze präsentieren können. Die maßlose Zuwanderung, die das Land trifft, wird hierzulande verwaltet statt gestaltet. Und das gilt an den Grenzen ebenso wie im Inneren. Wird es die kommende Regierung anders oder gar besser machen? Man neigt nicht zu dem Glauben. Die bleibende SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat ja schon allein Schwierigkeiten dabei, sich »Islamismus« als etwas anderes als international tätiges Terror-Schläfertum vorzustellen.

Doch der Begriff ist breiter, wie auch die Österreicherin Susanne Raab feststellte: »Terror beginnt nicht erst, wenn es zu Gewaltakten kommt.« Es gebe einen »Nährboden für die Radikalisierung«, den man austrocknen müsse. Raab spricht eine massive Herausforderung an. Doch von dieser Erkenntnis dürften die neuen Koalitionäre, die von Luftbrücken und »Spurwechsel« für Asylmigranten träumen, noch weit entfernt sein. Erst wenn diese Herausforderung im Inneren von der deutschen Öffentlichkeit erkannt würde, könnte es zu notwendigen, weitreichenden Änderungen in Bezug auf das Asyl- und Sozialwesen kommen. Solange das nicht geschieht, bleibt Deutschland ein destabilisierender Faktor in der Mitte Europas.


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