Mike Johnson, 51, selbst schien überrascht und überwältigt zu sein, einstimmig bereits in der ersten Runde zum 56. Speaker des Kongresses und damit zur drittwichtigsten Person der USA gewählt worden zu sein. In seiner frenetisch gefeierten Ansprache erklärte er schmunzelnd, seine Frau Kelly könne nicht an seiner Seite sein, weil sie so rasch keinen Flug bekommen hätte. Die Wahl sei einfach zu schnell gegangen.
Wer hat Angst vor Mike Johnson?
Als endlich, nach drei zähen Wochen, der weiße Rauch aus dem Kongress aufstieg, waren viele Republikaner ratlos. Mike Johnson? Who is he? Wer also ist der neue, bisher eher unbekannte Speaker aus dem Südstaatenstaat Louisiana? Ist er wirklich Trumps neue Marionette, als die ihn die deutsche Presse reflexartig darstellt?
Wer also ist der neue Speaker? Bisher war er einer unter vielen, jetzt führt Johnson die Meute an. Die dazu nötigen Werkzeuge wird er sich im Schnelldurchlauf aneignen müssen. Zeit zum üben und eingewöhnen hat er keine. Nächsten Monat steht die von seinem Vorgänger Kevin McCarthy vertagte Debatte um den Haushalt an, bei der Amerika erneut der Shutdown droht. Bis dahin muss Johnson das republikanische Haus auf Linie gebracht haben.
Bei X hat er noch keinen blauen Haken, seit Mittwoch läuft sein account aber unter @speakerjohnson und er hat sich zu seinen Zielen geäußert. Als Sprecher will er Ergebnisse liefern und Veränderungen für das amerikanische Volk anstoßen. Aber vor allem will er das Vertrauen in die Politik wieder herstellen. Johnson will eine umfassende, konservative politische Agenda vorantreiben, die schädliche Politik der Biden-Administration bekämpfen und Amerikas Verbündete im Ausland unterstützen. Und er will die dringend benötigte Vernunft in der Regierung wiederherstellen.
Mike Johnson war der vierte Kandidat, der nach der Entlassung von Kevin McCarthy zur Abstimmung antrat. Er ist zwar in der Öffentlichkeit weniger bekannt, hat aber bisher, und das ist es, was für die Republikaner zählt, eine durchgehend konservative Linie bei Abstimmungen im Kongress gezeigt. Johnson und der deutlich bekanntere Jim Jordan, der ebenfalls für den Speaker kandidierte, stimmten in wichtigen Dingen nahezu identisch ab. Jordan schaffte es jedoch nicht, die Partei hinter sich zu vereinen und genügend Stimmen zu erhalten, um Speaker zu werden. Wo der hochkarätige Jordan scheiterte, war Johnson schließlich erfolgreich.
Johnson steht für ein Amerika, von dem Hollywoods Elite glaubt, dass es gar nicht mehr existiert. Er ist evangelikaler Christ, betont, dass er Kraft aus der Bibel und Gottes Worten zieht. Seine Frau Kelly Johnson, eine ehemalige Lehrerin, hält Vorträge über familienbezogene Themen und ist selbst ausgebildete Seelsorgerin. Kelly gilt als führend in der Pro-Familien-Bewegung, warb 1999 zusammen mit ihrem Mann für neue Gesetze in Louisiana, die die Scheidung in diesem Bundesstaat erschwerten. Eine von Kelly gegründete Organisation bietet Menschen in Nordwest-Louisiana „vertrauliche, biblisch fundierte Einzel-, Ehe- und Familienberatung“. Gleichgeschlechtliche Ehen sind für Kelly und Mike Johnson gegen Gottes Willen, beide haben viele Auszeichnungen im Bereich Familie und Glauben erhalten, darunter die Auszeichnung „Champions of the Faith“ der Southern Baptist Convention.
Das Paar, seit Highschool Zeiten zusammen und seit 24 Jahren verheiratet, hat vier gemeinsame Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen. Die Familie geht gemeinsam auf den Schießstand und jagt leidenschaftlich. Politik scheint bei den Johnsons in der Familie zu liegen. Der älteste Sohn Jack, wurde von seiner Klasse bereits als „Young Govenor“ nominiert. Vater James Patrick Johnson war Feuerwehrmann und erlitt bei einem Einsatz Verbrennungen und Behinderungen. Anschließend gründete er die gemeinnützige Percy R. Johnson Burn Foundation, benannt nach seinem Partner, dem ersten schwarzen Feuerwehrmann der Stadt, der bei diesem Brand ums Leben kam.
Speaker Johnson machte einen Bachelor-Abschluss in Betriebswirtschaft an der Louisiana State University in Baton Rouge, Louisiana und später seinen Juris Doctor. Seit 2017 ist er Kongressabgeordneter. Als stellvertretender Vorsitzender der Republikanischen Konferenz hatte er bereits eine Führungsposition im Repräsentantenhaus, außerdem war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender und ehemaliger Vorsitzender des konservativen Republican Study Komitees. Er sitzt im Justiz- und Streitkräfteausschuss, beides äußerst wichtige und einflussreiche Gremien.
Johnson ist ein Anhänger Trumps und war einer der Kongressabgeordneten, die 2020 Joe Bidens Wahlsieg anzweifelten. Johnson stimmte gegen die Bestätigung der Wahlergebnisse für Biden sowohl in Arizona als auch in Pennsylvania und gegen das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wegen des Vorwurfs, er habe am 6. Januar 2021 einen Aufstand im US-Kapitol angezettelt. Später stimmte er gegen die Einsetzung des Sonderausschusses zur Untersuchung des Anschlags vom 6. Januar. Als Anwalt war Mike Johnson Mitglied des Teams zur Verteidigung Trumps bei dessen Amtsenthebungsverfahren.
„Herzlichen Glückwunsch an Mike Johnson. Er wird ein GROSSARTIGER ‚SPEAKER‘ sein, MAKE AMERICA GREAT AGAIN!“ schrieb Trump auf Truth Social nach der erfolgreichen Wahl von Johnson am Mittwoch.
Kein Wunder, dass die Demokraten den neuen Speaker angreifen. „Johnson hat sich als einer der Hauptgegner unserer demokratischen Institutionen und unserer freien und fairen Wahlen hervorgetan“, sagte der kalifornische Abgeordnete Adam Schiff in die Kameras.
Die Abgeordnete Nancy Mace, eine der acht Abgeordneten, die für die Absetzung des ehemaligen Speakers Kevin McCarthy gestimmt hatten, ist dagegen optimistisch: „Ich glaube, dass Johnson vertrauenswürdig sein wird, ehrlich und wahrheitsliebend“.
Der republikanische Abgeordnete Dusty Johnson erwartet keine großen Unterschiede in der Führung oder der Politik zwischen Johnson und McCarthy, aber Johnson genieße mehr Vertrauen beim rechten Flügel der Partei. „Ich denke, dass man Mike in einer Art vertraut, die viele Kevin McCarthy niemals vertraut haben.“
Johnson ist seit 2011 der erste Speaker, der alle Stimmen seiner Partei auf sich vereinigen konnte. Das birgt Hoffnung, dass die tiefe Spaltung der Partei, mit der McCarthy und jeder Kandidat seit seiner Abwahl konfrontiert waren, behoben werden kann. Rein praktisch wird Johnsons Sieg es dem Repräsentantenhaus nun ermöglichen, wieder reguläre Geschäfte zu führen, was angesichts des drohenden Regierungsstillstands in weniger als einem Monat und der Verschärfung des Krieges zwischen Israel und der Hamas dringend erforderlich ist. Johnson selbst hat sich bereits mehrfach Pro-Israel positioniert.
Auf die üblichen Zeremonien und Feierlichkeiten will der neue Speaker verzichten, „weil wir für beides keine Zeit haben. Die Angelegenheiten des amerikanischen Volkes sind in diesem Moment zu dringend“, sagte er nach seinem Sieg.
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