Als Joe Biden am 20. Januar der 46. Präsident der Vereinigten Staaten wurde, gab es große Hoffnungen und mindestens so viel Ressentiments. Die Welt fragte sich damals schon, ob der zu dieser Zeit 79-jährige dem wichtigsten Amt der Welt länger gewachsen sein würde. Die Hoffnungen lagen auf der jahrzehntelangen Erfahrung des Mannes aus Pennsylvania und Delaware und seiner weltweit hoch geschätzten persönlichen Integrität zum einen und auf seiner Lady Vicepresident Kamala Harris andererseits. Vieles hat sich erfüllt, der Wirtschaft geht es bestens, der Chinakonflikt scheint unter Kontrolle und die Weltbedeutung der USA hat auch ohne Trump America great bleiben lassen.
Anderes hat nicht geklappt. Weder hat das Gesundheitssystem die Stabilität erlangt, was schon Obama-Care versprach. Noch ist das Land einiger geworden. Um es kürzer zu sagen, die USA sind weit von der notwendigen Einigkeit entfernt, eine zuverlässige Weltmacht wie einst sein zu können. Das zeigen die ewigen Querelen zwischen Senat und Congress und nicht zuletzt der Sturm auf das Capitol vor drei Jahren.
Eine nicht zu unterschätzende Schwäche ist aber auch eine bedeutende Personalie. Es ist die Vizepräsidentin Kamala Harris. Die nach dem Präsidenten ranghöchste heute 60 jährige Politikerin erwies sich als unangemessen schwach. Das war unangemessen angesichts der enormen Aufgaben und ebenso unangemessen der auf sie als brilliante Juristin gesetzten Erwartungen, was die zwingend reformierbare Donkey-Party – der Esel ist als dienendes und störrisches Wesen das Wappentier der Democrats, betrifft.
Es ging die Mär um, dass Harris Frauen und andere ethnische Wählerschaften stärker ansprechen würde, binden könnte und frische Ideen zur politischen Gestalt der USA liefern würde. Nichts ist geschehen. Das hat nicht nur zur Frustration bei republikanischen Wählern geführt. Und das lag bestimmt nicht nur an der ehrbar zurückhaltenden Medienarbeit der Demokraten. Es lag auch am antiquierten Amtsverständnis der Blauen. Demzufolge füllt der Präsident fast vollständig die Politik aus und der Vizepräsident ist eher Moderator im Innenpolitischen und hält sich für seine Reservefunktion bereit.
Man wollte also Trump nicht kopieren und die Aufmerksamkeit bei ihm lassen. Das war falsch und hat sich bitter gerächt. Auch glaubte man, dass eine grundsolide Regierungsführung aus dem Oval Office schon die Zweifler auf die richtige Seite bringen würden, was die Zahlen bestätigten.
Das war schon wieder falsch. Es müssten aber die Eselstreiber, die Strategen im Weißen Haus „be of it´s rocker“ – nicht mehr alle beisammen haben, wenn sie das nicht gemerkt hätten.
Nur ist guter Rat teuer und vor allem eilig. Pete Buttigieg. Der gegenwärtige Verkehrsminister ist intern bei den Democrats für das neueste höchste Amt in den Staaten vorerkoren. Der 40 jährige hat eine exzellente Laufbahn vorzuweisen. Schon vor zehn Jahren war er Bürgermeister in South Bend, einer nach amerikanischen Verhältnissen kleinen Stadt in Indiana, bis ihn Biden nach politischen Talenten immer in Ausschau, in sein Kabinett für das nicht nur in USA wichtige Amt holte. Buttigieg ist offen schwul, kann aber auch eine ansehnliche Karriere als Chief Communication Officer im aktiven Dienst mit Erfahrung in Afghanistan vorweisen. Damit hat der Junge schon mal die Herzen der Veterans für sich, die Trump mit seinen frechen Äußerungen gegen McCaine gegen sich aufgebracht hatte. Die Erfahrung in den USA in kleineren Städten wird in den USA viel höher geschätzt als in Europa. Dort gilt der alte Grundsatz: „als politics are local.“ Das ist oft gut.
Thema seiner Politik in seiner Kleinstadt wie im weitläufigen Staat Indiana und dann der großen fast vereinigten Staaten war und ist die Infrastruktur-Entwicklung oder vielleicht besser gesagt deren Sanierung. Das ist heute ein sehr amerikanisches Problem und braucht Macher oder besser Maga-Project-Manager, gerade wenn es um die USA oder die Freie Welt geht. Einem Infrastrukturpolitiker kann und muss man aber auch eine Welt- und Weitsicht zutrauen.
Der Professorensohn aus Indiana, Jahrgangsbester seiner katholischen St. Joseph Privatschule und Student am Havard College, beschäftigte sich schon vor 20 Jahren mit geisteswissenschaftlichen Themen und – er hält einen Bachelor of Arts in Geschichte und Literatur – mit der Außenpolitik der USA. So etwas braucht es heute in den Staaten dringender denn je. Sie braucht auch die Anbindung der alten weißen Eliten. Das sind die sogenannten WHASPs, die White Anglo Saxon Protestants. Gut da passt der Katholik mit auch maltesischen Vorfahren nicht ganz hinein, aber es klingt nach einem Versöhnungsangebot, weit weg von den ideologischen Schreihälsen.
Man muss nicht genau hinschauen, um das Kennedyeske des smarten gut aussehenden Politikers zu erschauen. Die Parallelen sind allzu offensichtlich. Da ist die smarte Äußerlichkeit, der katholische Hintergrund, der übrigens auch beim irisch-stämmigen Biden unübersehbar ist, die exzellente Bildung aus bester Familie und die freundlich-kritische Welt-Zugewandtheit.
Noch ist nicht klar, wie die Democrats den Übergang gestalten wollen. Nach unseren Informationen ist es denkbar, dass Biden der Convention vom 19. bis 22. August vorschlagen wird, Pete Buttigieg zu nominieren. Das wäre nicht ganz üblich, aber hatte es bei der Nominierung von Hillary Clinton 2016 auch schon gegeben. Anderenfalls müsste er Buttigieg als starken Nachfolger und Vizepräsidenten annoncieren – aber das ist ja schon einmal vollständig schief gegangen. Dazu ist das Raunen des Wiederhalls auf den Fluren des Capitols noch zu unbestimmt.
Im Amerikanischen würde man sagen: „new brooms sweep clean“ (neue Besen kehren gut). Das brauchen Republikaner und Demokraten gleichermaßen. Und dann wird sich vielleicht zeigen, ob von dem durchaus praktisch veranlagten, reisweißen Collegeboy, just aus dem Zylinder gezaubert, die Führung der Freien Welt erwartet werden kann.
Tom Aaron, exklusive von haOlam.de