Tichys Einblick
Hormontherapien für Minderjährige:

US-Ärzteverband verlangt staatliches Vorgehen gegen Kritiker

In den USA treffen Hormonbehandlungen für Minderjährige – bis zu frühen geschlechtsangleichenden Operationen – auf eine immer breiter anwachsende Kritik. Desto erbitterter wird nun versucht, Kritik an diesen Methoden zu kriminalisieren. Doch das Kartenhaus der „evidenzbasierten“ Behandlungen beginnt schon jetzt in sich zusammenzufallen.

Symbolbild

shutterstock/EJ Nickerson

Die American Medical Association, größte Standesvertretung US-amerikanischer Ärzte, hat Justizminister Merrick Garland zu Ermittlungen gegen Personen und Organisationen aufgefordert, die sich an einer angeblichen „Desinformationskampagne“ gegen Kinderkliniken und deren Ärzte beteiligen. Berichtet wird von aggressiven Anrufen und E-Mails. An dem Aufruf sind auch zwei weitere Ärzteverbände, die Kinderärzte-Akademie (Motto „Dedicated to the Health of All Children“) und der Verband der Kinderkrankenhäuser mit mehr als 200 Mitgliedskliniken, beteiligt.

In dem offenen Brief an Justizminister Garland wird gar von einer Bombendrohung berichtet, aufgrund welcher eine Neugeborenenabteilung abgeriegelt werden musste („was on lockdown“). Man mag sich fragen, was der Lockdown einer Babystation mit kritischen, auch drohenden Zuschriften gegen eine Transgender-Abteilung zu tun hat. Eher erscheint es so, dass die Kritik an der Transgender-Medizin für Minderjährige systematisch ins Unrecht gesetzt werden soll. Dabei bedient man sich auch seines Status als Kinderklinik.

Das Sicherheitspersonal habe in vielen Kinderkrankenhäusern erheblich verstärkt werden müssen. Doch diese Beschreibung der vielleicht realen Schwierigkeiten der Kliniken endet in der Forderung, gegen die „Bedrohungen über soziale Medien“ direkt vorzugehen, die zu belästigenden E-Mails, Anrufen und Protesten an den Einrichtungen geführt hätten. Gefährdet sei so das Recht auf medizinische Behandlung, das durch Bundesgesetze geschützt werde.

Auch in Deutschland gibt es Angebote

Am Anfang der Affäre hatte aber die Veröffentlichung eines klinikeigenen Videos durch das angesprochene Twitter-Profil „mit hohem Bekanntheitsgrad“ gestanden. In dem Video wird ziemlich offen gesagt, dass „gender-angleichende Hysterektomien“ von der Bostoner Kinderklinik angeboten werden. Der das Video twitternde Account ebenso wie andere Nutzer mussten nur eins und eins zusammenzählen: Entfernungen der Gebärmutter, vorgenommen an einer Kinderklinik? In dem inkriminierten Video werden Hysterektomien ähnlich lapidar wie als eine Art Wellness-Eingriff an jungen Frauen dargestellt, wobei sogar die Eierstöcke im Körper verbleiben könnten.

Das Krankenhaus bestritt, dass solche Eingriffe an Minderjährigen durchgeführt würden. Der Inhalt der unternehmenseigenen Website wurde kurz nach Veröffentlichung des Videos durch die Kritiker in diesem Sinne konkretisiert. Die Bostoner Klinik schrieb auf ihrer Website nun, dass Hysterektomien nur an volljährigen Patienten vorgenommen würden. Es bleibt aber anscheinend bei Testosteron-Gaben für minderjährige Mädchen und Unterdrückung der Menstruation durch Pubertätsblocker.

Daneben gibt es Aussagen von Chirurgen, dass Phalloplastien, also künstliche Peniskonstruktionen, bei 17-jährigen Patientinnen möglich sind. Nur sei es bisher nicht dazu gekommen, weil die Kriterien nicht erfüllt worden seien. Neben der Bostoner Klinik kamen auch andere Hospitäler, die Transgender-Behandlungen für Minderjährige anbieten, in die Kritik. Etwa das Phoenix Children’s Hospital, das ebenfalls medizinisch assistierte Transitionen für Kinder gemäß den Richtlinien der World Professional Association for Transgender Health (WPATH) anbietet.

Während es weltweit zu immer lauterer und anwachsender Kritik kommt, nehmen die Angebote in Deutschland in diesem Bereich zu. Die Universitätskinderklinik am Katholischen Klinikum Bochum schreibt: „Die Zahlen für Kinder und Jugendliche mit Geschlechtsdysphorie / Transidentität steigen nicht nur in Deutschland rasant an. Allein in Bochum werden 550 Familien betreut. Die Ursachen für diese Zunahme sind noch unklar.“ Die Seite formuliert die Sicht auf Transgender-Kinder zweimal: „Biologisch“ handle es sich „um gesunde, fortpflanzungsfähige Mädchen und Jungen, deren Geschlechtsidentität nicht mit der Geschlechtszuweisung bei der Geburt übereinstimmt“. Dann wieder werden sie zu Kindern mit „einer ‚normalen‘ weiblichen oder männlichen Geschlechtsidentität“ – nur der Körper passe nicht dazu. Doch als „normal“ gilt hier das Konstrukt einer inneren Geschlechtsseele, die männlich oder weiblich sein soll, aber vom äußeren Geschlecht abweichen kann. Gemeint ist damit Gender, nicht Sex.

Beispiele gibt es auch: Nachdem eine Kinder- und Jugendpsychiaterin eine Geschlechtsdysphorie diagnostiziert hat, steht bei „Sophia, der Mutigen“ jetzt „die Unterbrechung der männlichen Pubertätsentwicklung“ an. Am Ende könnte die Entfernung von Penis und Hoden und eine Vaginalplastik dazu führen, dass „auch körperlich nicht mehr zu erkennen sein [wird], dass Sophia als Junge geboren worden war“. Aus dem gesamten Text spricht eine große Naivität, was die möglichen Folgen (körperlich und seelisch) solcher Eingriffe angeht.

Dogma „evidenzbasierte gender-angleichende Gesundheitsversorgung“

In den USA ist man auf praktischem Feld schon weiter, und so erfährt auch die Kritik an Transgender-Behandlungen an Kindern und Jugendlichen eine immer größere Aufmerksamkeit und Kritik. Nach Enthüllungen des Journalisten Matt Walsh über Transgender-OPs als Goldesel für Kliniken hat die Vanderbilt-Klinik in Nashville, Tennessee, ihre Website zeitweilig offline genommen.

Neu ist die Meldung, dass die Vanderbilt-Klinik die Durchführung von Transgender-Operationen an Minderjährigen auf Eis gelegt hat. Wiederum ist die Schlussfolgerung simpel: Offenbar müssen derlei OPs bis vor kurzem angeboten worden seien.

— Sall Grover (@salltweets) October 9, 2022

Nun werden aber auch die Kritiker der Kritiker – Trans-Aktivisten, zum Teil eindeutige Lobbyisten – langsam ungeduldig. Zunächst forderte man von den Betreibern sozialer Medien, die entsprechenden Postings als „hate speech“ zu löschen und aktive Accounts zu sperren. Man führt auch an, dass einzelne Tweets von Accounts wie „Libs of TikTok“ in Frankreich bereits aufgrund bestehender Gesetze unzugänglich seien. Um welche Äußerungen es sich im Detail handelt, bleibt unklar. Die Schuld an der kritisierten Untätigkeit von Twitter wird dem allgemeinen Schwebezustand gegeben, weil ein Verkauf an Elon Musk immer noch nicht vom Tisch sei.

Da sich die Betreiber und Befürworter mit Transgender-Kritikern – welche sich mit ihrer Kritik ausschließlich auf den Bereich der fragwürdige Praktiken, Bestrebungen und Behandlungen auf das Segment Kinder- und Jugendliche-Transitionen fokussieren – also mit dem Privatunternehmen Twitter schwertun, rufen sie nun nach dem Staat und nach Big Tech. Nun soll der US-Justizminister gegen alle „verantwortlichen Organisationen, Individuen und Entitäten“ rasch ermitteln und sie auch strafrechtlich verfolgen.

Um ein solches Vorgehen plausibel machen, sind angebliche Bomben- und Todesdrohungen natürlich nützlich. Eine Transaktivistin behauptet, es gebe eine „klare Verbindung zwischen der realen Anti-LGBTQ-Gewalt“ und den Tweets. Aber ist eine übers Ziel hinausschießende Reaktion einzelner Bürger wirklich denen anzulasten, die auf Missstände hinweisen? Hier wird offenbar nach jedem verfügbaren Mittel gegriffen.

Die Ärztevereinigung spricht in ihrem Schreiben von den Standeskollegen als Vertretern einer „evidenzbasierten gender-angleichenden Gesundheitsversorgung“ – ein Dogma, das einige offenbar kaum noch hinterfragen können oder wollen. Dabei spricht inzwischen viel Evidenz gegen diese „Gesundheitsversorgung“, durch die viele junge Menschen Einbußen in ihrem Wohlbefinden und ihrer Gesundheit hinnehmen mussten. Ob das Dogma insgesamt in der öffentlichen Sphäre in den Vereinigten Staaten noch angreifbar ist, werden die kommenden Tage und Wochen zeigen.

Die Evidenz schlägt zurück – Zeugnisse von Ärzten und Aktivisten

In einem Video gibt ein Arzt namens Dr. Daniel Metzger zu, dass junge Menschen mit „geschlechtsangleichenden“ Operationen „reproductive regret“ erleben, also bereuen, dass sie nach den Eingriffen keine Kinder mehr haben können: „Das gibt es, und ich denke, das überrascht keinen von uns. Wir versuchen darüber zu sprechen, aber die meisten Kinder sind noch nicht so weit, dass sie wirklich ernsthaft darüber reden können.“ Das habe ihn schon immer gestört, aber „wir wollen ja, dass die Kinder glücklich sind. Glücklicher mit sich in der Gegenwart, nicht wahr?“ Später gibt Dr. Metzger zu, dass man einfach zu einer „weißen Wand“ spreche, wenn man einem 14-Jährigen erklären will, dass er sich nicht fortpflanzen wird: „Ich denke an diese Dinge, wenn wir Einverständniserklärungen unterschreiben. Ich weiß, da gibt es immer noch einen blinden Fleck, so dass wir am Ende einfach sagen: ‚wir tun es‘.“

Zu Pubertätsblockern gibt es enthüllende Aussagen der WPATH-Vorsitzenden Marci Bowers, die Richtlinien für die Durchführung „gender-angleichender“ Behandlungen herausgegeben hat. Bowers gibt zu, dass die Deaktivierung der natürlichen Testosteronproduktion bei Jungen dazu führt, dass diese in ihrem späteren Leben (möglicherweise als Transfrau) keinen einzigen Orgasmus erleben. Das sei in 100 Prozent der Fälle so. Bowers überlegt am Ende des Videos, wie man die biochemische Behandlung der jungen Körper verändern könnte, um ein besseres Ergebnis zu erzielen. Außerdem weist sie darauf hin, dass man junge gender-dysphorische Menschen auch ermutigen könnte, ihren Körper so zu akzeptieren, wie er ist.

In 13 US-Bundesstaaten werden derzeit Gesetzentwürfe diskutiert, die den Zugang zu „gender-angleichenden“ Operationen einschränken sollen. Entsprechende Regelungen gibt es schon in Arkansas, Texas und Florida, wo seit Februar eine Anordnung gilt, die Pubertätsblocker und Operationen an Minderjährigen verbietet.

Derlei Behandlungen können in Texas seitdem als Kindesmissbrauch klassifiziert werden. Die Regelungen in Arkansas, Texas und Florida werden allerdings derzeit von Gerichten überprüft.

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