US-Universitäten: Wie Terroristen sich über den „Protest“ freuen
Matthias Nikolaidis
Seit Wochen brodelt es an US-Universitäten. Wohlorganisierte Studentengruppen blasen zum Angriff auf die Meinungsfreiheit, fordern den Israel-Boykott und vertreiben jüdische Studenten vom Campus. Im deutschsprachigen ÖRR ist derweil die Rede von „anti-islamische Stimmungen“. Die sind aber nirgendwo dokumentiert.
In den letzten Wochen haben sich Anti-Israel-Demonstrationen, die zugleich Pro-Hamas-, also Pro-Terror-Demonstrationen sind, an US-Universitäten ausgebreitet. Bei genauerer Betrachtung erscheint das aktuelle Geschehen an amerikanischen Universitäten wie eine Wiederaufnahme des Sommers 2020, wenn auch auf einer ganz anderen, auch kleineren Skala. Vor vier Jahren wurden amerikanische Innenstädte von einem Mob heimgesucht, der nicht etwa nur aus Schwarzen bestand, sich aber hinter der Parole „Black Lives Matter“ zusammenfand.
Tatsächlich sahen Jugendbünde wie die meist weiße Antifa ihre Stunde gekommen, um es ihrer Gesellschaft und vor allem dem Präsidenten (damals Trump) so richtig zu zeigen. Nebenbei plünderte man noch die Einkaufsgeschäfte auf dem Weg. Doch der Weg führte zum Kapitol, in dem die unruhestiftenden Gruppen sich einen anderen Präsidenten wünschten. Das war jedenfalls eine Art Nahziel der Bewegung und Organisation (BLM), deren Anführerinnen inzwischen durch private Immobiliendeals mit Spendengeldern als korrupt entlarvt sind.
Nun also ein ganz ähnliches Spektakel an den Universitäten, von denen ja auch die andere Abweichung von Maß und Mitte ausging. Man kann sich in der Tat fragen, was eine Vielzahl von Studenten so sehr mobilisiert, dass sie sich in solchen wahren Hass-Ritualen zusammenfinden, wie sie seit einer guten Woche an den verschiedenen Hochschulen zu beobachten sind. Etwa wenn die Journalistin Jessica Schwalb von der Studentenzeitung Columbia Daily Spectator als „Zionistin“ „enttarnt“ wurde.
Der jüdische Assistenzprofessor an der Columbia University Shai Davidai war einer der ersten, der die Geschehnisse filmte und online dokumentierte.
Noch 1000 und 10.000 Mal soll es Terror gegen Israel geben
An Columbia war es auch, dass einem jüdischen Studenten entgegnet wurde, dass der 7. Oktober (der Terrorangriff der Hamas auf Israel) noch 1.000 oder 10.000 Mal erfolgen werde. Man solle ihn nicht vergessen. Es gab Kritik an diesem Video: Der Akzent des vermummten Krakeelers wäre „zu weiß“.
Aber das ist ja eben der Punkt: Es ist ja keine ethnische, sondern eine ideologische Bewegung, in der sich „weiße“, arabische und auch viele schwarze Studenten zu treffen scheinen, und das allerdings im Zeichen eines neuen Antisemitismus mit islamischem Vorzeichen. So wurden Juden aufgefordert, nach Europa oder „nach Polen“ zurückzugehen. Viele fragten: Warum ausgerechnet Polen?
Schon am 18. April fällte die Universitätspräsidentin Nemat „Minouche“ Shafik schweren Herzens die Entscheidung, den South Lawn durch die New Yorker Polizei evakuieren zu lassen, obwohl sie sich stets für eine „Umgebung, in der jeder in einem unterstützenden Kontext lernen kann“, eingesetzt habe: „Meine oberste Priorität war immer die Sicherheit unserer Gemeinschaft.“ Damit war Shafik an diesem Tag gescheitert. Zu den Parolen des Protests, der sich zu diesem Zeitpunkt an der Columbia Uni etabliert hatte, gehörte auch: „Wir wollen keine zwei Staaten, wir wollen alles.“
Unklar ist, welche Investitionen beendet werden sollen
Doch in Columbia und vielen anderen US-Universitäten gehen die Besetzungen weiter, inzwischen auch untermalt von der Forderung nach Amnestie und natürlich weiterhin „Divestment“. Der Begriff meint den Abbruch von Investitionen, ein ziviles Sanktionsregime sozusagen, wobei unklar ist, inwiefern US-Universitäten überhaupt finanzielle Beziehungen zu israelischen Unternehmen oder gar zu Waffenproduzenten haben, wie suggeriert wird. Die Forderung gehört eher zur Modenschau des neuesten revolutionären Chics. Böse Zungen übersetzen die Forderung der internationalen BDS-Bewegung als: „Kauft nicht bei Juden!“ Und all das geschieht offenbar für die „Genossen“ (comrades) in Palästina, wie eine Rednerin klarstellt.
In der besetzten Zone der Columbia University vertreibt man sich die Zeit mit einer Art Gegen-Universität, mit Programmpunkten wie einem „Anti-Semitism Teach-In“, bei dem nicht klar ist, ob vom Antisemitismus abgeraten oder er befürwortet wird.
Mike Johnson: Das ist keine freie Meinungsäußerung
Am Mittwoch (24. April) kam der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner Mike Johnson, gewählt für Louisiana, auf den Campus der Columbia University in New York und forderte die Universitätspräsidentin ultimativ auf, „Ordnung in dieses Chaos zu bringen“ oder zurückzutreten. Die Universitätsleitung habe den „Drohungen und der Einschüchterung des Mobs“ das Feld überlassen. Amerikanische Prinzipien wie Redefreiheit und der freie Austausch der Ideen seien dadurch überstimmt worden.
Außerdem habe die Universitätsleitung natürlich ihre grundlegendste Verantwortung vernachlässigt, die darin besteht, für die Sicherheit der Studenten zu sorgen. Der Antisemitismus an US-Universitäten müsse gestoppt werden. Der Kongress könne nicht still bleiben, während Juden um ihr Leben rennen oder ihrer Universität aus Furcht fern bleiben. Zu den Sprechchören und anderen Aktivitäten der Masse sagte Johnson: „Das ist gefährlich. Das ist nicht der erste Verfassungszusatz, das ist keine freie Meinungsäußerung.“
Johnson hielt seine Rede vor einer Bibliothek vor einer großen Zahl von Studenten und wurde mehrmals von Zwischenrufen unterbrochen. Seine Antwort war geschliffen: „Genießen Sie ihre Redefreiheit.“
Am 17. April hatten Kongressmitglieder bei einer Befragung der Uni-Präsidentin Shafik festgestellt, dass die Columbia University „eine der schlimmsten Brutstätten“ des Antisemitismus unter den US-Unis sei. Aber beileibe nicht die einzige.
Seit Jahrzehnten vorbereitete Einflussnahme
All das hat schon eine längere Vorgeschichte. Gruppen wie Students for Justice in Palestine (SJP) wurden schon Anfang der 1990er-Jahre gegründet und verfolgen seitdem eine stringente Agenda. Inzwischen besitzen sie über 200 lokale Verbände an amerikanischen und kanadischen Universitäten. Shai Davidai berichtet, dass einige SJP-Funktionäre auch ohne engeren Bezug zur Universität Zutritt zum Campus haben, während seine eigene Zugangsberechtigung kassiert wurde – und zwar weil die Universität seine „Sicherheit als jüdischer Professor nicht schützen“ könne, wie Davidai auf X berichtete. Für den Professor bedeutet das: „Wir schreiben das Jahr 1938.“
Und natürlich wurden auch einige der neueren linksradikalen Gruppen, die sich nun unter dem Sammelnamen „Columbia University Apartheid Divestment“ zusammenfanden, von George Soros finanziert. Dagegen hat der Eigentümer der Football-Mannschaft New England Patriots, Robert Kraft, seine Spenden an Columbia aus Betrübnis „über den virulenten Hass“ an der Uni suspendiert, wie der Washington Examiner meldet.
Und es gibt auch eine kurze Vorgeschichte: Wochen vor den Uni-Besetzungen hatten Aktivisten die Hamas an der Columbia University gepriesen. 100 Professoren unterzeichneten einen Brief, in dem sie wiederum Studenten verteidigten, die hinter der „militärischen Aktion“ der Hamas standen. Es gab Aufrufe zur Intifada und Hakenkreuzschmierereien. Schon im März nannte Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah die politischen Aktivitäten amerikanischer Muslime „sehr einflussreich“, woran das Wall Street Journal erinnerte. Auch der Huthi-Anführer Nasruddin Amer dankte den Protestlern im Westen, die „Stellung beziehen, an Demonstrationen teilnehmen und auf die Straße gehen“.
Auch in Yale verdrängt der „Protest“ die Lehre
Im vergangenen Herbst waren die Präsidentinnen mehrerer US-Universitäten im Kongress in die Defensive geraten, als sie keine eindeutige Haltung gegen Antisemitismus auf den Campi einnehmen wollten. Das war das erste Rauchsignal, das auf ein Feuer hindeutete. Heute rufen Studenten an der Universität die Qassam-Brigaden der Hamas auf, sich weitere Opfer an den Universitäten zu suchen.
Unter den belagerten Unis sind derweil auch das Massachusetts Institute of Technology (MIT), die University of Michigan in Ann Arbor oder das berühmte Yale. Ebendort wurden mindestens 47 Besetzer festgenommen. Ein Student (21) wunderte sich gegenüber dem Guardian über seine Festnahme: „Wir waren sehr überrascht. Wir hatten einen sehr friedlichen, sicheren Gemeinschaftsraum geschaffen, in dem Studenten miteinander diskutieren konnten…“ Diesen Eindruck konnten nicht alle in Yale bestätigen.
Der Wahlspruch von Yale ist „Licht und Wahrheit“ (oder auf Hebräisch „Urim und Thummim“). Wenn die Wahrheit immer umstritten bleibt, kann man dennoch den Eindruck haben, dass hier auch eine Revolte gegen die Gründungsideen der Universität vorliegt, sobald Juden von der Lehre ausgeschlossen werden. Denn ja, einige Kommentatoren haben spöttisch daran erinnert: In diesen Gebäuden befinden sich die Fachbereiche einer Lehranstalt.
Netanjahu: Antisemitismus ist der Kanarienvogel in der Kohlegrube
Auch an der New York University wurden 133 Studenten vorübergehend festgenommen. An der Columbia University waren es 100 Festnahmen. Zuvor war den jüdischen Studenten empfohlen worden, zu Hause zu bleiben, weil ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden könne. Einem jüdischen Professor wurde der Zutritt zu der New Yorker Universität verwehrt, seine Karte funktionierte nicht mehr.
Am Mittwoch kam es zu Kämpfen zwischen Studenten und den inzwischen in großer Zahl eingesetzten Sicherheitskräften an mehreren Universitäten. Den Regierenden blieb kaum eine andere Wahl, als diese Einsätze anzuordnen. So hatten Studenten eine Rasenfläche an der Harvard University (Massachusetts) gestürmt, um dort ihre Zelte aufzustellen – mit anderen Worten: um einen Teil des Universitätsgeländes zu besetzen.
An der University of Texas kam die Nationalgarde zum Einsatz. Auch hier folgten inzwischen dutzende Festnahmen, ebenso an der University of Southern California. Derweil marschierten Studenten in New York durch Chinatown und auf ein Polizeihauptquartier zu.
Benjamin Netanjahu sprach die „beschämende Haltung“ einiger Universitätspräsidenten an, die letztlich zum Eingriff der Ordnungskräfte führte. Außerdem hob der Premier hervor, dass auch „Tod den Vereinigten Staaten“ zu den Forderungen der Protestler gehörte: „Antisemitismus ist der Kanarienvogel in der Kohlegrube. Er geht immer größeren Feuersbrünsten voraus, die die gesamte Welt verschlingen werden.“
Trump über Biden falschen Ton: Er weiß nicht, wen er unterstützt
Auf einer Veranstaltung zum „Earth Day“ in Miami sagte Alexandria Ocasio-Cortez, man müsse sich vor allem an die Kraft junger Menschen erinnern, die die USA heute formen, wie sich etwa auch in der Führung jener (mit spezieller Betonung) „friedlichen Studentenproteste auf dem Campus“ in Columbia, Yale, Berkeley und vielen anderen. Ein wie gewöhnlich undeutlich sprechender Joe Biden bestätigte, dass er vor langer Zeit gelernt habe, dieser Lady gut zuzuhören. Später verurteilte er zwar „die antisemitischen Proteste“ und behauptete, in dieser Sache „ein Programm entwickelt“ zu haben. Aber er verurteilte genauso „diejenigen, die nicht verstehen, was mit den Palästinensern passiert“.
Für Donald Trump ist die Lage klar. Bevor er am Mittwoch den Gerichtssaal in Manhattan betrat, sagte er: „Was an den Colleges, Columbia, NYU und anderen, vor sich geht, ist eine Schande. Und es liegt tatsächlich an Biden, er hat das falsche Signal gesendet. Er hat den falschen Ton. Er hat die falschen Worte. Er weiß nicht, wen er unterstützt. Was hier vor sich geht, ist eine Schande und es ist alles Bidens Schuld.“ In der Tat gerät Biden hier zwischen zwei Teile seiner Wählerschaft und Partei, auch wenn die Terror-Fans sich auf ein urbanes Milieu rund um AOC beschränken dürften.
Die deutschen „Qualitätsmedien“ und ihr pseudo-ausgewogenes Framing
Die deutschen „Qualitätsmedien“ brauchten wie immer einen Moment, bis sie sich auf die Nachrichtenlage eingestellt hatten. Doch verpassten sie dabei auch den inhaltlichen Punkt der „Proteste“. Erschrocken stellte man fest, dass die „renommierte New Yorker Columbia University“ die „Lehre am Montag auf den Onlinebetrieb umgestellt“ habe. Anlass seien die „wachsenden Spannungen durch den Krieg zwischen Israel und der Hamas“. Aber eigentlich waren die Studenten nicht so sehr mit dem Krieg beschäftigt als mit der Feier der Diversität in Amerika und mit der Verachtung von Amerika selbst. „Down with the USA“ (Nieder mit den USA) und „Al-Qassam are on their way“ (Die Qassam-Brigaden sind unterwegs) wurden zu Parolen.
Die ARD-Tagesschau, ZDF heute und die ZIB 2 des ORF gaben sich gleichermaßen einem einzelnen jüdischen Studenten (oder auch zweien) hin, der von „anti-islamischen Stimmungen“ an US-Unis phantasiert. Das wirkt natürlich sehr „ausgewogen“. Es ist aber eine falsche Balance, die nur im Kopf der Redakteure stattfindet, nicht in der Realität. Das ZDF spricht folglich verharmlosend von „Auseinandersetzungen“ und „Spannungen“.
Nun gibt es auch das erste Protest-Camp in Frankreich, an der Pariser Universität Sciences Po. Die Bewegung droht, auch die europäischen Universitäten manifest zu übernehmen. Sympathisanten hat sie sicher auch hier.
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