Tichys Einblick
Neue Dokumente, neue Fragen

US-Gericht veröffentlicht Epstein-Dokumente

Nun wurden die mit Spannung erwarteten Dokumente aus dem Missbrauchsprozess um Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell veröffentlicht. Einiges war bereits bekannt, einiges wurde bestätigt, manches ist neu – und wirft weitere Fragen auf.

IMAGO

Mehr als 900 ungeschwärzte Seiten Gerichtsakten wurden in dieser Woche veröffentlicht, mit den Namen von über 100 Epstein-Freunden und -Geschäftspartnern. Bisher wurden diese Namen größtenteils als John Doe bzw. Jane Doe geführt, dem amerikanischen Equivalent zu Max und Erika Mustermann.

Die Dokumente wurden im Rahmen von Virginia Giuffres Klage 2015 gegen Ghislaine Maxwell eingereicht. Giuffre war eine der Hauptklägerinnen gegen Jeffrey Epstein. Maxwell wurde 2022 zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Epstein starb 2019 durch Selbstmord, während er auf die Anklage wegen Sexhandels wartete.

Wichtig: Nur weil ein Name vor Gericht erwähnt wurde und nun auf der Liste steht, bedeutet nicht, dass derjenige beschuldigt oder gar angeklagt wurde. Unter den Namen sind Personen, die im Gerichtsverfahren bei verschiedensten Anlässen erwähnt wurden. Das kann Gründe haben, die nichts mit sexuellen Anschuldigungen zu tun haben. So wurde eine Zeugin explizit diverse Male nach Kontakten und sexuellen Annäherungen durch Trump befragt und sie antwortete immer mit „nein“.

Neben bereits bekannten Namen wie dem britischen Prinz Andrew oder dem amerikanischen Ex-Präsidenten Bill Clinton, der viele Male zu Gast bei Epstein war, kommen weitere Prominente ins Spiel. Michael Jackson soll ein Besucher gewesen sein. Auch der Name von Physik-Genie Stephen Hawking steht in den Akten. Aber der Reihe nach.

Prinz Andrew

Johanna Sjoberg, eine der vielen Frauen, die Epstein des sexuellen Missbrauchs beschuldigt haben, sagte, Prinz Andrew habe 2001 in Epsteins Stadthaus in Manhattan seine Hand auf ihre Brust gelegt. Passiert sei das, als er ein Foto mit Sjoberg und Giuffre machte. Maxwell und Epstein waren ebenfalls anwesend, während dieses Foto aufgenommen wurde. Skurril: Sjoberg sagte, dass das Foto auch eine Puppe enthielt, auf der „Prinz Andrew“ stand.

Sjoberg wurde von Maxwell rekrutiert, für Epstein zu arbeiten. Die 20-jährige College-Studentin wurde zunächst als Assistentin eingestellt, allerdings schnell zur „Massagetherapeutin“ umgeschult und zu diversen sexuellen Handlungen gezwungen, während sie von 2001 bis 2006 für Maxwell und Epstein arbeitete.

In der Akte heißt es über das angebliche Treffen mit Prinz Andrew in Epsteins Haus in New York: „Ghislaine bat mich, mit ihr in einen Wandschrank zu kommen. Sie sagte nur: Komm mit mir. Wir gingen in den Wandschrank und schnappten uns die Puppe, die Puppe von Prinz Andrew. Ich wusste, dass es Prinz Andrew war, weil ich ihn als Person erkannt hatte. Und als ich das Label an der Puppe sah, auf dem Prinz Andrew stand, klickte es.“

Sjoberg und Maxwell kehrten dann mit der Puppe ins Wohnzimmer zurück. „Ich erinnere mich nur, dass jemand ein Foto vorgeschlagen hat, und sie sagten uns, wir sollten auf die Couch gehen. Und so saßen Andrew und Virginia auf der Couch, und sie legten die Puppe auf ihren Schoß“, erinnerte sich Sjoberg. „Und dann saß ich auf Andrews Schoß, ich glaube aus eigenem Willen, und sie nahmen die Hände der Puppe und legten sie auf Virginias Brust, und so legte Andrew seine auf meine.“

Bill Clinton

Sjoberg hat zwar Clinton nicht persönlich getroffen, sagte aber aus, dass Epstein zu ihr gesagt hat: „Clinton mag sie jung.“ Für Johanna Sjoberg bezog sich dieser Kommentar eindeutig auf ‚Mädchen‘. Während Giuffre zuvor erwähnt hatte, dass Clinton und Epstein eine enge Beziehung hatten, beschuldigte sie ihn aber keiner illegalen Handlung.

Clinton wies wiederholt alle Vorwürfe zurück und sagte, dass er vor der Verhaftung des Finanziers mehrere Jahre lang keine Interaktionen mit Epstein hatte. Clintons Sprecher Angel Ureña schrieb auf X: „Präsident Clinton weiß nichts über die schrecklichen Verbrechen, zu denen Jeffrey Epstein sich vor einigen Jahren in Florida schuldig bekannt hat, oder über die, für die er kürzlich in New York angeklagt wurde.“

Clinton hatte in seiner ersten Amtszeit als Präsident eine 18-monatige Affäre mit seiner 22-jährigen Praktikantin Monica Lewinsky. Er war damals 49 Jahre alt.

In den nun veröffentlichten Dokumenten wird ersichtlich, dass Clinton zudem beschuldigt wird, Druck auf Vanity Fair ausgeübt zu haben bei deren Berichterstattung zu Jeffrey Epstein.

Alan Dershowitz

Harvard-Rechtsprofessor Alan Dershowitz wird von einer namenlosen Frau, Jane Doe #3, in den Akten beschuldigt, sich ihr bei mehreren Gelegenheiten sexuell genähert zu haben. Sie sei damals noch minderjährig gewesen.

Dershowitz spielte eine wichtige Rolle bei der Aushandlung eines Abkommens, das die Immunität von der Strafverfolgung im südlichen Bezirk von Florida nicht nur für Epstein, sondern auch für „alle potenziellen Mitverschwörer von Epstein“ gewährte, heißt es in den Dokumenten.

Dershowitz selbst sagte am Mittwoch in einem Interview mit Fox, dass die Zeugin Jane Doe #3 ihn falsch identifiziert habe. Er bestritt, sie jemals getroffen zu haben. Er konnte anhand seiner Terminkalender, seiner Auftritte, unter anderem auch Live-Auftritten in TV-Sendern, mittlerweile zweifelsfrei nachweisen, dass sie ihn verwechselt hat.

David Copperfield

Sjoberg sagte laut der Unterlagen aus, dass sie den amerikanischen Magier David Copperfield in Epsteins Haus in Palm Beach getroffen hätte. Er sei ein Freund von Epstein gewesen. Sie erinnerte sich auch an ein Mädchen bei diesem Treffen, von dem sie dachte, dass es so aussah, als wäre sie im Highschool-Alter.

Sjoberg sagte, Copperfield habe sie gefragt, ob sie wüsste, dass „Mädchen bezahlt werden, um andere Mädchen zu finden“, und bezog sich dabei auf die Rekrutierung von Frauen durch Epstein und Maxwell als „Massagetherapeuten“. Er selbst hätte sie nie zu sexuellen Handlungen aufgefordert.

Donald Trump

Der ehemalige Präsident Donald Trump wird ebenfalls in den Dokumenten erwähnt, aber nicht angeklagt. Sein Name taucht eher dahingehend auf, dass rigoros versucht wird, ihn in Verbindung mit den sexuellen Übergriffen zu bringen.

Sjoberg erwähnte einen Vorfall, als sie 2001 mit Epstein, Giuffre und anderen von Palm Beach nach New York fliegen wollte. Als das Flugzeug aufgrund eines Sturms nicht in New York landen konnte, mussten sie in Atlantic City landen. Dort gingen sie in eines von Trumps Casinos. Vorher hatte Epstein wohl mit Trump telefoniert. Da Giuffre zu der Zeit minderjährig war, durfte sie nicht spielen. „Ich wusste nichts darüber, wie alt man sein musste, um legal zu spielen. Ich wusste nur, dass sie (Giuffre) nicht reinkommen konnte, also haben sie und ich nicht gespielt“, erzählte Sjoberg.

Stephen Hawking

Der schwerst behinderte Stephen Hawking hatte laut Giuffre an einer „Minderjährigen-Orgie“ auf den Jungferninseln teilgenommen. Hawking, der 2018 starb, wurde allerdings nicht wegen eines Verbrechens im Zusammenhang mit Epstein angeklagt.

Der Name des verstorbenen Physikers wird auch in einer E-Mail erwähnt, die Epstein im Januar 2015 an Maxwell schickte. In dieser E-Mail schrieb Epstein, sie solle Giuffres Freunden, Familie und Bekannten „eine Belohnung“ versprechen, wenn sie sich melden und Giuffres Anschuldigungen gegen Hawking widerlegen. „Das stärkste ist das Clinton-Abendessen und die neue Version von den Minderjährigen Orgien auf den Jungfern-Inseln“, hieß es in der E-Mail.

Michael Jackson

Sjoberg sagte, sie habe den verstorbenen Sänger in Epsteins Villa in Palm Beach, Florida gesehen. Als sie gefragt wurde, ob sie ihm auch eine Massage gegeben hätte, verneinte sie.

„Hast du jemals jemanden getroffen, der berühmt ist, als du mit Jeffrey zusammen warst?“
„Ich traf Michael Jackson … in [Epsteins] Haus in Palm Beach.“
Auf die Frage, ob sie Jackson massiert habe, sagte Sjoberg: „Ich habe es nicht getan.“

Bill Richardson

Der ehemalige Gouverneur von New Mexico, Richardson, verstarb im September. In den Akten wird behauptet, dass er Epsteins weitläufige Zorro Ranch in New Mexico mindestens einmal besucht hätte. Richardson bestritt die Anschuldigungen von Giuffre, die behauptete, angewiesen worden zu sein, Sex mit ihm zu haben. Er nannte die Anschuldigung „völlig falsch“ und er habe Giuffre nie getroffen.

Thomas Pritzker

Der in Epstein-Dokumenten erwähnte Hyatt-Hotel-Vorstandsvorsitzende Thomas Pritzker war angeblich an sexuellen Aktivitäten mit dem Epstein-Opfer beteiligt. Thomas ist der Erbe der Familie Pritzker, zu der mindestens 11 Milliardäre zählen. Zu den namhaften Mitgliedern gehört der Gouverneur von Illinois, J.B. Pritzker, und die Vorsitzende des Harvard-Vorstands, Penny Pritzker.

Guiffre wurde angeblich von Epstein und Maxwell angewiesen, sexuell mit Pritzer aktiv zu werden, während sie in Frankreich bei Naomi Campbells Geburtstagsparty waren.

„Wo hatten Sie Sex mit dem Besitzer einer großen Hotelkette in Frankreich um die Zeit von Naomi Campbells Geburtstagsparty?“
„In seinem eigenen Cabana-Stadthaus am Hotel… Jeffrey blieb dort. Ghislaine blieb dort. Ich wurde von Ghislaine angewiesen, ihm eine erotische Massage zu geben“.

Die Journalisten Alex Gutentag und Michael Shellenberger schreiben bei PUBLIC dazu folgendes:

„Im Jahr 2019 schrieb die Reporterin Vicky Ward für das Daily Beast eine Geschichte über das ‚Nichtverfolgungsabkommen‘ des Justizministeriums mit Epstein aus dem Jahr 2007. Während andere für ähnliche Verbrechen ins Gefängnis hätten gehen können, schloss Epstein einen Deal mit der US-Staatsanwaltschaft ab und vermied eine Strafverfolgung auf Bundesebene wegen sexuellen Missbrauchs junger Mädchen, indem er sich in Florida der Prostitution schuldig bekannte. Im Rahmen dieser Vereinbarung vermied Epstein eine mögliche lebenslange Haftstrafe und verbüßte nur 13 Monate in einem Arbeitsentlassungsprogramm.

Es stimmt, dass einige der gestern veröffentlichten Informationen bereits an die Öffentlichkeit gelangt waren. So berichtete das Wall Street Journal im vergangenen April, dass der derzeitige Direktor des US-Geheimdienstes Central Intelligence Agency, William Burns, im Jahr 2014 drei Treffen mit Epstein geplant hatte. Zu dieser Zeit war Burns stellvertretender Außenminister. Dem Journal zufolge trafen sie sich in Washington, D.C., und in Epsteins Stadthaus in Manhattan. Das Journal stützte sich bei seiner Berichterstattung auf Epsteins eigene E-Mails und Zeitpläne.

Im selben Jahr behauptete ein anderes Opfer Epsteins, er habe in seinem Haus Kameras installiert, um Personen zu überwachen. Diese Behauptung untermauerte die Theorie, dass Epstein kompromittierendes Material über einflussreiche Persönlichkeiten sammelte.

Doch die jetzt entsiegelten Dokumente enthalten aussagekräftige neue Beweise dafür, dass Epstein und Maxwell absichtlich Menschen erpresst haben.“

In den nächsten Tagen werden weitere Dokumente öffentlich.

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