Das Weltwirtschaftsforum in Davos (WEF) ist eine Veranstaltung, bei der Milliardäre auf dem Podium Millionären im Zuschauerraum erklären, wo überall sich die normalen Menschen draußen einschränken müssen, um die Welt zu retten.
Zwischendurch dürfen sich auch noch ein paar Politiker wichtigtun, die von der Sekte von WEF-Gründer Klaus Schwab gebraucht werden, um deren Weltverbesserungsfantasie vom „Großen Neustart“ („Great Reset“) durchzudrücken. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gehört seit Jahren regelmäßig dazu.
Doch dieser Dienstag ist kein normaler Tag für das WEF. Am Montag wurde Donald Trump zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt. Schon in seiner Antrittsrede hat er keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sich mit ihm im Weißen Haus sehr, sehr viel ändern wird. Trump hält bekanntlich wenig bis nichts vom Multilateralismus und von internationalen Organisationen.
Er vertritt die nationalen Interessen der USA – und er ist erkennbar bereit, dafür auch alle erheblichen Machtmittel einzusetzen, über die sein Land verfügt: ökonomisch, politisch und militärisch.
In Deutschland haben sich die allermeisten Politiker dazu entschlossen, Vogel Strauß zu spielen und den Kopf in den Sand zu stecken. Man bestätigt sich – zuletzt bei „Hart aber fair“ in der ARD – gegenseitig im Entsetzen über den neuen Mann im Weißen Haus. Das freilich ist ein zutiefst kindlicher Reflex, denn die eigene Abscheu und Empörung zaubern Trump ja nicht einfach weg.
Er ist nun mal da, und er bleibt auch da. Von Berufspolitikern dürfte man schon erwarten, dass sie darüber nachdenken, wie sie mit der Situation umgehen. Aber in Berlin wartet man darauf vergeblich.
Umso mehr richteten sich die Blicke nun nach Davos. Dort hatte Ursula von der Leyen die Gelegenheit, in einer Grundsatzrede zu umreißen, wie die EU auf die riesigen Herausforderungen reagieren will, die durch die veränderten Machtverhältnisse in Washington entstehen. Das Brüsseler Polit-Magazin „Politico“ erwartete die „wichtigste Rede in von der Leyens Karriere“.
Doch es wurde weniger eine Rede als vielmehr ein Pfeifen im Wald.
Von der Leyen mäanderte zwischen Kleinreden der neuen Konflikte, Schönreden der eigenen Lage, typischer Brüsseler Selbstüberschätzung und blankem politischem Trotz. An ihrem Lieblingsziel des „Green Deal“ hielt sie unbeirrt fest. Zur Erinnerung: Einen Tag vorher waren die USA unter Donald Trump aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgetreten. Die beiden größten CO2-Emittenten des Planeten ignorieren nun das Abkommen (China) oder sind gar nicht mehr dabei (USA). Damit ist von der Leyens „Green Deal“ die Geschäftsgrundlage entzogen, was sie einfach ignorierte.
Der weltweite Freihandel stehe vor immer größeren Hürden, führte VdL weiter aus. Zwischen den großen Blöcken gebe es einen „neuen Wettbewerb“. Das ist natürlich Quatsch, der Wettbewerb ist nicht neu, sondern er war schon immer da. China macht nur inzwischen eine offen aggressive Handelspolitik, und Trump reagiert darauf. Der einzige halbwegs relevante Block, der den beinharten weltweiten ökonomischen Konkurrenzkampf eher als spaßiges Spielchen betrachtet, ist die EU.
„Lieferketten werden zu Waffen“, klagt die EU-Kommissionspräsidenten – als wäre das jemals anders gewesen. Dann scheut sie vor offenen Lügen nicht zurück: Russland habe die EU „von Gaslieferungen abgeschnitten“, sagt sie. Dabei war es genau andersherum: Die EU wollte und will kein russisches Gas mehr importieren, obwohl Moskau das beinahe täglich neu anbietet. Auch hohe Verbraucherpreise in der EU schiebt VdL auf Russland. In Wahrheit treibt nichts die Inflation so sehr wie die verfehlte Politik der EU (und die verfehlte Geldpolitik der Europäischen Zentralbank).
Dann scheint die Rede doch noch substanzieller zu werden. „Die Welt ändert sich, und wir müssen uns auch ändern“, ruft VdL ins Mikrofon. Man ist gespannt, welche Änderungen sie gleich vorträgt.
Doch es kommt – nichts.
Die EU brauche einen gemeinsamen Kapitalmarkt, sagt sie. Das sagt sie seit Jahren. Unternehmensgründungen müssen erleichtert und Vorschriften abgebaut werden, sagt sie. Das ist erstens nicht neu und zweitens wenig glaubwürdig: Schließlich handelt es sich dabei um sehr viele Regeln, die sie selbst als Kommissionspräsidentin zu verantworten hat. Und die EU brauche eine „Energie-Union“. Was genau das ist, sagt sie nicht – einen ersten Plan will sie im Februar vorstellen.
Zwischendurch lobt sie die EU und deren wirtschaftliche Potenz. Sie warnt die USA vor einer ökonomischen Auseinandersetzung mit der EU: „Beide Seiten haben viel zu verlieren.“ In Washington ist man jedoch offenkundig der Meinung, dass die USA zum Beispiel in einem Handelskrieg über Zölle weitaus weniger zu verlieren und durchaus etwas zu gewinnen haben. Man ist geneigt, dieser Einschätzung zuzustimmen.
„Wir werden unsere Werte hochhalten“, sagt von der Leyen. Aber sie sagt nicht, wie die EU das erreichen will – gegen China, gegen Russland und nun auch noch gegen die USA. Jeden kleinsten Hinweis auf mögliche machtpolitische Optionen für Brüssel bleibt sie schuldig.
Es ist eine einzige Enttäuschung.
„Bei der EU bekommt man, was man sieht.“ So preist VdL sich und die Europäische Union an. Aber wenn Ursula von der Leyen das ist, was man bekommt, wenn man sich mit der EU einlässt – dann wird die Welt sich lieber Donald Trump zuwenden.