Über ein halbes Jahr, nachdem Israel Ende Januar erste konkrete Anwürfe erhob, dass mehrere Mitarbeiter des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) direkt in das palästinensische Massaker an Israelis vom 7. Oktober involviert waren, müssen nun auch die Vereinten Nationen einräumen: Ja, allem Anschein nach gab es eine Beteiligung von UNRWA-Mitarbeitern an der Invasion Israels.
Die UN hatten im Januar zur Untersuchung der Vorfälle das sogenannte „Büro für internen Kontrolldienst“ (OIOS) eingeschaltet. Konkret nahm es 19 Personen unter die Lupe. Das Ergebnis jetzt laut UNRWA-Chef Philippe Lazzarini: In neun Fällen könne die Beweislage darauf „hindeuten“, dass UNRWA-Mitarbeiter in den Angriff vom 7. Oktober involviert gewesen sein „könnten“; in einem Fall gebe es keine Evidenz; in neun weiteren Fällen seien die Hinweise „unzureichend“, um die Vorwürfe zu belegen. Die Untersuchung hierzu sei eingestellt worden.
Auffällig: Lazzarinis Stellungnahme bleibt offensichtlich bewusst im Vagen, indem es darin heißt, es „könnte“ eine Verstrickung in den Terror gegeben haben. Ein UN-Sprecher verunklarte die Lage am Montag während einer Pressekonferenz weiter, indem er an Lazzarinis Sprech festhielt und keine genaueren Ausführungen zur konkreten Beweislage oder den Taten der UNRWA-Mitarbeiter machte.
Vernebelung statt Transparenz
Während es zu den neun wie auch immer belegten Fällen hieß, die entsprechenden Mitarbeiter würden entlassen oder seien schon entlassen worden, erklärte der Sprecher zu den angeblich unklaren Fällen, hier würden „angemessene Maßnahmen zur rechten Zeit“ ergriffen „in Übereinstimmung mit UNRWA-Regeln“. Sollte das etwa heißen, dass die betreffenden Mitarbeiter wieder eingestellt werden, sofern sie suspendiert wurden? Auch das unklar!
Insgesamt vermittelte die Präsentation der Ergebnisse den Eindruck, dass UN und UNRWA nicht an einer Aufklärung der Lage, sondern an deren weiteren Vernebelung gelegen ist. Laut dem UN-Sprecher umfasste die Untersuchung auch keine eigenen Ermittlungen im Gazastreifen. Es habe für die Beschuldigten lediglich die Möglichkeit gegeben, aufgezeichnete Stellungnahmen einzureichen. Warum griff man nicht wenigstens auf Befragungen per Videotelefonat zurück?
Die Ergebnisse, die das OIOS dennoch zusammentragen konnte, werden wiederum nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt: Der Untersuchungsbericht ist als „vertraulich“ eingestuft. Lediglich die Regierungen der UN-Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeit, deren Aushändigung zu beantragen. Möglicherweise hoffen die UN darauf, dass die mehr schlecht als recht vorgetragenen Ergebnisse trotzdem ausreichen, um unangenehme Fragen zur Terrorverstrickung des UN-Hilfswerks für die Zukunft zu verhindern.
„Wirklich undurchsichtige“ Aufklärung
Angesichts dieser seltsamen Informationspolitik zeigten sich bei der Vorstellung der OIOS-Ergebnisse mehrere Journalisten irritiert: Eine Pressevertreterin sprach von „wirklich undurchsichtigen“ Ausführungen. Eine andere erklärte an den UN-Pressesprecher gerichtet: „Wir sind ein bisschen ratlos über ihr Statement.“ Zumal der Sprecher einräumte, er selbst habe den Bericht nicht gelesen: „Ich trage hier die Worte vor, die mir vorgeschrieben wurden, und die sehr präzise für mich geschrieben wurden.“
Aus israelischer Sicht ist das zaghafte UNRWA-Eingeständnis dennoch zunächst ein Erfolg: Erstmals müssen die Vereinten Nationen selbst de facto eingestehen, in den Islamisten-Terror verstrickt gewesen zu sein. Israelische Vorwürfe haben sich demnach als richtig herausgestellt. „Es zeigt sich, dass unsere Behauptungen glaubwürdig und korrekt waren“, hieß es aus dem israelischen Außenministerium.
Gleichzeitig sind die OIOS-Ergebnisse ein Tropfen auf den heißen Stein: Israel geht davon aus, dass deutlich mehr UNRWA-Mitarbeiter als die neun nun gezählten Männer in Terror involviert sind. So hat die israelische Regierung dem UN-Werk eine Liste mit 100 UNRWA-Mitarbeitern zur Verfügung gestellt, die Kämpfer der Terrorgruppen Hamas oder Palästinensischer Islamischer Dschihad sein sollen.
„Zu wenig zu spät“
Zudem gibt Israel an, dass nach seinen Erkenntnissen mehr als zehn Prozent von 510 hochrangigen Angestellten im UNRWA-Bildungssystem im Gazastreifen Mitglieder von Hamas oder Dschihad sind. Im Januar hatte es von israelischer Seite sogar geheißen, insgesamt könnten 10 Prozent der 12.000 palästinensischen UNRWA-Mitarbeiter im Gazastreifen für eine der beiden Organisationen aktiv sein. Zu einigen Fällen hat Jerusalem Details mit der Öffentlichkeit geteilt wie Namen, Fotos, Identitätsnummern, Wohnorte oder auch Telefonnummern.
Vor diesen Hintergründen erklärte das israelische Außenministerium nun, der von den UN vorgelegte Bericht sei „zu wenig zu spät“: „Es handelt sich nicht nur um ein paar faule Äpfel, wie UN-Generalsekretär Guterres zu behaupten versucht: Die UNRWA in Gaza ist ein verfaulter Baum, der vollständig mit terroristischen Akteuren infiziert ist.“
Auch die israelische Politologin Einat Wilf, die sich schon lange mit der UNRWA beschäftigt, analysiert, die UNRWA versuche, die Sache jetzt als einen Ausreißer darzustellen. Dabei gelte: „Das Problem sind nicht ein paar UNRWA-Mitarbeiter, die Menschen abschlachten. Es ist die Tatsache, dass die gesamte Organisation die ideologische Infrastruktur für den ewigen Krieg der Palästinenser gegen die Souveränität der Juden in auch nur irgendeinem Teil des Landes bereitstellt.“
Deutschland finanziert weiter
Damit spricht sie an, dass die UNRWA das palästinensische Flüchtlingsproblem auf Dauer stellt, weil sie auch sämtliche Nachkommen von tatsächlichen Flüchtlingen zu Flüchtlingen erklärt; so wird die Träumerei vieler Palätinenser, irgendwann wieder in ihre (nicht mehr vorhandenen) Häuser in Israel „zurückkehren“ zu können, immer wieder neu bestärkt.
Mit Blick auf die Rolle der UNRWA-Unterstützer fragt Wilf: „Könnte es sein, dass westliche Länder die UNRWA nicht deshalb finanzieren, weil sie blind und leichtgläubig sind? Könnte es sein, dass sie die UNRWA nicht deshalb finanzieren, weil sie nicht wüssten, was diese tut, sondern gerade weil sie es genau wissen? Lagern sie auf diese Weise vielleicht einfach nur ihre Ambivalenz gegenüber jüdischer Selbstbestimmung aus?“
Angesprochen ist damit auch Deutschland: Die Bundesrepublik ist einer der wichtigsten Geldgeber des UN-Werks. Als Israel mit seinen Vorwürfen über die Terrorverstrickung an die Öffentlichkeit ging, wollte zwar auch Berlin vorübergehend keine neuen Zahlungen zusagen. Schon im April entschied die Bundesregierung allerdings, die Zusammenarbeit wieder aufzunehmen – nachdem ein erster Untersuchungsbericht im Auftrag der UN der UNRWA eine „unverzichtbare Rolle in der Region“ attestiert hatte.