Tichys Einblick

Und dann traf Orbán auch noch Trump

Der ungarische Premier dominiert die Weltnachrichten mit seiner „Friedensmission”. Dieses Mal ist er bei Donald Trump zu Besuch. Die Eurokraten wollen ihn dafür bestrafen.

Screenprint via Instagram

12. Juli, der zwölfte Tag der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft, und der zwölfte Tag nacheinander, an dem Ungarns Premier Viktor Orbán die Schlagzeilen der Weltmedien beherrscht. Nach dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj, dem russischen Präsidenten Putin, dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping, dem türkischen Präsidenten Erdogan und dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden traf Orbán am Donnerstag auch noch den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Der könnte ohne weiteres der nächste US-Präsident werden, es sei denn, die Demokraten reißen noch das Ruder herum und schicken jemand anderen als Biden ins Rennen.

Das Foto Orbáns mit Biden war köstlich. Ein strahlender Biden schüttelt dem Ungarn die Hand, vielleicht hält er ihn für Obama. Orbán lächelt Biden leicht amüsiert an und sieht alles in allem so aus, als wolle er sich diesen Augenblick gut einprägen, um auch noch den Enkeln davon erzählen zu können. Immerhin war dies der Nato-Gipfel, auf dem Biden den Anwesenden den „Präsidenten der Ukraine, Putin” vorstellte und von „meinem Vizepräsidenten Trump” schwärmte. „Ich hätte (….) nicht zum Vizepräsidenten gemacht, wenn ich nicht wüsste, dass er auch Präsident sein kann”. So oder so ähnlich, es kam ein wenig undeutlich aus Bidens Mund.

Nun also traf Orbán Trump am Donnerstag in dessen Golfressort in Mar-a-Lago. Die beiden sprachen, worüber Orbán mit all den Staatschefs davor gesprochen hatte: Darüber, wie man den Krieg in der Ukraine beenden könnte. Trumps Pläne kennt man ungefähr: Keine Hilfe mehr für die Ukraine, sie solle froh sein, mit relativ wenig Gebietsverlust davonzukommen, und danach solle das durch den Krieg geschwächte Russland seine Wunden lecken, während amerikanische Firmen, finanziert durch EU-Gelder, die geschundene Ukraine wieder aufbauen und die US-Politik ihren geopolitischen Fokus auf China verschiebt.

Jedenfalls postete Orbán nach dem Gespräch auf X und Facebook: Er habe mit Trump über den Krieg in der Ukraine gesprochen. „Die gute Nachricht: Er wird es lösen!”

Da war Orbán freilich ein paar Schritte zu weit gehüpft, denn dafür muss Trump erst Präsident sein. Umfragen zeigen, dass die Demokraten noch siegen können, wenn sie es irgendwie schaffen, Biden als Kandidat loszuwerden.

Obwohl Orbán stets betonte, nicht in seiner Qualität als EU-Ratspräsident zu verhandeln, bildet sich derweil in Brüssel eine mächtige Fraktion frustierter Eurokraten, die entschlossen sind, einfach zu behaupten, Orbán habe unerlaubterweise im Namen der EU verhandelt, und ihn dafür zu bestrafen. Der Rechtsdienst des Europäischen Rates informierte die Mitgliedstaaten über seinen Befund, Orbán habe mit seiner Besuchsserie die Europäischen Verträge verletzt, berichtete die Financial Times. Daraufhin beschlossen mehrere Länder für die Dauer der ungarischen Ratspräsidentschaft allen Treffen auf Ministerebende fernzubleiben, beziehungsweise nur nachrangige Vertreter dorthin zu schicken. Am Dienstag kamen zu einem solchen, von Ungarn organisierten Treffen auf Ministerebene nur die Minister von acht Ländern.

Im Gespräch ist auch, die ungarische Präsidentschaft per Ratsbeschluss zu beenden und die darauffolgende polnische Präsidentschaft vorzuziehen.

Für einen solchen Beschluss wären vier Fünftel der Mitgliedsländer erforderlich. Allerdings warnte Ratspräsident Charles Michel, „klug” zu sein, denn die EU laufe Gefahr, sich selbst zu bestrafen, indem sie Orbán bestrafe.

Am Mittwoch erhoben auf einem Treffen der EU-Botschafter die Vertreter von 25 Mitgliedsländern bittere Vorwürfe gegen Ungarn. Einzig eine Ausnahme bildete die Slowakei.

Auf der Grundlage des Gutachtens der Rechtsdienstes, und angesichts der Mehrheitsverhältnisse auf dem Botschaftertreffen am Mittwoch, sind mehrere Sanktionen gegen Ungarn denkbar. Die Kommission kann einmal mehr Vertragsverletzungsverfahren einleiten, die dann in empfindliche Geldstrafen münden dürften.

Während in Brüssel also über juristische Winkelzüge diskutiert wird, um den einzigen handlungsfähigen und handlungswilligen Führungspolitiker unter den EU-Mitgliedern straucheln zu lassen, widmet sich Orbán praktischer Politik. Wenn die EU das nicht will – nun, bitte sehr, dann ist das eben so. Aber seine Reise hat schon jetzt eines vollbracht: Eine Friedenslösung, von der vorher im Westen niemand reden wollte, ist plötzlich auch gesamtgesellschaftliches Gesprächsthema.

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