Tichys Einblick
Fortgesetzter Politikwechsel

Umbau des Asylsystems: Dänemark plant Zentren im Ausland

Die dänische Regierung hat ihr erstes Vorhaben – die freiwillige Rückreise von Syrern in ihre Heimat – noch nicht abgeschlossen. Doch der Minister für Immigration und Integration Mattias Tesfaye verhandelt bereits über weitere Lösungen auf dem Weg zu möglichst wenig Antragstellern: Asylzentren in Drittländern sollen Abhilfe schaffen.

The Foreigners and Integration Committee has called on Foreigners and Integration Minister Mattias Tesfaye S in open consultation on the security of returning to Syria, at Christiansborg, Tuesday 25 May 2021,

IMAGO / Ritzau Scanpix

In Dänemark schreitet die Regierung mit dem von ihr eingeläuteten Politikwechsel voran. Der erste Punkt: Syrische Migranten ohne Aufenthaltsrecht sollen das Land freiwillig verlassen. Um Rückreisen zu ermutigen, hat die dänische Regierung verschiedene Maßnahmen getroffen. So wurden Aufnahmezentren eingerichtet, in denen Migranten ohne Aufenthaltstitel so lange leben müssen, bis sie ausreisen. Daneben setzt man auf finanzielle Anreize: 175.000 Kronen (etwa 23.500 Euro) kann jeder Rückreisewillige einstreichen. Ausländer- und Integrationsminister Mattias Tesfaye spricht mit Recht von einer »großen Tasche mit Reisegeld« für die Rückkehrer. Es ist mehr als das, eine direkte Subvention für das syrische Wirtschaftsleben.

»Schutz nur, solange er gebraucht wird«
Dänemark entzieht 94 Syrern den Aufenthaltsstatus: Region Damaskus ist sicher
Unlängst hatte Tesfaye hervorgehoben, dass Dänemark »von Tag eins an« offen und ehrlich mit den syrischen Flüchtlingen war: Ihre Aufenthaltserlaubnis sollte nur für eine bestimmte Zeit gelten und konnte widerrufen werden, wenn sich die Umstände im Herkunftsland ändern. Nach einer Revision von 600 Fällen haben die dänischen Behörden bisher knapp 300 Syrern das Aufenthaltsrecht entzogen, wie die BBC berichtet. 39 Syrer haben bis jetzt einen einspruchsfesten, endgültigen Bescheid erhalten. Insgesamt leben mehr als 35.000 Syrer in Dänemark.

Anfang März hatte Mette Frederiksen verkündet, dass ein Teil der »syrischen Flüchtlinge« Dänemark verlassen müsse, da die Hauptstadt Damaskus und das umliegende Gouvernement inzwischen sicher seien. Das hatte ein Länderbericht der Dänischen Immigrationsbehörde ergeben.

Darin wird von zahlreichen freiwilligen Rückreisen nach Syrien berichtet. Laut dem UNHCR sind zwischen 2015 und 2018 insgesamt 122.400 Syrer in ihr Heimatland zurückgekehrt, diese Zahl bezieht sich auf die Rückreisen aus den unmittelbaren Nachbarländern wie der Türkei, dem Irak, Libanon und Jordanien. Allerdings behält sich die syrische Regierung eine Sicherheitskontrolle vor und lehnt je nach Ergebnis auch Einreisewillige ab. Vor allem muss der vorangehende Aufenthalt nachgewiesen sein. Dabei geht es offenbar um die Gefahr einer islamistischen Remigration.

Integrationsprobleme als Grund für den dänischen Politikwechsel

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Es könnte also noch einiges an Geschick brauchen, bis die ersten syrischen Migranten aus Dänemark wieder in ihre Heimat reisen. Im April protestierten hunderte gegen das Vorhaben der Regierung. EU-Parlamentarier schrieben der Regierungschefin einen Brief und forderten eine 180-Grad-Wende von ihr. Die EU-Kommission, die Vereinten Nationen und NGOs wie Amnesty International oder Human Rights Watch kritisierten die Entscheidung. Die nahöstliche Presse – Daily Sabah und Al Jazeera – übte sich in Trauergesängen über »Häuser, die nicht mehr stehen«.

Doch Mette Frederiksen bekräftigte ihre Linie: »Wenn man keinen Schutzbedarf mehr hat, weil die Gefahr nicht mehr besteht, sollte man in sein Heimatland zurückkehren und dort beim Wiederaufbau helfen.« Im dänischen Parlament wurde Anfang Mai eine Resolution in diesem Sinne mit großer Mehrheit angenommen.

Im Hintergrund steht Frederiksens Ziel, auf »null Asylbewerber« zu kommen. Der Sprecher für Migrationsfragen in der sozialdemokratischen Partei, Rasmus Stoklund, spricht von »Integrationsproblemen« als Grund für diese Politik. Die dänischen Sozialdemokraten wollen Arbeitslosigkeit und hohe Kriminalitätsraten in Verbindung mit kulturellen Konflikten und Zusammenstößen nicht mehr hinnehmen.

Langfristig will die Regierung das nationale Asylsystem grundlegend umbauen und dazu Asylzentren außerhalb Dänemarks errichten. Tesfaye, Minister für Immigration und Integration, ist im Gespräch mit fünf bis zehn Ländern, auch mit Ländern, die vielleicht nicht so demokratisch sind, »wie wir uns das vorstellen«. Die Menschenrechtssituation soll dabei jeweils individuell bewertet werden, dazu besteht laut Tesfaye eine »politische und moralische Verpflichtung«. In Ruanda existiert bereits ein von Dänemark kofinanziertes Zentrum, das bisher Rückreisende aus Libyen aufgenommen hat. Der stille Grundsatz der Dänen bei alledem lautet in den Worten des Ministers: »Menschen, die an Dänemarks Tür klopfen und Schutz suchen, haben keinen Anspruch auf ein Leben in einem Wohlfahrtsstaat.«

Wird die dänische Politik zum Vorbild für andere Staaten?

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Neben der Kritik gibt es aber auch Zustimmung zum dänischen Politikwechsel. Mehrere europäische Länder nähern sich inzwischen der Linie des Königreichs an. Schweden geht mit einer neuen Ausländergesetzgebung gerade einen ähnlichen Weg, der das Aufenthaltsrecht auch dort an eindeutige Kriterien knüpft. Dazu gehören kulturelle (Spracherwerb, Kenntnis der schwedischen Gesellschaft) ebenso wie wirtschaftliche Kriterien.

In Großbritannien setzt Innenministerin Priti Patel ebenfalls auf eine konsequente Ausländerpolitik sowie die Bekämpfung von Menschenschmuggel und will die europäischen Nachbarn – naturgemäß – als sichere Transitländer behandeln.

Aus der Sicht deutscher Behörden gelten große Teile Syriens schon seit 2019 als sicher, der Abschiebestopp für Syrer ist Anfang des Jahres ausgelaufen. Doch praktische Folgen scheinen sich daraus nicht zu ergeben. Vielleicht fehlt eine international gültige Definition von »sicheren Zonen«. Doch Abkommen mit den Herkunftsländern, wie sie Dänemark verfolgt, können ebenso gut wirken.

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