Tichys Einblick
Indien fühlt sich provoziert

Ukraine verstärkt durch Karikatur antiukrainische Ressentiments in Indien

Nach einem Drohnenangriff auf Öltanker auf der Krim, deren Öl anscheinend für Indien bestimmt war, feierte das ukrainische Außenministerium den Erfolg mit einer Karikatur. Die Ukraine löschte den Tweet, der die indische Göttin Kali in Marilyn Monroe Pose zeigt, aber die Stimmung dreht auf die russische Seite.

IMAGO / Everett Collection - Screenprint: Twitter

Trotz aller Modernität in den Großstädten ist Indien ein tiefreligiöses Land. Wer den herrschenden Hinduismus angreift oder lächerlich macht, muss mit starker Ablehnung rechnen. Indien war 500 Jahre durch muslimische Eroberer besetzt (zuletzt durch die Mogulen), anschließend 400 Jahre Kolonie der Engländer. Dies schuf ein tiefes Misstrauen gegenüber Einflüssen von außen. Nicht erst, seit Indien das bevölkerungsreichste Land der Erde ist, steigt das Selbstvertrauen im Lande. Indien hat eine 4.000 Jahre alte Kultur, die tief mit dem Hinduismus verwurzelt ist. Der Islam kam als Eroberungsreligion und wird bis heute trotz aller offizieller Toleranzedikte zutiefst abgelehnt.

Im Gegensatz zu anderen alten Kulturen hat Indien es geschafft, eine moderne poporientierte Kultur zu schaffen, die nicht im Gegensatz zu den alten hinduistischen Werten steht. Bollywoodfilme und die entsprechende Musik sind in Indien erfolgreicher als die US-amerikanischen Blockbuster. Die Ehe bleibt zur Fassungslosigkeit westlicher Feministen auch bei Akademikern arrangiert, Autos und Häuser werden von hinduistischen Priestern geweiht.
Indien hat National- und Kulturstolz, der in Deutschland ausradiert wurde. Was in Deutschland als nationalistisch oder gleich als „nazi“ gelten würde, ist in Indien selbstverständlich und ganz normal.

Inzwischen pilgern alle wichtigen Staatslenker der Welt nach Indien, um sich dessen Wohlwollen zu versichern. Immerhin ist Indien neben China der zweite Pfeiler der BRICS-Staaten, deren Bedeutung in der Welt zunimmt. Zuletzt gaben sich Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock in Delhi die Ehre. Während Baerbock in ihrer Vorstellung einer „Wertepartnerschaft“ Ideen wie den Klimaschutz oder den Feminismus exportieren möchte, denkt sich Indien: Baerbocks Werte sind ganz sicher nicht unsere. Da liegen im wahrsten Sinne des Wortes Welten dazwischen. Scholz musste erkennen, dass sein Ansinnen, Indien im Ukraine-Russland-Konflikt auf die westliche Seite zu ziehen, scheiterte. Indien bleibt neutral, allerdings mit Sympathien für Russland; das betrifft sowohl die Bevölkerung als auch die Regierung Modi.

Der Russland-Ukraine-Krieg hat immense ökonomische Vorteile für Indien. Es importiert aus Russland billiges Rohöl, raffiniert es und verkauft es zu einem teuren Preis nach Europa, besonders nach Deutschland. In aller Scheinheiligkeit und Heuchelei kauft Deutschland das russische Öl von Indien und gibt vor, nicht zu wissen, dass das Öl von Russland kommt.

Nun griff das ukrainische Verteidigungsministerium selbst in die Stimmungsmelange mit einer Karikatur gegen Indien ein. Nach einem Drohnenangriff auf Öltanker in Sewastopol auf der Krim, deren Öl anscheinend für Indien bestimmt war, feierte das ukrainische Außenministerium den Erfolg mit einem Post auf seinem offiziellen Twitter-Account. Dort ist eine riesige Rauchwolke einer Explosion kombiniert mit Kali, der indischen Göttin des Todes, die wiederum mit Marylin Monroe kollagiert ist.

Eine der heiligsten Göttinnen, die auch Macht und Stärke verkörpern, werden nun mit (Indiens) Untergang und, aus indischer Sicht, degeneriertem westlichen Sex verbunden. Dieses quasi offizielle Posting der Ukraine rief in Indien eine riesige Empörungswelle hervor. Viele Inder fühlen sich nun von der Ukraine persönlich beleidigt. Nach Protesten der Bevölkerung und der indischen Regierung löschte die Ukraine das Twitter-Meme, aber die Stimmung ist nun gänzlich auf russischer Seite.

Kanchan Gupta, politischer Berater der Regierung Modi, wirft nun der Ukraine eine seit längerem andauernde Anti-Indien Kampagne vor. Ob der ukrainische Fauxpax so schnell zu kitten sein wird, ist eher fraglich.

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