Tichys Einblick
Just Stop Oil und Pro-Hamas-Umzüge

UK: Kommt ein Verbot extremer Protestgruppen?

Angesichts immer neuer Pro-Hamas-Aufmärsche und fortgesetzter extremer Klima-Aktionen soll die britische Regierung zu einem Verbot der aktiven Gruppen greifen. Das steht im Bericht eines Regierungsberaters. Die Gruppen begehen regelmäßig Straftaten, um ihre Ziele voranzutreiben.

picture alliance / ZUMAPRESS.com | Joao Daniel Pereira

Zunächst einmal muss gesagt sein: Großbritannien ist nicht notwendigerweise weiter bei der Lösung eines bestimmten Problems als Deutschland. Wie hierzulande machen auch auf der Insel Gruppen wie Just Stop Oil oder Extinction Rebellion durch vielfach strafbare Aktionen auf sich aufmerksam. Das Vereinigte Königreich hat Deutschland aber etwas „voraus“: An praktisch jedem Samstag seit vergangenem Oktober zieht in London die Pro-Gaza-pro-Hamas-Fraktion durch die Straßen, zusammengesetzt aus Muslimen und ihren meist linken Sympathisanten. Und vielleicht ergeben diese beiden Probleme zusammen gerade eine kritische Masse, die zu einer Antwort auf beide beitragen kann.

Anfang des Monats hatte Rishi Sunak unerwartet eine Rede zum politischen Extremismus gehalten und von einem „schockierenden Zuwachs extremistischer Störaktionen und Straftaten“ (disruption and criminality) gesprochen. Ja, man dürfe mit Leidenschaft marschieren und protestieren, aber Aufrufe zum „gewaltsamen Dschihad“ gehörten eben nicht dazu. Daneben hatte Sunak das Gegenbild des Rechtsextremismus aufgebaut, der genauso gefährlich sei und der allerdings polizeilich konsequent in die Schranken gewiesen wird.

In diese Situation hinein hat die Regierung eine neue Extremismus-Definition erdacht, die den Akzent darauf legt, dass Extremisten die Grundrechte anderer verletzen und letztlich einen Umsturz der freiheitlichen parlamentarischen Demokratie und demokratischer Rechte beabsichtigen. Das Thema Extremismus beschäftigt die Londoner Polit-Elite.

Lord Walney: Verbieten wie Terrorgruppen

Und nun also der Bericht von Lord Walney, alias John Woodcock, der als parteiloser Peer im Oberhaus sitzt und als Regierungsberater auftritt. In seinem Vorschlag für einige „Anordnungen zur Beschränkung extremer Proteste“ geht es um extrem linksgerichtete, anarchistische sowie andere, sogenannte Einzelthema-Gruppen („single-issue“), die regelmäßig Straftaten begehen, um ihren Standpunkt in den Vordergrund zu rücken und so die öffentliche Debatte in ihrem Sinne zu beeinflussen.

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Gemeint sind Gruppen wie Just Stop Oil und Extinction Rebellion, aber auch die linksradikale Palestine Action, die laut britischen Medien die massiven Gaza-Aufmärsche der letzten Monate unterwandert hat und dort „Israel-Hass“ verbreitet. Die Aufmärsche haben die konkrete Folge, dass Juden sich an Samstagen – also am Gottesdiensttag Schabbat – kaum noch offen im Londoner Zentrum bewegen können. Die Freiheit wird zurückgedrängt. „Die Redefreiheit ist das wertvollste Gut einer demokratischen Gesellschaft“, schreibt die Boulevardzeitung Sun dazu. Doch mit der Freiheit komme die Verantwortung, und davon hätten diese „Fanatiker“ auf den Londoner Straßen keinen Begriff.

Auch die Palestine Soldarity Campaign – Hauptorganisator der Londoner Gaza-Umzüge – wird in dem Dokument erwähnt. Den beschriebenen Gruppen soll die Möglichkeit genommen werden, sich zu finanzieren, aber auch öffentliche Versammlungen abzuhalten. Daneben macht Woodcook auch den Vorschlag, die linksextremen Protestgruppen schlicht zu verbieten. Dabei vergleicht er die Protestler auch mit Terrorgruppen, nämlich aus Sicht der geplanten Straftaten: „Das Verbot von Terrorgruppen hat es deren Aktivisten erschwert, Straftaten zu planen – dieser Ansatz sollte auch auf extreme Protestgruppen ausgeweitet werden.“

Zerstört wird die Idee vom störungsfreien Raum

Der hauptsächliche Grund für die vorgeschlagenen Verschärfungen, so Woodcook zur Daily Mail, sei, dass die Androhung der Festnahme viele Protestler nicht mehr von ihren Straftaten abhalte. Man kennt das aus Deutschland. Ebenso Prozesse, die zu spät beginnen, und Anklagen, die fallen gelassen werden. So entstehe letztlich ein Eindruck der Akzeptanz linksgerichteter Straftaten. Der 100.000-Worte-Bericht von Lord Walney soll in den nächsten Tagen erscheinen.

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Generell soll das Tragen von Masken während Demonstrationszügen verboten werden, wie man es immer wieder auf den wöchentlichen pro-palästinensischen Märschen in London sehen kann. Die Masken sind – über das bekannte gesundheitshysterische Moment hinaus – ein Zeichen dafür, dass viele der Protestler die Strafverfolgung dann doch fürchten.

Betroffen sein könnten auch ungewöhnliche Personen: So versuchte die Pfarrerin Sue Parfit (82) zusammen mit ihrer Bekannten Judy Bruce (85) vor wenigen Tagen, das Sicherheitsglas einzuschlagen, dass die Magna Charta in der British Library schützt. Das geschah im Namen der Gruppe Just Stop Oil und mit der Behauptung: „Die Regierung bricht das Gesetz.“

Auch in Großbritannien erregen Farbattacken auf Parteizentralen (etwa die von Labour) und Sportturniere besondere Aufmerksamkeit und sind in der Lage, bleibende Schäden zu hinterlassen – sowohl materielle als auch immaterielle Schäden, wobei letzterer vor allem daraus resultiert, dass sich ein Gefühl der Unsicherheit und Unzuverlässigkeit im öffentlichen Raum verbreitet. Die Idee vom störungsfreien öffentlichen Raum selbst soll zerstört werden.

Für Cleverly geht es um eine „kleine Zahl“ von Störern

Allgemein wird in dem Bericht anerkannt, dass die Aufmerksamkeit zuletzt auffallend oft auf rechtsextremen Gruppen gelegen habe, daneben auch auf „islamistischen“ und dschihadistischen Gruppen, die man ebenso gut kenne. Doch dasselbe Hinschauen habe es nicht bei der extremen Linken oder „Einzelthemen-Bedrohungen“ gegeben. Mit dem Wortungetüm „single-issue threats“ sind vor allem Aktionen der britischen Klimakleber gemeint.

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Die Reaktion aus dem Innenministerium unter dem Suella-Braverman-Ersatz James Cleverly blieb lauwarm. Es hieß (etwa in der Art von Sunaks Rede von vor zwei Wochen): „Extremismus jeglicher Art hat keinen Platz in unserer Gesellschaft, und wir werden keine Taktiken tolerieren, die darauf abzielen, die gesetzestreue Mehrheit einzuschüchtern, sie zu bedrohen oder zu stören.“ Aber eins stößt dann doch gewaltig auf an diesem Ministeriumssprech: Es sei „eine kleine Zahl“ protestierender Demonstranten gewesen, die in den letzten Monaten ein „gewalttätiges und hasserfülltes Verhalten an den Tag“ gelegt haben. Waren es wirklich so wenige?

Nun will man die Empfehlungen des Berichts sehr sorgfältig prüfen und zu gegebener Zeit darauf reagieren. So lange habe „die Polizei … unsere volle Unterstützung im Kampf gegen Extremismus und Hasskriminalität“. Auch hier sieht es nicht anders aus als bei Faesers unterm Sofa.

Immer mehr Gesetze gegen Protest zeigen die Unruhe Britanniens

Nun läuft die Regierungszeit der Konservativen an der Themse vermutlich zum Jahresende aus. Aber auch der vermutlich neue Premier Keir Starmer dürfte an einer Antwort auf diese unbequemen „Proteste“ interessiert sein. Und Woodcook war früher einmal Abgeordneter für Labour.

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Seit Frühjahr 2023 versucht die aktuelle Regierung, dem ausufernden Protestverhalten gewisser Gruppen durch verschiedene Gesetzesverschärfungen Herr zu werden. So wurde Polizisten die anlasslose Durchsuchung von Personen in bestimmten ausgewiesenen Gebieten erlaubt, um protestbezogene Vergehen wie Festkleben und Anketten im Ansatz zu verhindern. Bald danach wurde „langsames Gehen“ zum Straftatbestand. Seit Sommer 2023 dürfen wichtige Verkehrsanlagen nicht mehr behindert werden, unter Androhung von sechs Jahren Haft.

In diesem Februar kündigte die Regierung wiederum an, das Demonstrationsrecht im Vereinigten Königreich zu verschärfen. Das „Erklettern nationaler Monumente“ soll strafbar werden (vorgesehene Geldstrafe: 1.000 Pfund). Schon heute geht die Polizei gegen Gesichtsmasken vor, die bedrohlich wirken oder der Strafvereitlung dienen. Pyrotechnik ist auch schon verboten. Leuchtfackeln auf Protestmärschen findet Innenminister Cleverly nur noch gefährlich.

Auch in England setzen sich daneben die Besetzungen verschiedener Unis durch Studenten fort. Vor dem King’s College in Cambridge wurde ein jüdischer Student, der eine Israel-Flagge entfaltete, angerempelt. Die Flagge wurde ihm entrissen und zu Boden geworfen. „Zu seiner eigenen Sicherheit“ führten ihn Ordner fort. Auch in Oxford und Cambridge gibt es, wie in New York und Kalifornien, „befreite“, also rechtswidrig besetzte Zonen. Die Bewegungs- und Meinungsfreiheit von anderen Studenten und Dozenten wird so eingeschränkt. Und 108 Oxford-Dozenten unterstützen das Pro-Gaza-Camp an der englischen Universität.

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