Der totalitäre Ungeist linker Regierungen in Westeuropa
Matthias Nikolaidis
Nicht nur in Deutschland ist ein immer totalitäreres Vorgehen gegen Meinungsäußerungen von Bürgern zu verzeichnen. Es geht, das wird auch an der britischen Entwicklung deutlich, dabei nur selten und sicher nicht systematisch um Strafbares, sondern vor allem um missliebige Meinungen. Man fragt sich, an welchem Punkt Behörden in dieser Weise auf Autopilot geschaltet haben, dass sie nicht einmal mehr bemerken, in welche Autokratie sie damit abdriften.
Es war ein freies Land, und man kann das noch an der Reaktion der Bürger auf eine Festnahme ablesen. Ein Mann wird um vier Uhr in der Nacht abgeführt, er hat ein Nierenleiden und braucht deshalb Medikamente. Was daran massiv stört, ist, dass er kein Verbrechen begangen hat. Der Mann hat lediglich online sein Unverständnis über die Allgegenwart der Palästina-Flaggen im öffentlichen Raum geäußert.
Eine solche Online-Aussage gilt auf der Insel heute als „non-crime hate incident“, als Hass-Vorfall unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. Vielleicht ist sie auch schon richtiggehend kriminalisiert. Die beiden betroffenen Bürger sind sich einig, dass solche Aktionen des britischen Staats „ekelerregend“ sind und nichts mehr mit der Redefreiheit zu tun haben, auf der sie auch gegenüber der Polizei standhaft beharren.
Immer wieder kommt es zu Situationen, in denen ein Brite nicht versteht, warum ihn die Polizei festnimmt oder ihm einen Hausbesuch abstattet. Eine Autorin der Tages- und Sonntagszeitung Telegraph, Allison Pearson, bekam ausgerechnet am Remembrance Sunday (dieses Jahr der 10. November) Besuch von der Polizei wegen eines ein Jahr alten Tweets auf X. Bei Pearson ging es definitiv um ein „non-crime hate incident“. Was solche Vorfälle mit der Polizei zu tun haben, mag ein anderes Universum klären. In diesem ergibt das keinen Sinn.
In der Polizeisprache war die Rede von Material, das angeblich „geeignet oder dafür gedacht ist, Rassenhass hervorzurufen“. Dass es sich hier um äußerst dehnbare Begriffe handelt, steht außer Frage. Aber um welchen Tweet genau es ging, wurde ihr am Remembrance Sunday nicht erklärt. Vermutlich ging es aber um einen Kommentar zum Terrorangriff vom 7. Oktober oder den folgenden pro-palästinensischen Demonstrationen in Londons, worüber die Pearson damals viel tweetete.
Nicht einmal den Anzeigeerstatter oder Kläger wollte man Pearson nicht enthüllen. Der Polizeibeamte brachte immerhin die Korrektur an, dass diese Person nicht Kläger genannt wird, sondern „Opfer“. Das macht nochmals deutlich: Es geht nicht um Verbrechen. Kein Bürger (oder Untertan) muss sich eine solche Prozedur gefallen lassen. Pearson nannte den Auftritt der Beamten am nationalen Feiertag „surreal“ und „kafkaesk“.
Auch ihre Kollegin Julie Bindel, eine feministische und trans-kritische Journalistin, bekam einmal an einem Sonntag Besuch von der Polizei, nachdem ein „Transgender-Mann“ aus den Niederlanden einen ihrer Tweets gemeldet hatte. Die Polizei sprach gegenüber Bindel von einem „Hassverbrechen“, was zwei Schummeleien in einem Wort unterbringt. Denn weder könnten die Beamten wohl definieren, worin in diesen Fällen „Hass“ besteht oder nicht, noch handelt es sich, wie schon gesagt, um Verbrechen.
Die Autorin wurde denn auch auf rein freiwilliger Basis darum gebeten, mit auf die Polizeiwache zu kommen, um eine Aussage zu machen. Bindel ging nicht mit, in solchen Situationen braucht man eine grundständige Logik. Sie spricht von der „Orwellschen Lage der Dinge“ in ihrem Land. Aber immerhin rief die Weigerung Bindels eine Art von Erstaunen und Hilflosigkeit bei den Polizeibeamten hervor. Auch Bindel wollte nur zu gern wissen, was sie genau Strafbares getan hatte, das eine Polizeiintervention dieser Art rechtfertigen könnte.
Die Betrauung der Polizei mit solchen Aufgaben ist dabei schon der Anfang der Verfehlung. Derweil wird nur die extreme Minderheit der echten Verbrechen von der britischen Polizei aufgeklärt. Aktuell liegen die Aufklärungsraten in Essex bei Werten wie 6,3 Prozent (bei Einbrüchen) und 9,6 Prozent (bei Sexualstraftaten). Auf diese Kluft machte der Vorsitzende der Free Speech Union, Toby Young, aufmerksam.
Der „Mann auf der Straße“ wird abgeführt
Die Verfahren rund um „non-crime hate incidents“ wurden verändert, nachdem der ehemalige Polizeibeamte Harry Miller einen Prozess gewonnen hatte, in dem es um seine Kommentare zur Gendertheorie ging, die als „gender-kritisch“ und „non-crime hate incident“ eingestuft wurden. Miller bekam Recht, und einige Bestimmungen wurden gestrichen. Die neue Innenministerin Yvette Cooper scheint daran zu denken, diese Änderungen wieder rückgängig zu machen. Cooper will die Feststellung von „nicht strafbaren Hassvorfällen“ durch die Polizei stärken.
Festzustellen ist zudem etwas anderes: Die britischen Journalisten und Autoren verteidigen ein Gut, auf das auch einfache Briten – der sprichwörtliche „man in the street“ – Wert legen. Eine Pflegerin aus den West Midlands wurde festgenommen, weil sie im vergangenen August ein Video von einigen Männer auf TikTok veröffentlicht hatte. Die teils maskierten Männer machten darin Kommentare, die teils als rassistische bewertet wurden. Warum die Pflegefachkraft deshalb ins Gefängnis musste, bleibt nur solange unklar, wie man von individueller Verantwortung für eigene Taten als zentrales Kriterium für Strafbarkeit ausgeht.
In Großbritannien geht es aber längst um etwas anderes, das vergleichbar ist mit dem Schlagwort der „öffentlichen Gesundheit“. Die Kommentare anderer, die die 23-jährige Cameron Bell auf TikTok teilte waren geeignet dazu, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu schmälern. Vielleicht waren sie ja sogar gewagt und verletzten die Grenzen des Anstands. Daher hatten sie zu unterbleiben. Gemäß dieser Logik könnte aber auch das Weitererzählen süffiger Anekdoten aus dem Bekanntenkreis bald in den Bereich der Pseudo-Kriminalität hineinrutschen. Das Orwellsche Element macht sich damit definitiv bemerkbar.
Die britische Polizei als „Freund und Helfer“ scheint Geschichte
In Amerika ist man derweil froh darüber, einen Präsidenten gewählt zu haben, der sich für die Redefreiheit als amerikanischen Wert per se einsetzen will. In Deutschland wuchert das System der Meldestellen. Auch für Grüne in Deutschland ist „Hassrede“ durch das Strafgesetzbuch „klar definiert und illegal“. Vertreter der FDP machen dabei mit, wie TE-Recherchen zeigen, verurteilen aber die zurückgehende Meinungsfreiheit in der Türkei durch ein Spionagegesetz, das „kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft“ unterdrücken könnte. Im Inland spielen die „Liberalen“ jedoch aktiv mit beim Ampel-Blockflötenkonzert.
Es geht, das wird auch an der britischen Entwicklung deutlich, dabei nur selten und sicher nicht systematisch um Strafbares, sondern um missliebige Meinungen, die dort sogar von der Polizei verfolgt werden, ohne dass die Beamten – anscheinend – genau wissen, was sie tun. Man fragt sich, an welchem Punkt, die britischen Behörden in dieser Weise auf Autopilot geschaltet haben, dass sie nicht einmal mehr bemerken, in welche Autokratie des Opferstatus sie durch das Buckeln vor angeblich verfolgten Minderheiten sie abdriften.
Auch so kann eine Institution der Bürgerschaft ihre Rolle als „Freund und Helfer“ verlieren und sich und alle anderen staatlichen Behörden, denen sie angeblich dient, gründlich desavouieren. Und richtig ist natürlich der Hinweis, dass all dies nicht über Nacht über Britannien hereinbrach, sondern sich über Jahrzehnte vorbereitet hat. Alles begann wohl mit den ersten „freundlichen“ Bestimmungen gegen Diskriminierung und Hass, die schon in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in britische Gesetze eingingen, ohne dass man sich damals oder seitdem Gedanken über ihren tieferen Sinn gemacht hätte. Das Ergebnis dieser „Schlafkur“ für Frösche im allmählich sich erhitzenden Badewasser können die Briten heute begutachten und teils am eigenen Leib erleben.
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