Tichys Einblick
Kevin Lister

UK: Lehrer entlassen, weil er gegen Gender-Ideologie aufbegehrt hat

Es brauchte keinen Tag, bis sich die neuen Richtlinien der britischen Regierung zum Umgang mit vermeintlichen Transgender-Schülern als Misserfolg und schädlich erwiesen. Ein langgedienter Mathematiklehrer musste seinen Hut nehmen, weil er einen Schüler „misgendert“ hatte. Dabei hatte er nur auf sein Gewissen gehört.

IMAGO

Es ist eine Entwicklung, die sich so oder ähnlich in vielen westlichen Ländern abspielt, auch in Deutschland, wie die Ordnungsrufe gegen die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch und die daraus folgende Organstreitklage der Politikerin zeigen. Es geht um das Thema der sogenannten „Geschlechtsanpassung“, auch verhüllend-erklärend als Transgenderismus zu benennen. Ja, es ist formal ein Genderwechsel, ein Wechsel in eine andere Geschlechtsidentität, aber das Ziel ist doch zu wohl über 90 Prozent das jeweils andere biologische Geschlecht.

Es sind bisher nur wenige Patienten, die es danach verlangt, einem unklar definierten „dritten Geschlecht“ zuzugehören. Aber alle medizinisch Behandelten rutschen unweigerlich in etwas Derartiges hinein, denn sie gehören weder ihrem alten (wenn schon, dann dem, doch ohne reproduktive Fähigkeit) noch dem neuen, erwünschten „Geschlecht“ richtig an. Also geht es auch irgendwie um Transsexualität. Besser könnten das vielleicht (nicht sicher) die Betroffenen selbst erklären.

Der ganze Bereich ist sprachlich und ideell vermint. Wo man früher von Transsexuellen sprach (auch in einem entsprechenden Gesetz), ist nun die Rede von Transgender-Personen, unter denen sich die meisten kaum noch etwas vorstellen werden können. So viel zur Theorie der Sache, es muss hier reichen. Denn das Gespräch spezialisiert sich zunehmend, ohne dass die überwältigende Mehrheit ein vitales Interesse an seinem Fortgang hätte. Das Interesse dieser – meist schweigenden – Mehrheit dürfte aber darin bestehen, mehr oder weniger so „normal“ weiterleben zu dürfen wie früher auch. Doch dieses Recht steht in Deutschland so sehr auf dem Spiel wie in den USA und anderswo.

Übergang zur Willkürherrschaft eines Mobs

Im Vereinigten Königreich gibt es seit neuestem Richtlinien der konservativen Regierung zum Umgang mit dem Thema an Schulen. Am ersten Tag der Geltung verlor Kevin Lister, 60 Jahre, nach 16 Jahren seine Stelle als Mathe-Lehrer an einem Weiterbildungskolleg. Er hatte sich geweigert, eine 17-jährige Schülerin mit ihrem männlichen Namen und den entsprechenden Pronomina anzusprechen. Das Mädchen „identifiziert sich“ derzeit als Junge.

Außerdem warnte Lister das Mädchen vor irreversiblen chirurgischen Eingriffen. Am 19. Dezember wurde ihm der professionelle Umgang mit Kindern untersagt. Am selben Tag kamen die Richtlinien der Regierung heraus, die allerdings besagen, dass ein Lehrer eben nicht dazu gezwungen sein soll, die „neuen“ Pronomina und Namen von Schülern zu benutzen.

Die Richtlinien wurden umgehend selbst zum Streitthema. Die Labour-Abgeordnete Kate Osborne meinte, Schulen sollten die „Bedürfnisse der Schüler“ dem „Hass“ der Regierung vorziehen und die „grausamen, rechtlich nicht bindenden“ Leitlinien ignorieren. Die Labour-Partei insgesamt mit Keir Starmer an ihrer Spitze weigerte sich allerdings, zu den Richtlinien Stellung zu nehmen.

Dagegen hatte die konservative Abgeordnete und Ex-Premierministerin Liz Truss die Regierung dazu aufgerufen, die Richtlinien auch rechtlich verbindlich zu machen. Die jüngst zurückgetretene Innenministerin Suella Braverman – eine Anführerin der Parteirechten – forderte eine „robuste“ und gesetzliche Regelung, um das Thema für alle eindeutig zu bestimmen.

Nun ist der vorhergesagte Salat eingetreten. Der geschasste Lister vergleicht die Richtlinien gegenüber dem Telegraph mit einem Bulldozer, der durch die übrigen Regelungen für den Schultunterricht fährt. Vor allem Lehrer blieben dadurch letztlich schutzlos Entscheidungen ausgeliefert, die sie nicht ein- oder voraussehen können. Eingeführt ist damit die Willkür der Schulleitungen: „Jede Schule, überall im Land, kann jetzt mit jedem Lehrer, der sich entscheidet, den Richtlinien zu folgen, das tun, was sie mit mir getan haben. Sie können sie entlassen und ihnen die Lizenz (zum Lehren) entziehen lassen.“ Und hinter den willkürlich treffbaren Entscheidungen der Schulen wird wiederum die Drohung eines Mobs stehen, der mit den Entscheidungen unzufrieden sein könnte und wahlweise aus Eltern, Charities, NGOs, Pressure-Groups und anderem mehr bestehen kann.

Was uneindeutige Richtlinien anrichten können

Die Richtlinien stammen aus dem Ministerium von Kemi Badenoch, die in diesen Fragen – so hätte man angenommen – eher der Tory-Rechten zuneigt. Allerdings sind die Reibungsverluste gerade in dieser Tory-Regierung extrem, weil sie sich durch Umfrageergebnisse permanent in Frage gestellt sieht und daher dem woken Druck von Medien und anderen Organisationen in zunehmendem Maße nachgibt.

Und so haben die Richtlinien aus dem Hause Badenoch dann doch einige Lücken. So müssen Schulen zwar nicht jeden Geschlechtswandlungswunsch eines minderjährigen Schülers akzeptieren. Es gibt aber auch keine eindeutigen Regeln, wie mit einer solchen angeblichen „Transition“ im Schulalter umzugehen ist. Das ist des Pudels Kern bei diesem Streit, der von Ferne an die Probleme des kanadischen Psychologie-Professors Jordan Peterson erinnert. Dabei geht es sowohl um den betroffenen Schüler oder Studenten als auch um das breitere gesellschaftliche Umfeld, das heute fast vergessen wird.

Aber Fragen der (auch persönlichen) Identität sind natürlich dazu geeignet, auch allgemeine Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft oder in jeder Gemeinschaft auszulösen, wenn sie nicht eindeutig oder offensichtlich unsinnig beantwortet werden. Als Schul- oder Hochschullehrer waren Peterson und Lister zudem auch ihrem persönlichen Gewissen verpflichtet. Wenn ein Lehrer diesem inneren Kompass nicht mehr folgen kann, dann hört er auf, als Autoritätsperson zu existieren. Ein weiterer Fall von „Dekadenz-Domino“, in dem ein Stein den nächsten einreißt. Heute auf den britischen Inseln, morgen in Deutschland.

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