Tichys Einblick
Massenproteste geplant

Labour-Regierung startet Frontalangriff auf Britanniens Bauern

Eine Kriegserklärung in Form neuer Steuergesetze hat der linke Premierminister Keith Starmer den Landwirten im Königreich geschickt. Dabei bricht er gleich mehrere Wahlversprechen gegenüber den Bauern, ohne die er nicht ins Amt gekommen wäre. Der Insel stehen unruhige Zeiten bevor.

picture alliance / empics | Gareth Fuller

Eine Million Euro: Das klingt nach viel. Ist es auch, wenn es sich um Bargeld handelt. Ist es nicht, wenn es sich um ein Unternehmen handelt – erst recht nicht, wenn es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb handelt.

Die Felder, das Saatgut, die Ernte, die Tiere, die Stallungen, der Hof, die Traktoren und die sonstigen Maschinen: Wenn man das alles zusammenrechnet, ist man blitzschnell bei weit über einer Million Euro. Durchschnittlich hat ein noch aktiver Bauernhof in Deutschland einen Wert von drei bis fünf Millionen Euro. Unter einer Million kriegt man praktisch keinen.

In Großbritannien ist das ganz ähnlich, und da fängt der Ärger an.

Denn die linke Regierung von Labour-Premierminister Keith Starmer hat entschieden, dass Bauern künftig auch dann 20 Prozent Erbschaftssteuer zahlen müssen, wenn sie den noch aktiven landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern übernehmen und weiterführen. Das mussten sie bisher nicht. Und es geht nicht etwa um 20 Prozent des Barvermögens oder sonstiger Kapitalanlagen – nein, es geht um 20 Prozent des kompletten Unternehmenswerts. Und das ab einem Wert von einer Million Pfund (etwa 1,2 Millionen Euro).

Bei den chronisch kleinen Gewinnmargen in der britischen Landwirtschaft heißt das: Wer künftig einen aktiven Bauernhof erbt, wird ihn in sehr, sehr vielen Fällen verkaufen müssen – nur, um die Erbschaftssteuer bezahlen zu können.

Die Empörung auf der Insel könnte kaum größer sein.

 

Der Bauernverband „National Farmers Union“ (NFU) erklärt recht unbritisch deutlich, dass die Landwirte sich vom Premierminister betrogen fühlen. Tatsächlich hatte Keir Starmer damit Wahlkampf gemacht, dass seine Labour-Partei „eine neue Beziehung zum ländlichen Raum“ schaffen wolle. Man werde eine „echte Partnerschaft“ der Partei mit den Landwirten eingehen. Dass die so aussehen würde, hatte er freilich nicht gesagt.

Dank der Versprechen hatte Labour überraschend Dutzende Parlamentssitze in ländlich geprägten Wahlkreisen geholt: etwa ein Viertel der 402 Labour-Abgeordneten. Ohne die hätte die Partei nicht gewonnen, und Starmer wäre jetzt nicht Regierungschef.

NFU-Präsident Tom Bradshaw hat für Ende November Gespräche von Landwirten mit ihren Labour-Abgeordneten organisiert. Doch der Bauernprotest entwickelt gerade eine ganz eigene Dynamik. Wütende Landwirte organisieren große Protestaktionen am Bauernverband vorbei, denn der ist ihnen schlicht nicht offensiv genug. Clive Bailye hat „The Farming Forum“ geründet, das ist Großbritanniens größtes Online-Portal für Bauern. Er berichtet, dass landesweit Pläne für große Protestaktionen weit fortgeschritten seien.

So wollen tausende Bauern Ende November London mit einem Traktor-Konvoi lahmlegen. Auch Blockaden von Häfen und Lebensmittelverteilzentren sind in Vorbereitung. Zudem ist ein Lieferboykott in Planung: Landwirte werden dann zweitweise keine Produkte mehr von den Höfen wegtransportieren, weder Vieh noch andere Lebensmittel.

Besonders dramatisch ist die Ankündigung zahlreicher Bauern, die Abnahme von Klärschlamm auszusetzen. Das würde sowohl die Wasserversorgung als auch die Müllentsorgung in Großbritannien empfindlich treffen.

Die sogenannten Biofeststoffe, umgangssprachlich Klärschlamm, entstehen als Abfallprodukt, wenn unserem Müll die Flüssigkeiten entzogen werden. Sie gelten als sehr effektiver Dünger. Die britischen Bauern nehmen den Wasserbetrieben jährlich etwa 3,6 Millionen Tonnen Klärschlamm ab und verteilen den dann auf ihren Anbaufeldern. Das hat für beide Seiten Vorteile. Die Wasserbetriebe sparen sich die Kosten und den Aufwand für die umweltgerechte Entsorgung des Klärschlamms. Das übernehmen die Bauern, die kostenfreien Dünger bekommen.

Fällt diese Zusammenarbeit auch nur zeitweise weg, haben die Wasserbetriebe ein riesiges Problem.

Und es erscheint täglich wahrscheinlicher, dass die aufgebrachten Bauern ihre Ankündigung auch tatsächlich wahrmachen. Denn die Änderung bei der Erbschaftssteuer ist nicht die einzige Attacke, die Labour gegen die britischen Landwirte reitet.

Finanzministerin Rachel Reeves schreddert gerade die Lebensplanung vieler Bauern noch mit einer anderen Zumutung. Denn zahlreiche Landwirte wurden schon – oder werden noch – von der Regierung in London enteignet, weil Labour ihr Land für den Bau von Autobahnen, Schnellstraßen oder auch Wohnkomplexen braucht. Dafür werden die Betroffenen entschädigt. So weit, so gut.

Doch auf die Entschädigungen müssen die Enteigneten Kapitalertragssteuer zahlen – und die hat Schatzkanzlerin Reeves gerade fast verdoppelt: von zehn auf 18 Prozent (bei größeren Beträgen können es bis zu 24 Prozent werden). Das heißt, dass enteigneten Bauern teilweise nur noch gut die Hälfte der bisherigen Entschädigung übrigbleibt.

Das gilt auch für jene, die zwar schon enteignet wurden, an die aber noch keine Entschädigung geflossen ist.

Das ist natürlich das Gegenteil von verlässlichem staatlichen Handeln: Landwirte werden erst enteignet, der Staat vereinbart mit ihnen eine Entschädigung – halbiert die vereinbarte Summe dann aber de facto durch eine Steuererhöhung.

Kein Wunder, dass Britanniens Bauern gerade der Kragen platzt. In den Foren ist zu lesen: „Jeder Landwirt, der damit rechnen kann, nicht in den kommenden fünf Jahren zu sterben, wartet auf die nächsten Parlamentswahlen. Alle hoffen, dass dann wieder die Konservativen gewinnen.“

Die Tories haben schon angekündigt, die Gesetze wieder zurückzunehmen.

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