Tichys Einblick
DIE NICHT-DEBATTE

Trump und Biden im Fernduell: Von Konzision und Redseligkeit, Kritik und ihrem Mangel

Die Fernsehauftritte von Trump und Biden als Debattenersatz zeigten deutlich die Unterschiede zwischen den Kandidaten: Trump stand unter dem Dauerbeschuss seiner Gastgeberin, Biden konnte eine ruhige Plauderstunde verleben.

imago images / Levine-Roberts

Eigentlich sollte es ein gemeinsames Townhall-Meeting geben, in dem der Amtsinhaber und sein Herausforderer abwechselnd Fragen aus dem Publikum beantworten sollten. Im Nachhall der Coronavirus-Infektion des Präsidenten verlangte die Biden-Kampagne, diese Debatte virtuell zu veranstalten, als ob man eine Ansteckung des demokratischen Kandidaten fürchten müsste. Doch Trump ist laut seinem Leibarzt seit einigen Tagen schon nicht mehr ansteckend. Es gab allerdings schon einmal eine Ferndebatte zwischen Präsidentschaftskandidaten in zwei verschiedenen TV-Studios: In ihrer dritten Debatte im Jahr 1960 saßen Nixon und Kennedy, 3.000 Meilen voneinander entfernt, in zwei Studios in New York und Los Angeles. Das Journalistenpanel saß in einem dritten Studio.

Aber das gefiel Trump nicht, der seine Debatten nicht »hinter einem Computer« zu führen gewohnt ist. Heraus kam ein Parallelformat mit zwei getrennten Townhall-Debatten, in denen Präsident und Kandidat nun gleichzeitig auf zwei Sendern erschienen. Aber da Biden zuerst angekündigt hatte, auf jeden Fall ein eigenes Townhall-Meeting auf ABC zu veranstalten, witterten mehr als 100 Hollywoodianer der zweiten Kategorie,  die bei der Mutter des Senders NBC arbeiten, Verrat. Sie forderten dazu auf, Trumps »schlechtes Benehmen« nicht auch noch zu belohnen und outeten sich so als Biden-Anhänger.

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In Miami traf Trump auf die Moderatorin Savannah Guthrie, die er für ihr Eingangsstatement lobte. Tatsächlich fühlte sich das noch ziemlich fair an. Doch dann verwechselte Guthrie ihr Format gelegentlich mit dem »Heißen Stuhl« und führte mehrere Kreuzverhöre durch. Das erste, gleich zu Beginn, ging um die Frage, wann genau sich Trump mit dem Coronavirus infiziert hat. Doch Trump gab keine Auskunft über seine Testergebnisse zu verschiedenen Zeitpunkten. Er sei in großartiger Form und werde vielleicht nicht täglich, aber doch sehr häufig getestet. Zu seiner Krankheit sagt er, dass die Ärzte einige Anhaltspunkte für eine Infektion in seiner Lunge fanden, auch hatte er etwas Fieber. Inzwischen fühle er sich aber wieder sehr gut. Das gab ihm auch Anlass, seine Mut-Botschaft von neuem zu verbreiten: Als Präsident könne er sich nicht irgendwo einschließen und keine Menschen mehr sehen. Trump weiß von dem Risiko und geht es ein. Auch das ist ein Wirken durch das eigene Vorbild, wie Guthrie es eigentlich einforderte.
Trump gegen Whitmer: Lockdown-Maßnahmen meist nicht verfassungsgemäß

Im allgemeinen bemühte sich Trump in diesem ersten Teil, trotz aller Auseinandersetzung sympathisch zu wirken. Er ließ auch Persönliches einfließen, zum Beispiel als es um seine Corona-Infektion ging. Es folgte ein kleiner Schlagabtausch über Covid-Statistiken. Trump führt deutliche Steigerungen in Westeuropa an, Guthrie pariert mit der Deaths-per-capita-Statistik, doch Trump hat sich ein neues Ass in den Ärmel gelegt: Die Übersterblichkeit in den USA sei geringer als in einigen Ländern Westeuropas. Eigentlich gestaltet sich die Statistik dazu aber ähnlich wie jene zu den Todesfällen pro Kopf.

Die Lockdown-Maßnahmen hält Trump zum großen Teil nicht für verfassungsgemäß. »Wir«, so sagt er, haben einen großen Fall in Michigan gewonnen. Es geht um eine Entscheidung gegen die dortige Gouverneurin Gretchen Whitmer, die zugleich als große Antagonistin Trumps gilt. Tatsächlich hat das Michigan Supreme Court erst Anfang Oktober die fortgesetzten Notstandsverordnungen Whitmers ohne Beteiligung der Legislative kassiert. Zu den Lockdowns sagt Trump: »Die Heilung darf nicht schlimmer als das Problem sein.« Tausende New Yorker haben ihre Stadt verlassen, all das müsse man nach dem 3. November wieder aufbauen. Das von Trump genannte Datum ist ein interessanter Hinweis: Offenbar sieht er die vor allem von Demokraten verhängten Lockdowns auch als ein Wahlkampfinstrument seiner Gegner.

Als nächstes Kreuzfeuer-Thema hat sich Guthrie das Konstrukt »white supremacy« ausgesucht, also den Glauben, dass Weiße anderen Menschen überlegen seien. Trump soll dies verurteilen. Als Trump sieht, wohin ihre Frage zielt, ergreift er das Wort: »Das tun Sie ständig, Sie und viele andere …« Trump verurteilte die »weiße Überlegenheit«, und das habe er auch schon seit Jahren getan. Eine junge schwarze Frau mit roter Maske im Hintergrund nickte hier vernehmlich, wie sie es schon zuvor beim Thema Lockdowns getan hatte.

Da Guthrie aber nicht locker ließ, machte Trump deutlich, dass er dieses Insistieren selbst für zweifelhaft hielt. Er verurteilte also nicht einfach nur die »weiße Überlegenheit«, sondern auch die Antifa, die brennend und brandschatzend durch demokratisch regierte Städte ziehe. Dann fragte Guthrie nach der QAnon-Lehre, deren Vertreter Trump als Erlöser von einer fiktiven Affäre namens »Pizzagate« verehren. Trump vermied es, seine Anhänger vor den Kopf zu stoßen und bekannte sich als Gegner der Pädophilie. Er wisse nichts über QAnon, auch die Behauptungen der Journalistin reichten für Trump nicht aus, ihn definitiv über die Bewegung aufzuklären. Trump fragte seinerseits, warum eigentlich niemand Joe Biden dazu aufruft, die Antifa zu verurteilen. Guthrie: Weil gerade Sie hier sitzen. Trump, sarkastisch lachend: Sie sind süß (»So cute!«). Tatsächlich gab es keine kritische Befragung Bidens zu heiklen Themen in der gleichzeitigen ABC-Sendung.

Dann geht es um einen Retweet Trumps zum Tod Osama Bin Ladens und einer alternativen Theorie dazu. Trump nimmt deutlich Stellung zu diesem weiteren Aspekt der öffentlichen Jagd auf Menschen und Meinungen. Es sei nur ein Retweet gewesen: »Die Menschen können für sich selbst entscheiden, ich beziehe nicht Position dazu.« Außerdem seien die Medien natürlich in einem solchen Maße »falsch« (»fake«), dass sie sich über diese Gegenöffentlichkeit eigentlich nicht wundern sollten. Trump möchte lieber über den Wiederaufbau des Landes sprechen, den er auch nach den Wahlen weiter vorantreiben will.

Guthrie hat noch ein »Überbleibsel« aus älteren Diskussionen auf Lager: Wird Trump eine friedliche Übergabe der Macht nach den Wahlen ermöglichen? Trump beharrt auf den Gefahren der stark ausgedehnten Briefwahl. Auf die Frage antwortet er mit einem deutlichen Ja, er wünscht sich aber auch eine ehrliche Wahl. Ein Drittel des Townhall-Meetings wird von diesem Geplänkel über Schlachten der Vergangenheit eingenommen, bis schließlich die Wähler aus Miami zu Wort kommen dürfen.

Kommt das große Aufholen nach Verkündung der Herbstzahlen?

Die erste Frage zu den Vorsichtsmaßnahmen wegen Covid-19 pariert Trump inzwischen mit Leichtigkeit, niemand – auch nicht Dr. Fauci, geschweige denn Biden und andere Demokraten – hatte Trumps Einreisebeschränkungen für China begrüßt. Eine Trump-Anhängerin (Hispanic, Ärztin: »Bienvenido a Miami«) fragte nach der Wiederbelebung der Wirtschaft. Trump kündigt großartige Zahlen für das dritte Quartal an, die am 1. November – kurz vor den Wahlen – verkündet würden. Er erhofft sich eine »rote Welle« davon, also ein Aufholen der Republikaner bei der allgemeinen Zustimmung. Die Tochter der Ärztin (mit Tendenz zu Biden) fragt nach der Effizienz von Masken, und ob Trump inzwischen eher an sie glaube. Trump hat schon vorher Studien zitiert, die dem Thema einen weniger dogmatischen Charakter verleihen könnten: Denn auch mit Maske gibt es eine Infektionsgefahr, zumal nicht alle Menschen richtig mit ihnen umgingen. Der notorische Keimphobiker Trump erzählt die Geschichte von einem ungeschickt an seiner Maske herumfummelnden Menschen, dessen angebotenes Essen er nicht anrührte. Eine Studie der amerikanischen Gesundheitsämter (CDC) besagt, dass 85 Prozent der Ansteckungen zustande gekommen sind, obwohl die Infizierten immer oder meist eine Maske trugen.

Eine unentschiedene Wählerin, Cristy Montesinos Alonso, selbständig, fragt den Präsidenten, wie er mit der Abschaffung von Obamacare fortfahren will, denn die Kosten für Gesundheitsvorsorge seien stark angestiegen. Trump hebt, wie schon öfter, die Abschaffung der verpflichtenden Mitgliedschaft (»individual mandate«) in einer Krankenkasse hervor. Die Freiheit davon hält er für grundlegend. Man habe viel Geld bezahlt für eine schlechte Versorgung. Die fortgesetzten Fragen von Presse und Wählern nach diesem Thema zeigen, dass das Publikum hier noch etwas von Trump erwartet.

Trump: Der »Aufschlag« der Parteien ist härter geworden

Große Unklarheit zum Stimulus Package für Wirtschaftswachstum. Trump hatte die Verhandlungen erst beendet, dann wieder begonnen. Die Pläne der Demokraten sind sehr viel teurer als die der Republikaner. Trotzdem gebärdet sich Trump nun wie einer, der gerne Geld ausgeben will, woran ihn nur Nancy Pelosi hindert. Geschickt. Später soll es um Trumps Schulden gehen, angeblich 400 Millionen Dollar. Trump sagt, das sei wenig im Vergleich mit seinem Vermögen oder »net worth«. Man weiß nicht, ob ihm solche Diskussionen schaden oder nutzen können. Sie dienen eindeutig der Skandalisierung und sollen seine Unabhängigkeit in Zweifel ziehen. Aber wer wäre dann noch unabhängig genug, um ein hohes Amt zu bekleiden?

Unruhe in Amerikas Redaktionen
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Amy Coney Barrett hat die Mehrheit im Senat vermutlich schon sicher. Trump bestätigt, dass sich seine eigene Position in der Frage der Richterberufungen verhärtet habe, als der jetzige Bundesrichter Brett Kavanaugh einem erniedrigenden Verfahren im Senat unterworfen wurde. Der »Aufschlag« zwischen den beiden Parteien sei sehr viel härter geworden. Eine junge Frau, die sich als »pro-life millennial« vorstellt, stellte eine Frage zur Schwangerschaftsgesetzgebung. Trump zeigt sich pragmatisch, die Gesetzgebung könnte zum Beispiel den einzelnen Staaten überlassen werden. Er wünscht sich, dass ein hochkompetenter Jurist – wie Amy Coney Barrett – diese Entscheidung fällt. Trump zieht sich hier ganz auf rechtsstaatliche Verfahren zurück, die er nicht beeinflussen will. Damit kann er vielleicht auch einen Teil jener Wähler weiter an sich binden, die eine differenzierte Meinung zu dem Thema haben.

Eine schwarze Frau erzählt, dass ihr jugendlicher Sohn jeden Grund habe, die Polizei und das Recht zu respektieren, denn nicht nur sei das das Richtige, auch fürchte er sonst Repressalien von der Polizei. Trump nimmt ihren Punkt sogleich auf, in seiner Antwort spricht er von einem republikanischen Gesetzentwurf, der eben dies sichergestellt hätte: Effizienz und Fairness der Polizei. In Bezug auf schwarze Wähler könnte das eine Zauberformel sein, wenn Trump sie deutlich genug vorbringen kann. Er wiederholt seine Botschaft, dass er sehr viel für die schwarze Gemeinschaft getan habe, nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, auch was die Finanzierung von historisch schwarzen Universitäten angeht.

Zuletzt die Frage einer älteren Dame, die zunächst Trumps gutaussehendes Lächeln lobt und dann nach dem Umgang mit illegalen Migranten fragt. Trump bestätigt sie in ihrer Annahme, dass er die von Obama stammende Gesetzgebung auch weiterhin eng auslegen will. Dass das DACA-Programm derzeit pausiere, führt Trump vor allem auf die Pandemie zurück. In Zukunft müssten Immigranten auf legalem Weg in die USA kommen. Trumps Argumente für seine Wiederwahl an unentschlossene Wähler: eine »wiederaufgebaute« Wirtschaft, besserer Grenzschutz, Steuersenkungen, Rückschnitt von Regulierungen, Fortschritte am Arbeitsmarkt. Insgesamt eine knappe Stunde mit klaren Positionen und genug Streit zwischen dem Präsidenten und der Moderatorin.

Was Biden wirklich tun wird, ist unklar

Zur gleichen Zeit wurde Joe Biden in Philadelphia auf ABC von George Stephanopoulos befragt. Dort dürfen die Bürger sofort Fragen stellen. Doch gleich die erste Frage stammt von einem eingetragenen Demokraten. Wo es in Miami Wähler mit verschiedenen Tendenzen gab, scheint es hier vor allem eingetragene Parteianhänger zu geben. Doch ist das im Interesse des Kandidaten Biden? Man erhält den Eindruck einer Sitzung des erweiterten Parteikomitees. Auf jeden Fall keine einzige Frage zu Bidens Sohn Hunter und seinen Verstrickungen in der Ukraine und China.

Schon die erste Frage dreht sich selbstbezüglich um eines der Mega-Themen der Demokraten: die Pandemie-Bewältigung. Frager und Befragter stimmen vollständig darin überein, dass man »der Wissenschaft« folgen müsse. Dem Fragenden fehlen die einheitlichen Regelungen für das gesamte Bundesgebiet. Für Biden hat sich Trump zu sehr um die Wirtschaft gesorgt. Doch auch in der amerikanischen Diskussion ist die Erkenntnis angekommen, dass es nicht um die Durchsetzung »der Wissenschaft« gegen »die Wirtschaft« gehen kann, wie Moderator Stephanopoulos anmerkt, man müsse doch eine Balance finden.

Biden will Läden und Schulen mit allgemeinen Regeln und Staatszuschüssen bedenken und so – vielleicht – offen lassen. Einen allgemeinen Lockdown würde er aber durchführen, wenn ihm »die Wissenschaft« dazu rät. Was man versteht, ist, dass unsicher ist, was unter einem Präsidenten Biden wirklich passieren wird. Sicher ist nur, dass seine Rhetorik besser zu den Erwartungen gewisser Wähler passen wird.

Moody’s ist für die Demokraten und ihre ausgeweitete Sozialpolitik

Einen von Donald Trump empfohlenen Impfstoff würde Biden – anders als Kamala Harris – akzeptieren. Will er die Impfung auch verpflichtend machen? Biden rudert, was das Zeug hält. Das hänge von der Natur des Impfstoffes ab. Wie das? Kann man den einen Impfstoff obligatorisch machen, einen anderen nicht? Dann offenbar neue Funksprüche aus man weiß nicht welcher Zentrale: Biden würde gerne über eine Impfpflicht nachdenken, weiß aber, dass man das nicht per Gesetz festlegen kann. Also Pflicht ohne Gesetz, die Unklarheit wächst. Dasselbe gelte für die Verwendung von Masken. Aber trotzdem würde Biden gerne – ähnlich wie eine gewisse Kanzlerin – alle Gouverneure in einem Raum versammeln und sie dazu aufrufen, Masken verpflichtend zu machen oder zumindest dafür zu werben. Denn wer weiß schon, ob die Gouverneure in ihren Bundesstaaten eine Maskenpflicht überhaupt einführen können. Hauptsache, man redet über diese Papier- oder Stoffteile,die Biden dabei immer gerne in der Hand hält. Bidens Vortrag hat außer der dogmatischen und öffentlichen Verehrung »der Wissenschaft«, keine politische Substanz.

Als eine Frage nach seiner Steuerpolitik kommt, zückt Biden einen Spickzettel, den er dem republikanischen Fragesteller zeigt und von dem er in der Folge einige Zahlen abliest. Er will also nur die Steuern für die Wohlhabenden wieder erhöhen. Mit seiner Wirtschaftspolitik will Biden angeblich ein größeres Wachstum bewirken, als es Trump in einer zweiten Amtszeit vollbringen könnte. Das habe eine Studie von Moody’s ergeben, die dem amtierenden Präsidenten und den Republikanern tatsächlich Punktabzüge für niedrige Staatsausgaben, mögliche Handelskonflikte und die striktere Einwanderungspolitik geben. Auch Biden schlägt allerdings eine »Made in America«-Politik vor, offenbar die demokratische Antwort auf Trumps »America First«, das natürlich vor allem ein steuerfinanziertes Programm zur Wirtschaftsförderung darstellt. Das scheint den großen Unternehmen und Rating-Agenturen wie Moody’s inzwischen wichtiger als eine faire Handelspolitik zu sein.

Ein hochtechnisierter Neofeudalismus droht
Großer Bruder Twitter
Ein junger Schwarzer und »progressiver Demokrat« sagt Biden, dass die Wählergruppe, zu der er gehört, wahlentscheidend werden könnte – weil sie vielleicht gar nicht wählen gehen könnte. Er fragt Biden, wie er junge Schwarze dazu bewegen will, ihn zu wählen, und dies zumal er selbst ja nicht schwarz sei. Das war eine Anspielung auf Bidens Bemerkung, ein Schwarzer könne nicht für Trump abstimmen. Biden spricht über Ausbildung, Wohlstand, auch über Sozialarbeiter und Schulpsychologen. Die Sozialpolitik soll es für Biden richten, mit mehr staatlichem Geld im Erziehungssystem, aber zum Beispiel auch für Hauskäufer. Und dieses Ergebnis erscheint ganz natürlich, wenn der linke und der rechte Flügel der Demokraten miteinander diskutieren. Auffällig ist, dass die Regie den jungen Schwarzen – anders als weiße Fragesteller – im Laufe der Frage nicht ausblendete. Das wäre vielleicht unsensibel gewesen.
Plauderstunde mit Schlummer-Joe

Die nächste Frage kam von einer Republikanerin. Sie befragte Biden kritisch nach seiner Kriminalitätsgesetzgebung aus den 1990ern, die heute manch einer als gegen Schwarze gerichtet ansieht. Biden will eine Kommission aus Polizisten, Sozialarbeitern, schwarzen und braunen Gemeinschaften gründen, die eine neue Art der Polizeiarbeit entwerfen. Zumindest bei diesem Thema hat er also weniger eine Position als das Vorhaben, eine Kommission zu gründen. Später sagte er, dass man einen unkooperativen oder flüchtigen Verdächtigen natürlich nicht in den Rücken, sondern in die Beine schießt. Das erregte den Spott der virtuellen Kommentatoren, die sich meist noch mehr Sensibilität erhofften.

Es bleibt erstaunlich, wie Biden die Fragenden regelmäßig in Grund und Boden reden kann und dabei nicht viele Angriffspunkte für Kritik bietet. Insofern ist das Townhall-Format, in dem die Bürger am Ende häufig wie gelehrige Schüler vor ihrem Lehrer stehen, ideal für ihn. Auch Moderator Stephanopoulos stellte im Grunde keine unbequemen Fragen und wartete die ellenlangen Antworten Bidens jedesmal geduldig ab. Der Rest der Sendung war weichen Themen vorbehalten, bei denen sich die Demokraten und Biden vor allem darum bemühen müssen, ihre linkes Wählerschaft zu gewinnen. Es ging also um LGBT-Rechte, Umweltpolitik, Transgender-Liberalität und Rassengerechtigkeit.

Die fragenden Wähler kokettierten dabei manchmal mit ihrer Unentschiedenheit, ähnlich wie schon der junge Schwarze zuvor. Sie könnten ja auch zu Hause bleiben … Biden erhielt Gelegenheit, ausführlich seine politischen Ideen darzulegen, auch wenn das sicher für kaum jemanden aufregend war. Wie wortreich eine noch ungeborene Politik doch ausfallen kann. Zwischendurch konnte Biden noch die unzweifelhaften außenpolitischen Erfolge Trumps im Nahen Osten und Osteuropa anzweifeln. Ein Dialog mit dem republikanischen Fragesteller blieb allerdings über Minuten aus. Leider verfügte der Mann nicht über ausreichend mimische Kräfte, um Biden mit seinem Gesicht zu widersprechen.

Laut einer ersten Zählung hatte Biden im Durchschnitt 12,3 Millionen in seiner Sendung, während der Ex-TV-Star Trump angeblich nur 10,4 Millionen für sich gewinnen konnte. Die letzte Zahl muss vielleicht noch korrigiert werden, denn NBC strahlte die Townhall-Debatte, anders als ABC, zugleich auf einigen Partnerkanälen aus. Bidens Sendung war eine halbe Stunde länger.

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