Tichys Einblick
Friedenssignal an Moskau?

Trump nahestehender US-Investor will Nord Stream 2 ersteigern

Ein US-Unternehmer will angeblich die einzige erhaltene deutsch-russische Pipeline in der Ostsee aufkaufen und zum Werkzeug der US-Außenpolitik machen. SPD und CDU scheinen schon seit geraumer Zeit die Fühler nach Moskau auszustrecken – in Person von Matthias Platzeck und Ronald Pofalla. Das hat ein Gegner dieser Mühen nun verraten.

picture alliance/dpa | Stefan Sauer

Kaum ist Trump gewählt, schon wachsen die Signale für Frieden in der Welt. Erst hörte man in Bezug auf den Nahost-Konflikt, dass Trump sich einen Waffenstillstand in Israel, Gaza und dem Libanon bis zu seiner Amtseinführung am 20. Januar wünscht. Ob das machbar ist, bleibt unsicher. Nun gibt es ein klares Signal für Frieden im Osten Europas: Der Trump nahestehende US-Investor Stephen Lynch hat bei der US-Regierung die Erlaubnis beantragt, sich an einer möglichen Versteigerung der teilweise beschädigten Nord-Stream-2-Pipelines zu beteiligen. Der Antrag dazu ging schon im Februar dieses Jahres bei der zuständigen Abteilung des Finanzministeriums, dem Office of Foreign Assets Control (OFAC, dt. Amt für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte) ein. Dass erst jetzt – zuerst im Wall Street Journal – darüber berichtet wird, ist offenbar kein Zufall, sondern hängt mit den höheren Chancen auf Verwirklichung zusammen, die sich zumindest Lynch ausrechnet.

Das Signal bleibt zweideutig: Denn einerseits will Lynch so die Energieversorgung der europäischen Verbündeten stärker unter US-amerikanische Kontrolle bringen, andererseits würden damit enge wirtschaftliche Beziehungen der Nato- und EU-Länder zu Russland wieder ermöglicht, die in Washington bislang als schädlich für den Zusammenhalt der transatlantischen Allianz angesehen wurden. Aber nach drei Kriegsjahren sollte vielleicht auch diese Sicht der Dinge einer Überprüfung unterzogen werden. Der Krieg hat zu einer Klärung der Lage am Nordrand des Schwarzen Meers geführt. Die Ukraine hat gezeigt, dass sie Stand halten kann, Russland hat seinen Anspruch auf den östlichen Teil der Schwarzmeerküste bis zur Krim befestigt. Es ist Zeit, nach vorne zu schauen.

Doch bleibt es zunächst bei der Initiative eines Einzelnen. Lynch behauptet, die Pipelines, die sich bis heute teilweise im Besitz der russischen Gazprom-Gruppe befinden (neben vier weiteren Anteilseignern), seien durch den Ankauf zu „derussifizieren“, wie die Washington Post schreibt. Außerdem könnten die Pipelines dadurch sogar noch zum Pfund oder Druckmittel bei eventuellen Friedensverhandlungen mit Russland werden. Aber selbst die Frage, ob ihm eine Trump-geführte Regierung folgen wird, bleibt offen.

Lynch hat Erfahrungen mit Russland-Geschäften

Laut Lynch könnte es ab dem Jahresbeginn 2025 zu einem Konkursverfahren gegen die in der Schweiz sitzende Nord Stream 2 AG kommen. Das zuständige Kantonsgericht Zug hatte die provisorische Nachlass-Stundung zuletzt bis zum 10. Januar 2025 verlängert. Zur Auktion käme es vielleicht, wenn ein Anteilseigner der AG aufgrund eigener Schuldenlast aufgelöst werden müsste. Das könnte gemäß Lynch bei einer beteiligten Gazprom-Tochter eintreten. Das Kaufangebot von Lynch soll gemäß einem seiner Mitarbeiter „die schmackhafteste aller unattraktiven Optionen“ für die russische Gazprom sein. Denn Lynch genieße auch in Moskau einiges Vertrauen.

Lynch verfügt in jedem Fall über jahrzehntelange unternehmerische Erfahrungen in Russland, besaß dort ein eigenes Unternehmen Monte Valle, das mit Hilfe der Deutschen Bank finanziert worden war, und war Bieter um die Überreste des privaten Öl- und Petrochemiekonzerns Yukos von Michail Chodorkowski. Dabei vertrat er teilweise auch die staatlich-russische Erdölgesellschaft Rosneft im Bieterverfahren. Das Unternehmen Monte Valle wäre auch jetzt noch das Vehikel für eine Übernahme von Nord Stream 2 durch Lynch.

Nun untermauerte Lynch seinen OFAC-Antrag durch eine im November verfasste Note, in der er von einem von ihm geführten „amerikanischen Konsortium“ spricht, das die Pipeline-AG übernehmen soll. Dies würde „mehrere wichtige außenpolitische Ziele der USA und ihrer Verbündeten voranbringen“ und sei zudem „ein natürlicher Folgeschritt zu den US-Sanktionen“ gegen Nord Stream. Die Schweizer AG würde „mit einem hohen Preisnachlass aus russischem Besitz“ entrissen. So könnten die USA „sicherstellen, dass sie [die Nord Stream 2 AG] nur zur Förderung nationaler Interessen genutzt werden kann“. Lynch präsentiert sich als Instrument der US-Außenpolitik.

Die Antwort aus der amtierenden US-Regierung bleibt vorerst skeptisch. Ein Beamter sagte: „Nichts an einer Wiederbelebung von Nord Stream 2 liegt derzeit im Interesse der USA.“ Die Versorgung Europas mit russischem Gas gilt den US-Offiziellen demnach immer noch als gefährlicher Hebel Moskaus. Zu diesem Schluss seien ja auch die Europäer gekommen und hätten aufgehört, russisches Gas zu kaufen – das geschah aber bei einigen mit einiger Verspätung und bei vielen eher unfreiwillig. Auch ein Geheimdienst-Offizieller hält Lynchs Behauptung, dass die Pipelines mit seinem Kauf unter US-Kontrolle kämen, für „sehr dünn“, also eher fraglich.

Lynch lässt sich derweil von Partnern als „amerikanischen Patrioten“ darstellen, der stets „im besten Interesse der Vereinigen Staaten“ handeln würde. 2022 konnte er die Schweizer Tochter der russischen Sberbank aufkaufen, was er ebenfalls als erfolgreiche „Derussifizierung“ eines Unternehmens darstellt.

Bereiten SPD und CDU schon die Annäherung an Moskau vor?

Doch was wird die deutsche Polit-Elite wohl zu dem Lynch-Vorschlag sagen? Zunächst einmal ist das (leider) nicht wirklich ausschlaggebend, denn schon bei der gemeinsamen Pressekonferenz Biden/Scholz vom 7. Februar 2022 war hinreichend klar geworden, wer die Hosen in dieser Beziehung anhat. Biden sagte, das Nord Stream nach einem russischen Angriff nicht existieren werde, und das trat ein halbes Jahr später ein.

Keine 14 Tage später – am 22. Februar 2022 – stoppte Olaf Scholz die Zertifizierung der beiden neuen Nord-Stream-Pipelines, die seit ihrer Fertigstellung im September 2021 noch nie in Betrieb waren. Im September 2022 folgte der Bombenanschlag auf die vier Nord-Stream-Pipelines. Dabei blieb nur eine der neueren Pipelines intakt. Das begründet einen sofortigen Restwert der Nord Stream 2 AG für ihren neuen Besitzer.

Aber trotz der Vasallentreue von Olaf Scholz könnte Lynch durchaus deutsche Unterstützung für seinen Übernahmeplan bekommen. Das konnte ausgerechnet der Kriegsfalke Roderich Kiesewetter (CDU) der Washington Post mitteilen. Die Ansicht seiner Gegner, dass man es nicht zum totalen Krieg mit Russland kommen lassen sollte, gewinne im Berliner Polit-Establishment derzeit an Boden. Mit Matthias Platzeck und Ronald Pofalla scheinen SPD und CDU einflussreiche Vertreter zu haben, die schon seit einiger Zeit den Weg für verbesserte Beziehungen zu Russland ebnen, neben diplomatischen Eminenzen wie dem ehemaligen Botschafter Rüdiger Freiherr von Fritsch und seiner Beratungsfirma Berlin Global Advisors (vgl. dieses Video aus alten Zeiten, ab Minute 40, oder auch dieses abwägende Interview).

Kurz mal zerdrückte Russland-Lorbeeren aufpolieren?

Ausgerechnet Ronald-„Kann deine Fresse nicht mehr sehen“-Pofalla! Aber gut, er war immer ein subalterner Merkel-Getreuer, warum also nicht auch in Sachen Nord Stream? So lassen sich vielleicht auch die zerdrückten Lorbeeren der Ex-Kanzlerin wieder aufpolieren. Das gleiche gilt mutatis mutandis für Platzeck und seine SPD.

Im vergangenen Winter seien Platzeck und Pofalla teils mehrfach nach Moskau geflogen, so Kiesewetter. Laut der Zeit waren die beiden (ehemaligen) Politiker im Oktober zudem im aserbaidschanischen Baku zu Besuch, wo sie angeblich den früheren russischen Ministerpräsidenten und ehemaligen Gazprom-Aufsichtsratsvorsitzenden Wiktor Subkow trafen. Platzeck sagte natürlich, dass alle seine Reisen reine Privatsache seien. Wer’s glaubt.

Der ehemalige Ministerpräsident in Brandenburg (2002–2013) und SPD-Chef (2005–2006) war von 2010 bis 2013 Vorsitzender der Deutsch-Russischen Freundschaftsgruppe im Bundesrat und von 2014 bis 2022 Vorsitzender der gemeinnützigen Deutsch-Russischen Forums e.V.

Am 25. Februar 2022 trat Platzeck vom Vorsitz des Forums zurück und sagte: „Ich habe mich getäuscht, weil ich das, was jetzt passiert ist, bis vor kurzem noch für undenkbar gehalten habe.“ Man könnte so einen Satz auch als Schuldeingeständnis lesen. Denn Experten wie Platzeck haben natürlich zur allgemeinen Täuschung der deutschen Eliten beigetragen. Auch die Russisch-Sprecherin Angela Merkel müsste unbedingt in diese Kategorie gehören. Jetzt hat sich der Wind vielleicht wieder gedreht und Platzeck könnte sich ausreichend „ent-täuscht“ haben, um wieder am alten Werk – dem „Dialog der Gesellschaften Deutschlands und Russlands“ – fortzuwirken.

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