Erinnern Sie sich noch an das Techtelmechtel zwischen Giorgia Meloni und Elon Musk? Die Bilder, die Italiens Ministerpräsidentin und den Tech-Milliardär in fast intimer Vertrautheit zeigten, sorgten vor einigen Wochen für zahlreiche Internetmemes, die eine Romanze suggerieren sollten. Musk sagte damals: Melonis innere Schönheit übersteige sogar noch ihre äußere Schönheit. Meloni bezeichnete Musk als „kostbares Genie“. Das Meme-Potential auf seiner eigenen Plattform X war so enorm, dass Musk irgendwann eingriff und öffentlich erklärte: „We are not dating“.
Wer bisher die Art und Weise verfolgt hat, wie Meloni agiert und wie sie Allianzen schmiedet, sollte schon damals begriffen haben, dass die Römerin langfristiger denkt als so mancher männlicher Amtskollege. So sehr sich Meloni in vielen Fragen zurückhalten mag, langfristig hat sie bisher ihren Willen bekommen. Etwa beim G7-Gipfel in Apulien, wo sie sich charmant gab und eiskalt Emmanuel Macrons Plan zu einem globalen Abtreibungsrecht durchkreuzte.
Musk soll jetzt ein „Leiter für drastische Reformen“ der neuen US-Regierung werden. Nachdem Meloni schon am Mittwochmorgen kurz nach der Ausrufung Trumps zum Wahlsieger gratulierte, legte sie am Donnerstagmorgen nach. Sie habe mit ihrem „Freund“ Elon Musk telefoniert, und fügte dem X-Post ein Bild an, das womöglich jede Botschaft erübrigt hätte.
„In den letzten Stunden habe ich mit meinem Freund Elon Musk gesprochen. Ich bin davon überzeugt, dass sein Engagement und seine Vision eine wichtige Ressource für die Vereinigten Staaten und Italien im Geiste der Zusammenarbeit darstellen können, die auf die Bewältigung künftiger Herausforderungen abzielt.“
Die neue Generation Musk, Meloni und Milei am Zuge. Nach Musk telefonierte sie mit Trump:
„Heute Abend hatte ich ein Telefongespräch mit dem gewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, um ihm zu seinem Wahlsieg zu gratulieren.
Das Gespräch war eine Gelegenheit, das solide Bündnis, die strategische Partnerschaft und die tiefe und historische Freundschaft zu bestätigen, die Rom und Washington seit jeher verbinden.
Während des Telefongesprächs brachten wir unseren Wunsch zum Ausdruck, in enger Abstimmung an allen wichtigen internationalen Dossiers mit dem gemeinsamen Ziel zu arbeiten, Stabilität und Sicherheit auch im Rahmen der Beziehungen mit der Europäischen Union zu fördern.
Wir bekräftigten unsere Absicht, den Weg der Stärkung der bereits ausgezeichneten bilateralen Beziehungen auf der Grundlage gemeinsamer Werte und Prinzipien fortzusetzen und einigten uns auf die Möglichkeit, in engem Kontakt zu bleiben.“
Während Berlin mit sich selbst hadert und Emmanuel Macron mit einer möglichst schnellen Glückwunschbotschaft aufzutrumpfen suchte, hat Meloni offenbar ihren wichtigen Kontakt zum Tesla-Chef genutzt, um jene „special relationship“ anzustreben, die bisher Großbritannien in Europa besaß. Aber der Ministerpräsident in Großbritannien heißt nicht David Cameron oder Boris Johnson, sondern Keir Starmer und hat seine notorisch linken, amerikakritischen Labour-Kollegen im Nacken. Italien hat dagegen Charme, Schirm und Meloni.
Selbsternannte Italienexperten sprechen häufig von Melonis postfaschistischer Vergangenheit. Selten sagen sie aber, wofür die Vorgängerparteien Alleanza Nazionale (AN) und Movimento Sociale Italiano (MSI) außenpolitisch standen. Giorgio Almirante, einer der führenden Köpfe des MSI, verortete das Vorbild der Postfaschisten in den 1960ern in Israel und den USA. Das waren Nationen, die sich selbst behaupteten. Gemäß Machiavelli galt es überdies, sich mit Gegnern, die überlegen waren, zu verbünden.
Die italienische Rechte steht dabei in einer gewissen außenpolitischen Tradition, denn sowohl die Konservativen wie die Faschisten standen ursprünglich in einem pro-britischen Lager. Nördlich der Alpen ist heute weniger bekannt, dass die italienischen Faschisten Großbritannien eher als möglichen Verbündeten denn als Feind auffassten. Der natürliche Gegner Italiens im Mittelmeer ist die Konkurrenzmacht Frankreich. TE hat in der Vergangenheit das spannungsreiche Verhältnis zu Paris deshalb immer wieder beleuchtet, denn nicht Deutschland, sondern Frankreich gilt als direkter Rivale in der EU. Schon deswegen ist das Mantra, bei Meloni handele es sich um eine „deutschehassende“ Politikerin verfehlt; Deutschland ist für die italienische Rechte stets probates Mittel gegen Frankreich gewesen. Berlins flackernde Ampellichter haben das jedoch selten verstanden.
Das amerikanische hat das britische Empire längst abgelöst, und insofern ist es nur folgerichtig, dass Melonis Fratelli seit Jahren über den Atlantik schielen. Viktor Orbán hat sich mit Donald Trump getroffen, aber Meloni hat über Musk vorgebaut. Wie zuletzt berichtet: Melonis langfristiger Plan ist es, der privilegierte Partner der US-Amerikaner in Europa zu sein, wenn Donald Trump übernimmt.
Anders als Ungarn hat Italien im Ukraine-Krieg eine demonstrativ klare Haltung bezogen und verfügt über einige der wichtigsten US-Stützpunkte in Europa. Dazu gehören nicht nur die bedeutenden Basen in Vicenza und Pisa. Im Friaul verfügt die Air Force mit Aviano über einen Stützpunkt, der mit Atombomben ausgestattet ist. Auf dem Militärflughafen von Ghedi kann die italienische Luftwaffe im Kriegsfall ihre Flugzeuge mit US-Atombomben bestücken. Eines der beiden operativen Hauptkommandos des Allied Command Operations (ACO) der Nato hat seinen Sitz in Neapel. Italien spielt eine militärstrategisch zentrale Rolle bei der Kontrolle des Mittelmeerraums, Afrikas und des Nahen Ostens.
Das sind nur ein paar der „harten Fakten“, die Rom und Washington seit Beginn des Kalten Krieges zusammenschweißen. Das italienische Militär wurde von den Amerikanern über Jahrzehnte massiv aufgerüstet. Als die Bundeswehr 1955 gegründet wurde, verfügte Italien aufgrund der Schlüsselposition im Kalten Krieg und dank US-Hilfe über eine der modernsten und schlagkräftigsten Armeen des Kontinents. Dass ein nicht geringer Teil der Parteileute und Wähler des MSI aus den Reihen des US-freundlichen Militärs und der US-freundlichen Carabinieri kam, sollte daher nicht verwundern. Traditionell sind die Nachfolgeparteien americanophil.
Zu den italienischen Mythen des Kalten Krieges gehört die Gewissheit, dass bei einem Wahlsieg der Kommunisten diese rechten Kräfte geputscht hätten. Wer das für Fantasie hält, sollte sich vor Augen halten, dass genau dieses Szenario in zahlreichen lateinamerikanischen Staaten eingetreten ist. Als Ministerpräsident Giulio Andreotti öffentlich die Existenz einer Nato-Geheimarmee bestätigte, die im Falle einer roten Machtübernahme aktiv geworden wäre, gab es zahlreiche Spekulationen, dass deren Mitglieder aus dem rechtsextremen Spektrum stammten.
Dass Meloni und ihre Partei daher in den Republikanern ihren natürlichen Partner sehen, ist also nicht einmal Donald Trump geschuldet, sondern einer prinzipiellen Ausrichtung. Meloni will Italiens Position in Europa über eine Mittlerrolle stärken. Die europäische Partei EKR, der Meloni vorsteht, gilt als andockfähiger als die anderen beiden Äquivalente, die wegen ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Russlandfreundlichkeit skeptisch beäugt werden. Die EU-Kommission hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie, je nach Lage, mit Meloni zusammenarbeiten kann. Neben Mark Rutte in der Nato wäre dann Meloni die Brückenbauerin.
EKR-Generalsekretär Antonio Giordano sieht daher Meloni als „natürliche Gesprächspartnerin“ für Donald Trump. Giordano regte sogar an, dass Trump sich von der Idee ausgelagerter Bearbeitungszentren für Migranten inspirieren lassen könnte. „Wenn man mich fragt, ob Trump die Migrationspolitik der Regierung beeinflussen wird, glaube ich, dass es genau das Gegenteil sein wird“, so Giordano.
Damit erfüllt die Römerin einen alten Anspruch der italienischen Rechten: nicht über die EU, sondern direkt mit den Großen verhandeln, um den eigenen Status zu verbessern. Silvio Berlusconi hat bekanntlich mit George W. Bush auf Augenhöhe gesprochen, statt über Brüssel zu gehen. Meloni, die einst von Berlusconi zur Jugend- und Sportministerin berufen wurde, hat auch hier gelernt.