Tichys Einblick
The Art of the Deal

Trump und Macron: Waffenstillstand in der Ukraine, aber auf europäische Rechnung

Beim Treffen mit Trump bot Macron europäische Truppen zur Sicherung der Ukraine an. Trump signalisierte Putins Zustimmung – aber die Belastbarkeit der Versprechen bleibt offen. Während die USA profitieren, sollen die Europäer zahlen. Wurde Macron über den Tisch gezogen?

IMAGO / ZUMA Press Wire

Frau Meloni kam zu spät. Eine ganze Stunde ließ sie ihre Amtskollegen in Paris warten, als dort parallel zum russisch-amerikanischen Riad-Treffen der europäische Gipfel zum Ukraine-Krieg tagte. Die Italienerin hatte keine dringlichen Termine in Rom. Dennoch kam sie als Letzte.

Nicht nur damit setzte sie Akzente. Sie kritisierte die von Emmanuel Macron eingesetzte Versammlung, weil sie nicht alle EU-Staaten, auch nicht alle Nato-Staaten des Kontinents, umfasste: Warum Dänemark und Spanien, aber nicht etwa die direkt an Russland grenzenden baltischen Staaten oder Finnland dabei seien, bedürfe einer Erklärung. Unausgesprochen gehörte dazu auch Ungarn, das man aufgrund von Viktor Orbáns Position im Ukraine-Krieg ausgeklammert hatte.

Rom betonte seine Sonderrolle aber auch in anderen Punkten. Meloni stellte klar, dass Italien an der Seite der USA stehe. Außerdem wehrte sie sich dagegen, italienische Truppen in der Ukraine zu stationieren. Wichtiger sei es, dass die Amerikaner die Ukraine garantierten.

Wenige Tage darauf trat Meloni in einer Live-Übertragung bei der Conservative Political Action Conference (CPAC) auf, bei der US-Vizepräsident J.D. Vance erst vor Kurzem seine Kritik an der mangelnden Meinungsfreiheit in Europa bekräftigt hatte. Meloni betonte dabei nicht nur die Bindungen zwischen den USA und Italien, sondern hob auch die Rede von Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz hervor.

Dies sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man die Visite des französischen Staatspräsidenten in Washington betrachtet. Macron inszeniert sich als Vertreter der Europäer, aber in Wirklichkeit ist die Allianz brüchig. In Erinnerung an frühere italienische Seitenwechsel sieht sich Meloni offenbar eher an der Seite von Vance und Donald Trump als an der von Starmer oder Macron. Die Niederlande hat Unterstützung zugesagt, aber Geert Wilders schließt die Entsendung von Truppen aus. Noch-Kanzler Olaf Scholz hatte in Paris betont, es würden keine deutschen Soldaten in die Ukraine entsandt. Auch die ungarische Position ist klar.

Beobachter mögen daher im Auftritt von Vance ein Spaltungsmanöver sehen, um das europäische Konzert auseinanderzutreiben. Parallelen zum Irak-Krieg 2003 werden deutlich. Ob das Modell Paris-Berlin-Moskau, wie es sich damals etablierte, tatsächlich ein Erfolg war, erscheint in der Nachbetrachtung zweifelhaft. Wie in der Ära Bush gibt es nun wieder eine „Koalition der Willigen“, die eher transatlantisch tickt, weil die ideologische Nähe zu Washington größer ist als zu Kontinentaleuropa.

Tatsächlich handelt es sich allerdings eher um eine „Koalition der Unwilligen“, die der europäischen Ambition, den Ukraine-Krieg nicht aufzugeben, mittlerweile mit Ermüdung gegenübersteht. Diese Koalition wächst täglich – nicht nur aufgrund der Kriegslage, sondern auch wegen der innereuropäischen Gräben und eines französisch-britischen Führungsanspruchs. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass es diese beiden Länder sind, die am ehesten darauf pochen, Soldaten in die Ukraine zu schicken. Dass der Interventionismus aus Paris und London auch mit der Kaschierung innenpolitischer Belange zusammenhängen könnte, vermuten mittlerweile nicht nur Experten, sondern auch Wähler.

Nichtsdestotrotz hat Macron Trump im Namen aller Europäer besucht – und ihm das weitreichende Angebot gemacht, dass eben diese Europäer die Ukraine mit Truppen absichern. Diese würden „nicht an die Front gehen, sondern Unterstützung für die Ukraine zeigen“, konkretisierte der französische Staatschef. Kein Kriegseinsatz also, sondern Friedenssicherung nach dem Muster der Blauhelme. „Europa wird sicherstellen, dass an der Front nichts passiert. Das wird kein großes Problem sein. Sobald wir einen Deal haben, wird es keinen Krieg mehr geben.“

Überraschend erklärte Trump daraufhin, dass Wladimir Putin mit einer solchen Idee einverstanden wäre: „Ja, er wird das akzeptieren. Er hat kein Problem damit. Ich habe mit ihm gesprochen. Sehen Sie, wenn wir diesen Deal machen, dann will er keinen Weltkrieg.“ Das ist bemerkenswert, denn eigentlich hieß es bisher, dass Moskau in dieser Zone keine ausländischen Soldaten dulden würde – erst vor drei Tagen hatte der russische Botschafter in Großbritannien einen solchen Vorstoß abgelehnt.

Um die europäische Präsenz abzusichern, sagte Trump zu, dass die USA diese Truppen im Ernstfall schützen würden. „Wir haben die klare Botschaft, dass die USA bereit sind, Solidarität für unseren Ansatz zu leisten“, erklärte Macron und bezog sich auf die Gespräche. „Wenn Russland angreifen würde, wäre es im Konflikt mit uns allen.“ Die Last würden demnach die Europäer tragen.

Fraglich ist, wie viel dieses Versprechen wert ist, denn weder Trump noch ein anderer Regierungsvertreter haben sich in dieser Art und Weise geäußert. Bisher hatten sich die US-Republikaner dagegen gewehrt, Garantien abzugeben. Die Ukraine wird in Washington als vornehmlich europäisches Problem angesehen. Konkrete Aussagen von Trump gab es demnach nicht. Macron hat versucht, mit seiner Interpretation des Gesprächs sich selbst als Friedensvermittler zu inszenieren – wie viel von diesen Zusagen aber übrig bleibt, ist noch völlig ungewiss.

Klar ist, dass der US-Präsident, sollte die Darstellung stimmen, seine Vorstellungen durchgesetzt hat. Nicht die USA müssen die Sicherheit gewährleisten und die „Last“ tragen, sondern die europäischen Staaten. Die kostenintensive Stationierung von US-Soldaten gehört offenbar der Vergangenheit an. Es ist überdies eine deutlich stärkere Gewährleistung des Status quo als etwa die beiden Minsk-Abkommen, die nur auf dem Papier bestanden. Während die USA de facto Reparationszahlungen von der Ukraine einheimsen, unter anderem in Form von Mineralabkommen, darf sich die europäische Allianz um die Drecksarbeit kümmern. Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht verwunderlich, dass ein möglicher Waffenstillstand in greifbare Nähe rückt: Die USA profitieren, Russland profitiert – und die Europäer, inklusive Ukraine, zahlen die Zeche.

Wie Macron diesen „Deal“ noch an die unwilligen Mit-Europäer kommunizieren will, bleibt dabei völlig offen. Weder Deutschland noch Italien oder Ungarn hat ihn zum Sprachrohr bestellt. Fast könnte man meinen: Statt eines eigenen Sitzes am Verhandlungstisch hat Trump seinen französischen Verhandlungspartner über den Tisch gezogen. Womöglich hätte man besser Giorgia geschickt.

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