All-in? Nein, nicht all-in. Aber eine deutliche Erhöhung des Einsatzes war es allemal, als Donald Trump im Vorfeld seiner Amtseinführung nicht nur Kanada als 51. Bundesstaat, sondern nun auch Grönland als unverzichtbar für die nationalen Sicherheitsinteressen bezeichnete und eine Rücknahme der Kontrolle über den Panamakanal in den Raum stellte. Gezielte Schüsse vor den Bug Russlands und Chinas in Vorbereitung der global heiß erwarteten Verhandlungen um einen Frieden in der Ukraine.
Streng genommen könnte man sogar einen Schritt weiter gehen und behaupten, dass die Friedensverhandlungen um die Ukraine bereits mit der Wahl von Donald Trump eingesetzt haben. Auf das Säbelrasseln der USA, die kurz nach der Wahl noch einmal massiv Waffen lieferten, folgte die Antwort Russlands mit dem Einsatz neuartiger Raketen. Nach dem Sturz Assads versendete Donald Trump eine öffentliche Nachricht, in der er Russland davon abriet, sich in Syrien einzumischen, da Russland ja ohnehin schon in der Ukraine gebunden sei. Der Vorschlag war deutlich: Wollt ihr die Ostukraine, dann gebt den Mittleren Osten auf. Dafür sprechen auch die zahlreichen Brandherde im Kaukasus wie die Krise in Georgien.
Strategisch nicht ungeschickt wird auch China in dieses Spiel involviert, denn die erhobenen Ansprüche auf den Panamakanal sind ein weiteres Zeichen in Richtung Chinas, dass die Verhältnisse global neu ausgehandelt werden sollen. Es wird abzuwarten sein, was der Drache seinerseits an Erwartungen ins Spiel bringt. Der offensichtlichste Wunsch könnte Taiwan sein, doch ob China dies in dieser Direktheit tut, bleibt abzuwarten, zumal die USA in dieser Frage sich bequem auf die Zuschauerrolle zurückziehen und einen etwaigen Konflikt den Japanern überlassen könnten, die in den letzten Jahren massiv aufgerüstet haben und – ob gerechtfertigt oder nicht – den Anspruch erheben, in der Region ein Gegengewicht zu China darzustellen. Um in der mittlerweile auch in Washington allgegenwärtigen Tech-Sprache zu verbleiben: Stellvertreterkrieg 2.0.
Play hard
Doch Donald Trump, der einst schon „The Art of the Deal“ schrieb, beherzigt seine eigenen Regeln auch auf dem Parkett der internationalen Politik. Mit harten und selbstbewussten Forderungen setzt er den Ton, aus einer Position der Stärke erhofft er sich bessere Resultate. Das wird mit Sicherheit auch in Peking und Moskau registriert, doch sowohl Russland als auch China bevorzugen stillere Methoden der Diplomatie und halten sich bedeckt.
Wenig Raum gibt es in all dem für die vermeintlichen Ansprüche der betroffenen Länder. Vor allem Grönland und Panama dürften wohl kaum damit rechnen, dass man sich um ihre Meinung in diesen Fragen allzu sehr scheren wird. Selbst Dänemark, zu dem Grönland bislang gehört, hat wohlweislich erkannt, dass empörtes Gepolter über die Forderungen Trumps keineswegs der eigenen Verhandlungsposition dienlich ist.
So verhält es sich auch mit der neuen Tonart in der Geopolitik, die womöglich als „neue Ehrlichkeit“ bezeichnet werden könnte. Nicht, dass der scheinbar polternde Stil von Trumps Tweets tatsächlich so spontan und ungeschminkt ist, wie es den Anschein haben soll – das Gegenteil wurde bereits eindrücklich in der Dokumentation zu Trumps Wahlkampf von Tucker Carlson gezeigt. Nein, denn hinter dem scheinbaren Populismus und patzigen Tweets steckt eine beinharte Realpolitik, die allerdings ehrlicher auftritt, als man es im demokratischen Wohlstandskonsens der Nachkriegszeit gewohnt war, als der zivilisatorische Anstrich die tatsächlichen Vorgänge mit einem Anstrich von Teilhabe und Mitbestimmung der Bevölkerung übertünchte.
Nicht unbedingt demokratischer, aber ehrlicher
Was dieser Tage mit beeindruckender Klarheit zu Vorschein tritt, ist eine neue Art unverblümter Machtpolitik, die direkter, klarer und somit auch ehrlicher ist, als man es in den letzten Jahren und Jahrzehnten gewohnt war. Und man darf Trump und seinem außenpolitischen Provocateur Elon Musk dazu gratulieren, dass sie mit ihrer Unverfrorenheit womöglich tatsächlich sowohl Russland als auch China ein wenig vor den Kopf gestoßen haben. Doch ob sie mit diesem zeitweisen Vorteil tatsächlich siegreich aus den Verhandlungen aussteigen werden, wird sich weisen. Nur wer töricht ist, glaubt, dass Russland und China nicht auch noch das eine oder andere Ass im Ärmel haben. Oder dass man mit halbgarem Moralismus im SPD-Jargon auch nur ein Zünglein an der Waage der Weltpolitik sein könnte.
Weder Moskau noch Peking werden passen. Zu stark sind sie in diesem Spiel bereits involviert. Wenn alle ihre Karten auf den Tisch legen, dürfte womöglich sogar niemand den ganzen Pott gewinnen. Auch ein Donald Trump wird wohl kaum Kanada, Grönland und Panama für sich gewinnen können, ohne massive Konzessionen andernorts. Aber wenn alle Beteiligten ihr Gesicht wahren und einen Teil ihrer Forderungen durchsetzen können, wäre schon viel gewonnen. Für alle Beteiligten. Also außer für all jene, die keine Lust haben, in Zukunft einem anderen Herrn zu dienen. Aber wann hat das in der Geschichte jemals jemanden gestört?