„Wir haben uns alle mit einer zweiten Trump-Präsidentschaft abgefunden.“ So lässt sich am Sonntag ein wichtiger Kongressabgeordneter der Democrats vom Nachrichtenportal „Axios“ zitieren. Was resigniert klingen mag, ist nüchterner politischer Realismus.
Nach dem nur um Millimeter fehlgeschlagenen Mordversuch ist Donald Trump der – schon vorher wahrscheinliche – Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen im November praktisch sicher. Der Milliardär könnte seinen Wahlkampf quasi einstellen. Womöglich wäre das sogar das Klügste – denn das würde verhindern, dass er sich durch eigene Fehler womöglich doch noch selbst um die zweite Amtszeit im Weißen Haus bringt.
Eine ganze Armee an massenpsychologischen Effekten spricht jetzt eindeutig für Trump. Dagegen kommt selbst die beachtliche Gegenmacht der vielen links-woken US-Medien nicht an. Das wissen auch die Machttaktiker bei der Demokratischen Partei, und so rüttelt sich in Washington gerade einiges zurecht. Die Prognose sei gewagt:
Joe Biden bleibt Kandidat der Demokraten. Denn für seine innerparteilichen Konkurrenten und auch für die Partei selbst hat das jetzt nur noch Vorteile.
Politiker sind berufsmäßige Interessenvertreter. Entgegen der landläufigen Meinung vertreten sie nicht vorrangig die Interessen anderer, schon gar nicht die der Allgemeinheit – sondern ihre eigenen, und zwar fast ausschließlich. Das ist keine Wertung, sondern eine Feststellung.
Politische Profis begeben sich deshalb in keinen Kampf, bei dem sie nichts gewinnen können. Man kann kurzfristig etwas gewinnen, zum Beispiel ein Amt. Doch die Präsidentschaftswahl gegen Donald Trump zu erringen: Dafür stehen die Chancen derzeit denkbar schlecht. Wer jetzt auf den letzten Metern des Wahlkampfes Joe Biden als Kandidat verdrängt, betreibt den Aufwand für eine fast sichere Niederlage.
Das tut man nur dann, wenn man unter Zeitdruck steht und nicht warten kann. Keiner der potenziellen Alternativkandidaten zu Joe Biden ist aber schon so alt, dass die Wahl jetzt im November absehbar die letzte Chance wäre, ins Weiße Haus zu kommen. Wer selbst noch nicht, sagen wir: 70 ist, der kann es locker auch erst in vier Jahren probieren – dann übrigens mit Sicherheit gegen einen weniger populären Republican als Donald Trump, denn dem (falls er jetzt gewinnt) verbietet der 22. Zusatz zur US-Verfassung, 2028 noch einmal anzutreten.
Natürlich kann man durch eine Kandidatur auch kurzfristig verlieren, aber langfristig etwas gewinnen. Nicht wenige Berufspolitiker versuchen vor allem in jüngeren Jahren durch eine im Prinzip aussichtslose Kandidatur, sich mittels der damit verbundenen öffentlichen Aufmerksamkeit überhaupt erst so richtig bekannt zu machen.
Doch in unserem konkreten Fall würde sich jeder Kandidat nur als derjenige ins Gedächtnis einprägen, der gegen Donald Trump verloren hat. Verantwortlich dafür gewesen zu sein, dass die größte Hassfigur der Democrats das Land weitere vier Jahre regieren konnte: Das ist nicht der Erinnerungswert, den man haben will, wenn man in vier Jahren von den Democrats als Präsidentschaftskandidat aufgestellt werden möchte. Die Dems werden also große Schwierigkeiten haben, überhaupt noch irgendjemanden zu finden, der für Joe Biden einspringen will.
Und auch für das Partei-Establishment selbst hat das Festhalten an Biden jetzt, im Angesicht der absehbaren Niederlage gegen Trump, nur Vorteile. Denn so kann man alle Schuld auf den 81-jährigen Greis im höchsten Staatsamt der USA abwälzen. Hat nicht Joe selbst – mit seinen zunehmend senilen Auftritten und den peinlichen öffentlichen Ausfällen – den eigenen Wahlkampf am schlimmsten sabotiert? War nicht sein von Altersstarrsinn geprägtes Beharren auf die Kandidatur das größte Hindernis, um das Weiße Haus zu verteidigen? Die Demokratische Partei hat alles gegeben, so wird es heißen, aber die Fehler des Präsidenten waren einfach nicht auszubügeln.
So wird es der Parteiführung gelingen, davon abzulenken, dass die Politik der Dems die Wähler Trump zugetrieben hat. Mit dem Generalschuldigen Biden können hinterher alle ihre eigenen Hände in Unschuld waschen. Natürlich wird das niemand öffentlich so sagen. Aber genau so wird es kommen. Die Democrats haken diese Wahl ab, gehen in einen längeren politischen Winterschlaf und probieren es halt in vier Jahren wieder.
Ich biete Ihnen, werte Leser, eine Wette an: Wenn Joe Biden nicht Präsidentschaftskandidat der Demokraten bleibt, dann werde ich den Satz „… aber natürlich könnte ich mich auch irren“ in jedem meiner nächsten zehn Texte unterbringen. Und zwar sinnvoll. Das wäre gar nicht so leicht, glauben Sie mir.
Halte durch, Joe.