Tichys Einblick
760 Soldaten, 834 Zivilisten getötet

Die Terrortunnel Gazas reichen bis nach Berlin

Das jüdische Volk musste in jeder Generation seit dem Auszug aus Ägypten vor 3.200 Jahren ums Überleben kämpfen. Warum sollte es in Israel mit fast 10 Millionen Bürgern, einer starken Armee und Wirtschaft hoffnungslos sein? Seine Feinde sollten sich nicht zu früh freuen.

Israelische Botschaft in Berlin, Aufnahme vom 27.03.2023

IMAGO / Rolf Kremming

Israel gedenkt am Sonntag seiner ermordeten und im Verteidigungskrieg gefallenen Soldaten und Zivilisten seit April 2023: 760 in Uniform, 834 Zivilisten, die meisten davon am 7. und 8. Oktober, als Terroristen der Hamas und des Islamic Jihad mit Unterstützung des Iran und Katars, mitfinanziert von den Vereinten Nationen und der Europäischen Union über den Süden Israels herfielen. 129 Geiseln – viele davon höchstwahrscheinlich tot – befinden sich noch immer in den Händen der Terroristen. Von den Tausenden Verletzten, die fürs Leben gezeichnet, eine Bürde für das ganze Land sind, redet fast niemand. Auf der Anklagebank weltweit sitzen aber nicht die Täter. Die Opfer müssen sich zusätzlich zu ihrer Trauer nach allen Seiten verteidigen. Es wird immer klarer: Die Terrortunnels in Gaza reichen bis nach Berlin, New York und London.

Mit Greta für Gaza:
Aufmärsche von Israelhassern vorm Eurovision Song Contest in Malmö
Der Gipfel der Dreistigkeit: Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag droht Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und weiteren Regierungsmitgliedern sowie Offizieren der Israelischen Verteidigungs-Armee mit Haftbefehlen. Das würde bedeuten, dass der einzig demokratisch gewählte Regierungschef im Nahen Osten außer in die USA in kein anderes Land mehr reisen könnte, ohne Gefahr zu laufen, in Handschellen abgeführt zu werden. Der ICC kommt nicht auf die Idee, den Iran, Libanon, Jemen oder Katar, ausgewiesene Terror-Unterstützer, anzuklagen.

Die kultivierte Umgangssprache reicht nicht mehr aus, diese Vorgänge gebührend verbal einzuordnen. Beginnen wir mit einem Versuch, die Schandtaten in den Tempeln der Kunst, in den Hochschulen von Berlin bis Sidney aufzuzählen. Wer geglaubt hat, dass der 24. Februar 2024 in Berlin ein Einzelfall war, muss inzwischen dazulernen. Bei der Berlinale wurde der Dokumentarfilm No Other Land mit dem Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet. Er behandelt die angebliche Vertreibung von Palästinensern im Westjordanland. Der palästinensische Co-Regisseur, Bas-El Adra, meinte in seiner Dankesrede: „Es ist für mich sehr schwer zu feiern, wenn Zehntausende meines Volkes in Gaza gerade durch Israel abgeschlachtet werden.“

Der israelische Co-Regisseur Yuval Abraham warf Israel vor, ein „Apartheidstaat zu sein“. Dies wurde vom Saalpublikum, darunter die Kulturstaatsministerin Claudia Roth und der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), mit Applaus belohnt. Erst am Tag danach kamen ihm Bedenken und er forderte Maßnahmen, um „Relativierungen in Bezug auf Israel“ künftig zu verhindern. Claudia Roth brauchte etwas länger, bis sie die Preisverleihung als „missglückt und zum Teil unerträglich“ einordnete. Eine Verurteilung des Terrorangriffs vom 7. Oktober auf Israel war nicht zu vernehmen. Niemandem fiel das Naheliegende ein, die Freilassung der Geiseln in Gaza zu fordern.

Künstlerische Veranstaltungen mit israelischer Beteiligung werden immer seltener, sind dann aber hochgefährdet. Immerhin, in dieser Woche sang die israelische Künstlerin Eden Golan erfolgreich beim Eurovision Song Contest (ESC) in Malmö. Sie hat es überraschend in die Endrunde geschafft. Bevor sie schwedischen Boden betrat, mussten israelische Sicherheitskräfte das Terrain sichern. Fällt irgendjemandem etwas auf, wundert sich irgendjemand?

Linke Zeitgeist-Party
Die Berlinale im woken Antisemitismus-Sumpf
Demnächst findet das jährliche Filmfestival in Cannes statt. Natürlich wird kein israelischer Film gezeigt. Die Filmkunst aus Jerusalem und Tel Aviv war sonst immer würdig und preisverdächtig vertreten. Man darf gespannt sein, wie die Dokumentation der Französin Yolande Zauberman über palästinensische Transsexuelle, die aus Gaza nach Tel Aviv fliehen, ankommt. Sie flüchten aus Gaza, weil sie sich in der demokratischen Multi-Kulti-Gesellschaft Israels frei und ungestört bewegen können. In Gaza erwarten sie Folter und Tod.

Schon im November 2023 besetzten beim Dokumentarfilmfestival in Amsterdam Pro-Palästina-Aktivisten die Bühne und posaunten ihre Botschaft hinaus: „From the river to the sea, Palestine will be free“. Der Festivalleiter lobte den Protest, der nichts anderes als ein judenreines „Palästina“ bedeutet, ungestraft. Wenige Tage später gab es beim Stockholm-Filmfestival Aufregung um die israelische Filmemacherin Aleeza Chanovitz, die offenbar mit einer fadenscheinigen Begründung wieder ausgeladen wurde. Die Organisatoren entschuldigten sich, aber Israel blieb draußen.

Wer sich heute im Kunst- und im Hochschulbereich nicht deutlich pro-palästinensisch artikuliert, dem droht Ärger und Ausgrenzung, manchmal auch Gewalt. Hundertschaften an Polizeikräften auf dem Campus gehören inzwischen zum Alltag. Lars Henrik Gass von den Kurzfilmtagen Oberhausen drückte nach dem 7. Oktober seine Solidarität mit Israel aus – und sah sich einem Boykottaufruf von weit über 2.000 Filmschaffenden ausgesetzt.

Billigung von studentischem Aktivismus
Antisemitismus an US-Universitäten
An den Universitäten von Sidney über Berlin bis New York ist der Endkampf gegen Israel und Juden ungeniert ausgebrochen. Nach dem Sechstagekrieg 1967 kündigte die Welt der organisierten Kunst und die westlichen Universitäten zumeist angeführt von Politologen und Soziologen dem Judenstaat die Freundschaft auf. Nach dem 7. Oktober 2023 kennt die offene Wut keine Grenzen mehr. Seither findet fast ohne Unterbrechung eine „Reichskristallnacht“ gegen Israel statt. Es werden zwar keine Geschäfte geplündert und es brennen keine Synagogen, denn es geht zentral gegen Zionisten und Israel-Synonyme für Antisemitismus – mit dem Ziel, den Staat auszulöschen.

Unterfüttert wird die Stimmung weltweit durch die sogenannten Vereinten Nationen, die vor allem in einem Punkt vereint sind: wenn es gegen Israel geht. In den neun Vollversammlungen seit dem 7. Oktober gab es nicht eine einzige Verurteilung des Hamas-Massakers, kein Land forderte die Freilassung der Geiseln. Demgegenüber gibt es klare Mehrheiten, wenn es um einen „Palästinensischen Staat“ geht, quasi als Belohnung für den Terror der Hamas. Die Europäische Union liefert kein wesentlich besseres Bild.

Das antisemitische Narrativ verbreitet sich durch die Colleges und Universitäten der USA und der westlichen Welt. Quantität schlägt Qualität in einem Ausmaß, dass selbst der aktuelle Präsident der USA glaubt, seine Wiederwahl im November retten zu können, wenn er den für Israel dringend notwendigen und zugesagten Bombennachschub verweigert. Hat es die USA und die anderen Alliierten beim Bombenabwurf 1944/45 gekümmert, was aus der Zivilbevölkerung Deutschlands wird? Alle Toten des Zweiten Weltkriegs sind NS-Deutschland angerechnet worden. Niemand würde auch heute noch ernsthaft öffentlich daran zweifeln. Warum wird die Hamas geschont?

Israel- und Judenhass in Deutschland
Angriff auf Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft – Zahl der antisemitischen Straftaten steigt weiter
Was hat sich in den 80 Jahren seither verändert? Nichts. Nur Israel wird das Recht auf Selbstverteidigung zwar in Sonntagsreden zugesichert, aber wenn es das Recht ausübt, muss Jerusalem die Gesamtverantwortung für alle möglichen Opfer übernehmen. Damit ist Israels Überleben gefährdet und es bleibt niemand mehr, den Netanyahu um Hilfe bitten oder gar mit Unterstützung rechnen könnte. Lindsey Graham, republikanischer US-Senator aus South Carolina, hat es aktuell auf den Punkt gebracht: „Israel den Nachschub zu verweigern, ist obszön und absurd.“

In dieser diffusen Gesamtlage gibt es aber auch eine gute Nachricht. Traditionsgemäß beginnt mit dem Ausklingen des Gedenktages für die Gefallenen und Ermordeten der Feiertag zum 76. Wiedergründungstag Israels, Yom Hatzma’uth. Die Stimmung ist gedrückt, große Feste sind abgesagt, aber in den Ballungszentren strahlen Lichterketten und es wehen weiß-blaue Fahnen. Das jüdische Volk musste in jeder Generation seit dem Auszug aus Ägypten vor 3.200 Jahren ums Überleben kämpfen. Und es hat stets überlebt, von den Pharaonen bis NS-Deutschland.

Auch wenn die Lage heute vermeintlich ausweglos erscheint, das Meer teilte sich immer wieder und kreierte Zukunft. Warum sollte es in einer Zeit, in der Juden wie noch nie zuvor ein eigenes Land mit fast 10 Millionen Bürgern besitzen, über eine starke, motivierte Armee verfügen und die Wirtschaft gut läuft, hoffnungslos sein? Seine Feinde sollten sich jedenfalls nicht zu früh freuen.

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