Tichys Einblick
Tesla für Anschlag in Las Vegas genutzt

Täter von New Orleans war IS-Anhänger – Trump sieht Bestätigung für importierten Terror

In New Orleans richtete ein Terrorist ein Blutbad an. In Las Vegas explodierte eine Sprengladung in einem Tesla vor dem Trump-Hotel. US-Dienste ermitteln zu einem möglichen Zusammenhang. Donald Trump sieht sich zumindest zum Teil bestätigt: Das French Quarter wurde von einem IS-Anhänger angegriffen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | George Walker IV

Es ist, als ob ein stürmischer Wind durch die Gassen unserer Welt fegt, als ob man sich nicht mehr friedlich zum Feiern versammeln könnte. Überall, wo das geschieht, scheint dieses Zusammentreffen von Feiernden heute unter Beschuss zu kommen, sei es auf Weihnachtsmärkten oder Silvesterfeiern, durch Angriffe mit verschiedenen Waffen, Messerangriffe, aber auch solche mit zur Waffe gewordenen Fahrzeugen. Ein fremdes Ritual scheint in die abendländischen Festivitäten zum Jahresende hineinzuragen. Oder ist das eine gnadenlose Überbewertung? Ist es vielleicht nur das Chaos selbst, das hier an die Tür klopft?

Die Attacke mit einem Pick-up-Wagen im French Quarter von New Orleans wird als terroristischer Akt bewertet. Aber die Polizeichefin von New Orleans, Anne Kirkpatrick, ging noch weiter, indem sie sagte: „Das ist nicht einfach ein Terror-Akt. Das ist böse.“ Dabei ist es ja gerade die Absicht eines Terroristen, etwas abgrundtief Böses zu tun. Insofern trägt die Unterscheidung nicht wirklich. Gemeint sein kann nur, dass dieses Geschehen andere Terrorakte übertrifft, was die blutige Effizienz angeht. FBI-Sonderagentin Alethea Duncan hatte zunächst gesagt, es handle sich nicht um ein „Terror-Geschehen“.

Klar wird: In den USA hat man Ähnliches länger nicht gesehen. Kirkpatrick riet den Bewohner und Besuchern dann auch, sich nicht allzu sehr von der Tat beeindrucken zu lassen und ihren Aufenthalt auch weiter „zu genießen“. Nur von der Bourbon Street sollten sie sich tunlichst fernhalten. Am Neujahrstag sollte in New Orleans im Anschluss an die Silvesterfeierlichkeiten der „Sugar Bowl“ stattfinden, der auf den Donnerstag verschoben wurde. Ein „tragischer Zwischenfall“ ohne größere Bedeutung, nichts weiter? Dabei hatte die Polizei in diesem Moment schon die IS-Fahne auf dem Pick-up gefunden, die zwar verkehrt herum aufgezäumt war, aber dennoch ein eindeutiges Zeichen der Überzeugungen des Täters.

Zwei geliehene Wagen, zwei Veteranen

Dieser Täter, den man an der Stelle nicht weglassen kann, wurde vom FBI als Shamsud-Din Jabbar identifiziert, ein 42-jähriger US-Bürger aus Texas, wie man sogleich erfuhr. Allerdings fügte die FBI-Sonderagentin Alethea Duncan hinzu, dass die Ermittler nicht glauben, dass Jabbar alleine für seine Tat verantwortlich war. Bald wurden auch Mittäter präsentiert: Drei Männer und eine Frau hätten eines der explosiven Objekte auf der Ladefläche des gemieteten Pick-ups installiert. Die Sprengkörper, zwei in Kühlboxen versteckte Rohrbomben, kamen am Ende nicht zum Einsatz. Auch an anderen Orten nahe dem Anschlag, also ebenfalls im Amüsierviertel French Quarter, wurden laut FBI mehrere mutmaßliche Bomben gefunden, wie das federführend ermittelnde FBI mitteilte.

Am Dienstagabend hatte Jabbar einige Videos auf sein Facebook-Profil hochgeladen, in denen er sich dem IS quasi offiziell anschloss. Als er kurz nach drei Uhr nachts (CST) durch die Bourbon Street in New Orleans raste, tötete er mindestens 15 Personen und verletzte dutzende weitere. „Verstümmelte Opfer, blutige Körper und Fußgänger, die sich in Sicherheit bringen“ – das war der Anblick laut Augenzeugen. „Körper, Körper auf der ganzen Straße, alle schreien und brüllen“, beschreibt das der Freund eines der Todesopfer (Nikyra Dedeaux). Auch eine 27-jährige Mutter und Deli-Besitzerin (Nicole Perez) ist laut Medienberichten unter den Opfern. In US-Medien findet man diese Einzelschicksale leicht, die in Deutschland meist verschwinden. Jedes Land hat offenbar seine Art, auch mit dem Terror umzugehen.

Das Merkwürdige ist nun die Beinahe-Gleichzeitigkeit des anderen – weitgehend erfolglosen – Anschlags in Las Vegas, wo die explosive Ladung eines Tesla-Cybertruck (ebenfalls eine Pick-up-Variante) ausgerechnet vor einem Hotel in die Luft ging, das Donald Trump gehört. Kann das Zufall sein, die Namen der beiden derzeit bedeutendsten Männer Amerikas (Trump und Musk), geeint rund um so eine Terrorattacke? US-Journalisten sprechen von einer „bizarren Symbolik“. In der Tat darf man fragen, ob das vielleicht eine Botschaft an die kommende Regierung der USA sein soll, zu der in sehr verschiedenen Rollen genau Trump und Musk beitragen werden. War es ein symbolisches Attentat auf die beiden Männer, dem weitere reale folgen könnten? All diese Fragen werden nun in den Köpfen um Trump und Musk herumschwirren und allein dadurch das Klima der kommenden Präsidentschaft mitprägen.

Außerdem stellte sich bald heraus, dass beide Attentate mit geliehenen Pick-ups unternommen wurden (in New Orleans mit einem Modell von Ford), ausgeliehen beim selben Turo-Dienst, der Vermietungen von privat ermöglicht. Zudem, noch merkwürdiger, haben die beiden Hauptattentäter laut ABC und anderen Medien auf derselben Militärbasis gedient.

Biden lässt „Hass und Hetze“ weg

Denn ja, Jabbar ist ein Armeeveteran. Er diente von 2009 bis 2010 in Afghanistan, wenn auch nicht im Kampfeinsatz, sondern als Informatiker. 2015 wurde er aus dem aktiven Dienst im Range eines Staff Sergeant (deutsch etwa Feldwebel oder Oberfeldwebel) entlassen. Früher soll Jabbar „ruhig, zurückhaltend und wirklich klug“ gewesen sein. Nach seiner Entlassung hatte er sich „tief in seinem muslimischen Glauben engagiert“ und postete gelegentlich darüber. Sein Mitschüler wundert sich über die 180-Grad-Wende, die dieses Attentat für ihn bedeutet. Auch für seine 70-jährige ehemalige Ex-Nachbarin war Jabbar freilich „kein Terrorist“. Aber er hatte im zivilen Leben Anpassungsprobleme, wie die New York Times ausbreitet, auch wenn er laut Washington Post bei der Beratungsfirma Deloitte anheuern konnte, außerdem Immobilien verkaufte. Und natürlich war er angeblich auch zum Waffennarr geworden. Als er sein Auto verließ, feuerte er auf die Polizisten, die das Feuer erwiderten: „Der Täter verstarb noch am Tatort.“ Und immer wieder halten die US-Medien den Satz fest: „Die Behörden glauben nicht, dass Jabbar den Truck-Amoklauf allein begangen hat.“

Der mutmaßliche Täter von Las Vegas heißt Matthew Livelsberger und soll den Tesla-Pick-up in Colorado Springs gemietet haben, etwa 800 Fahrkilometer von Las Vegas entfernt. Er füllte den Pick-up mit Feuerwerkskörpern und Benzinkanistern und brachte die Mischung am Mittwochmorgen direkt vor dem Eingang des „Trump International Hotel“ zur Explosion. Bei dem Anschlag passierte aber tatsächlich kaum etwas: Auch hier kam der Fahrer ums Leben, einige Passanten wurden verletzt. Die Sicherheitseinschätzung führte dennoch dazu, dass das Hotel evakuiert wurde und die Polizei nach weiteren Sprengsätzen suchte. Die Außenstruktur des Tesla-Minitrucks blieb fast unversehrt, ebenso die Glasfenster des Hotels in vielleicht zwei Meter Abstand. Elon Musk schrieb auf X, der Täter habe sich offenbar den falschen Wagen für seinen Anschlag ausgesucht.

Zur Stunde lässt sich kaum etwas darüber sagen, ob die beiden Attentate wirklich zusammenhängen. Der amtierende Präsident Joe Biden sagte in einem Statement von Camp David aus, dass die Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden natürlich auch zu dieser Frage ermitteln. Daneben habe er „mein Team angewiesen, dafür zu sorgen, dass den Strafverfolgungsbehörden auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene alle Ressourcen zur Verfügung stehen, um die Ermittlungen in New Orleans schnell abzuschließen und sicherzustellen, dass es keine weitere Bedrohung für das amerikanische Volk gibt“. Das sind die US-Textbausteine zu einem Attentat, das auch Bidens Dienste nicht verhindert haben. Sie wirken aber doch etwas tatkräftiger als das, was hierzulande in solchen Momenten gesagt wird. Vor allem fällt auf, dass Biden jeden Hinweis auf „Hass und Hetze“ einfach wegließ.

Trump sieht sich bestätigt

Sein Nachfolger Donald Trump sah sich seinerseits bestätigt in seinen Warnungen vor importierter Kriminalität. Auf Truth Social schrieb er: „Als ich sagte, dass die Kriminellen, die ins Land kommen, weitaus schlimmer sind als die Kriminellen, die wir in unserem Land haben, wurde diese Aussage von Demokraten und von den Fake-News-Medien beständig zurückgewiesen, aber sie hat sich als wahr herausgestellt. Unsere Herzen sind bei allen unschuldigen Opfern und ihren Angehörigen.“

Auch diese spontane Einschätzung Trumps wurde in deutschen Medien umgehend kritisiert. So feixte die Moderatorin des arte-Journals vom Mittwochabend quasi live, auch Trump wisse ja gar nicht, dass oder ob es sich um einen Täter mit Migrationshintergrund handelt. Doch am Ende der Sendung musste sie es selbst in die Kamera sagen: Der Täter habe zwar die amerikanische Staatsbürgerschaft, aber eine IS-Flagge dabeigehabt. So schnell kann sich eine erneute Trump-Prophetie bewahrheiten. Dabei reichte dem wachen Beobachter der Zeitläufte, der Trump ist, vielleicht sogar der äußere Anschein der Tat. Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass er von den ermittelnden Diensten umgehend mit exklusiven Informationen versorgt wurde.

Sicher ist, eine weitere Variante der öffentlichen Unsicherheit ist damit auch in den USA angekommen: „Wie sich das Epizentrum des Feierns in New Orleans in einen Ort des Grauens verwandelte“, titelt die Washington Post. Die Botschaft dieser Tat im IS-Stil – oder sollte man sagen im Stil von Magdeburg und Breitscheidplatz? – scheint zu sein, dass sich Amerikaner und Europäer nicht mehr friedlich und freudig versammeln sollen. Insofern hatte die Polizeichefin der Stadt Recht, dass sich davon im Grunde keiner beeindrucken lassen sollte. Und auch in New Orleans waren es kleinere Mängel an den Schutzbarrieren rund um eine Fußgängerzone, die das Attentat ermöglichten. Doch die eigentliche Gefahr liegt nicht im Fehlen der Barrieren. Zu der Erkenntnis werden vermutlich auch die freiheitsliebenden US-Bürger kommen. Und man könnte nun im Stil der Grimm-Fabel vom Hasen und Igel anfügen: „Ick bün all hier.“ Trump ist schon da.

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