Nach seiner Rückkehr aus Dänemark kamen neue Fragen auf den österreichischen Innenminister Karl Nehammer zu. Im Ö1 Morgenjournal wurde er zum geplanten Wiener Westbalkangipfel befragt. In diesem Gesprächsformat versucht die Regierung von Sebastian Kurz, die illegale Migration Richtung Österreich zu verhindern und Rückführungen zu erleichtern. Gesprochen wird dabei mit Serbien, dem Kosovo, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien und Albanien.
Dabei will der ÖVP-Minister möglichst weitgehend dem dänischen Modell folgen und »Menschen, die keine Bleibeberechtigung haben«, zurückführen. In Kopenhagen hat er die kargen Wohnunterkünfte der abzuschiebenden Migranten gesehen – sie sind aber nur eines der Argumente der dänischen Regierung für eine Rückreise. Daneben gibt es (laut Auskunft des dänischen Ausländerministeriums) großzügige Erstattungen für Reise- und Transportkosten, den Erwerb neuer Ausstattung und die berufliche Etablierung im Heimatland, Kosten für medizinische Behandlung, Impfkosten in Dänemark, Kosten für die Beschulung von Kindern, für die Ausstellung neuer Papiere usw. Einige Erstattungen werden dabei in zwei Teilen ausgezahlt, der zweite Teil erst zwölf Monate nach der Rückkehr.
Dänemark will so unter anderem syrische Migranten zur Rückreise motivieren. Das Wort Syrien fiel auch im österreichischen Radio. Bei der Entscheidung, ob und welche Regionen Syriens inzwischen sicher sind, will Nehammer den Richtlinien der EU-Asylagentur folgen. Doch was besagen die eigentlich? Und was meinen andere europäische Regierungen zu dieser Frage?
Schwedische Migrationsbehörde: Damaskus ist sichere Alternative
Mindestens ebenso interessant ist, was der schwedische Syrien-Bericht zur Hauptstadt Damaskus schreibt. Diese könne »in begründeten Ausnahmefällen eine angemessene innerstaatliche Fluchtalternative für diejenigen sein, die über ausreichend günstige soziale und wirtschaftliche Bedingungen verfügen, z.B. durch ein ausreichend sozial verankertes und wirtschaftlich stabiles Netzwerk«. Mit anderen Worten: Syrern, die in Damaskus Familie oder Freunde haben, droht dort kein schlimmes Schicksal. Zum ersten Mal war von dieser relativen Sicherheit der Hauptstadtregion im Bericht von 2019 die Rede.
Auch in Schweden gibt es daher eine Diskussion um die Entziehung des Aufenthaltsstatus von Syrern. Unbestätigte Berichte aus dem Land sprechen davon, dass »Syrern aus dem Raum Damaskus in erster Instanz Asyl verweigert« worden sei. Die schwedische Einwanderungsbehörde teilte TE auf Nachfrage mit, dass antragstellende Syrer seit November 2020 in Einzel- und Ausnahmefällen auf »inländische Fluchtalternativen« verwiesen werden. Und diese Alternative bildet laut dem schwedischen Länderbericht eben der Raum Damaskus. Immerhin, hier scheint ein Türchen auf zu gehen für eine sinnvolle Bewertung des Landes Syrien.
Ähnliche Überlegungen zur Sicherheit Syriens gibt es angeblich in Norwegen und Belgien. Der belgische Generalkommissar für Flüchtlinge, Damien Dermaux, wird nach der Tageszeitung Le Soir mit den Worten zitiert: »Aktuell wird über eine politische Änderung hinsichtlich der Gewährung des subsidiären Schutzstatus (reale Gefahr durch willkürliche Gewalt in bewaffneten Konflikten) nachgedacht. Es ist möglich, dass für einige Regionen (zum Beispiel die Region Damaskus) dieser Status nicht mehr nur aufgrund der Zugehörigkeit gewährt wird.«
Home Office: Kein Risiko in Damaskus und anderen Provinzen
Erstaunlich angesichts der österreichischen Zurückhaltung ist nun das folgende: Auch der Sicherheitsbericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom September 2020 spricht vom Gouvernement Damaskus und der Hafenstadt Tartus als »Gebieten, in denen wahllose Gewalt in so geringem Maße stattfindet«, dass sie kein »reales Risiko« für die Einwohner darstelle.
Deutschland als Bremsklotz Europas
In Deutschland mahlen die Mühlen besonders langsam. Die deutschen Lageberichte zu Syrien sind laut Außenamt Verschlusssache. Man kann weder aus ihnen zitieren noch über sie berichten. In einer Befragung vom Dezember gibt ein Sprecher die globale Einschätzung, dass die humanitäre Lage in Syrien »katastrophal« sei, außerdem drohten zahlreiche Gefahren den Syrern im Lande. Welche, erfährt zwar nicht der Bürger, aber die Innenministerkonferenz. In welchem Zeitalter der Kabinettspolitik, der Hinterzimmerdebatten leben wir eigentlich?
Zum Auftakt der jüngsten Innenministerkonferenz forderte der Baden-Württemberger Thomas Strobl (CDU), die deutschen Innenminister sollten mehr Abschiebungen nach Syrien »ermöglichen«. Er selbst möchte dabei, ganz ambitioniert, »die praktische Durchführung eher ermöglichen«, weil das Ganz leider gar »nicht trivial« sei. Eine Anfrage der AfD an die Bundesregierung ergab, dass sich aktuell über 60 syrische Gefährder in Deutschland aufhalten. In den ersten Monaten dieses Jahres sind laut der Bundesregierung aber keine abgeschoben worden. Das Problem: Die SPD-Innenminister sperren sich noch immer gegen die »Rückführung von ausreisepflichtigen Intensivstraftätern und Gefährdern« nach Syrien oder in andere Drittstaaten. Warum, kann kein Wähler mehr verstehen.