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Gepanschter Tee in Windsor

Sunak will seinen Frieden mit Brüssel machen – andere suchen ihre Chance

Der näher rückende neue „Deal“ zwischen Sunak und von der Leyen in der Nordirland-Frage hat die britischen Kommentatoren deutliche Worte finden lassen. Es geht um die Frage, ob alle Bürger des Königreichs gleich sind – und darum, wer Premier ist.

Premierminister Rishi Sunak

IMAGO / ZUMA Wire

In London geht der Geist Ursula von der Leyens um. Angeblich sollte sie am Sonnabend an die Themse reisen, um einen neuen Nordirland-Deal nach außen sichtbar abzusegnen. Ein Treffen mit König Karl III. war geplant. Sogar als „Windsor-Abkommen“ hatte man die Einigung titulieren wollen, um ihr sozusagen „dynastische Autorität“ zu verleihen. Aber genau das stieß vielen im Land übel auf. In letzter Minute wurde auch das Treffen mit dem König abgesagt, wenn auch nicht auf Drängen des Palasts. Marketing-Geschick darf man Rishi Sunak durchaus unterstellen. Aber dieser Deal ist nun geplatzt.

Jacob Rees-Mogg, ein Brexiteer der ersten Stunde, sagte, ein solches Treffen zwischen der Kommissionspräsidentin und dem König wäre „am Rande der konstitutionellen Schicklichkeit“ gewesen. Mit anderen Worten: Kurz vor dem Verfassungsbruch. Ein Abgeordneter der irischen Unionistenpartei DUP bezeichnete jedes Treffen von der Leyens mit dem König als „zynischen Gebrauch“ der Position des Königs. Der Monarch werde in ein „äußerst kontroverses politisches Thema“ hineingezogen.

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Im Hintergrund fordert Boris Johnson, dass Sunak sein Nordirland-Protokoll-Gesetz beibehält, das der Regierung die Möglichkeit gibt, das Protokoll zu kündigen, wenn die EU den Status des Landesteils zu ändern versuchen sollte. Anderen gilt Johnsons Nordirland-Gesetz für rechtlich fehlerhaft, genauer: im Gegensatz zu internationalem Recht und zum Brexit-Vertrag stehen. Daher könnten im Fall seiner Anwendung Strafzahlungen an die EU zum Thema werden. Das allein dürfte einen Auf-Nummer-sicher-Geher, wie Sunak es ist, abschrecken und nach anderen Lösungen suchen lassen. 
Der EuGH als Agent der „ever closer union“

Von Johnson heißt es, er schmiede Ränke mit den konservativen Euroskeptikern und der irischen DUP – angeblich mit dem Endziel, Sunak zu stürzen, um selbst wieder Parteivorsitzender und Premierminister zu werden. Johnson dementierte nicht einmal seine Bemerkung, die Biden-Administration solle doch hingehen, wo der Pfeffer wächst („F*** the Americans“), nannte sie aber einen scherzhaften Ausspruch – ihm geht es um Drama um (fast) jeden Preis. Angeblich hatte das Weiße Haus Druck auf ihn ausgeübt, die Abmachung mit Brüssel nicht zu sehr zu torpedieren.

Auch aus dem Kabinett könnte Johnson dabei Rückendeckung erhalten. Einige Minister haben ihren Rücktritt angekündigt für den Fall, dass Nordirlands Verbleib im Königreich gefährdet ist. Genauer genommen, ist das Kriterium noch etwas empfindlicher: Werde die DUP nicht zufriedengestellt, wollen sich die Euroskeptiker aus dem Kabinett zurückziehen und „die Partei zerreißen“, wie die Times mit Verweis auf ein führendes Fraktionsmitglied berichtet. Das könnte die Chance Johnsons werden. Zu den Rücktrittskandidaten zählt sicher der Nordirland-Minister James Baker, der zugleich zu den führenden Figuren der Euroskepsis (der European Research Group) in der Fraktion zählt. Er wurde zudem angeblich von den jüngsten Nordirland-Gesprächen ausgeschlossen. Die Frage ist allerdings, was ihm und seinen Positionen ein Rücktritt einbrächte. Immerhin würden so die Fronten in der konservativen Partei deutlich. Einige Minister des rechten Flügels, wie Suella Braverman, scheinen Baker aber nicht folgen zu wollen.

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Eine der umstrittenen Regelungen aus Sunaks Einigung ist die Beibehaltung der Kompetenz des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Nordirland-Fragen, wenn auch nur als letzte Instanz. Das entspricht einer latenten Entwertung des EU-Austritts für Nordirland. Im Gegenzug sollen auch das nordirische Parlament und die Londoner Regierung zu Rate gezogen werden, wenn es Änderungen am EU-Recht gibt, die Nordirland betreffen. Das öffnet wiederum die Gesetzgebung der EU weiträumig für die Einsprüche eines Nicht-Mitglieds. Und mit dem EuGH haben ja auch die Immer-noch-Mitglieder der EU ihre Erfahrungen gesammelt: Das Gericht verkörpert sozusagen die Quintessenz der Union, ihr stetes Streben nach „immer engerer Einigkeit“ ist die höchste Maxime der Richter und in ihren Urteilen ohne Erklärung vorausgesetzt. Das Luxemburger Gericht ist die Schlange Brüssels an Englands Brust.
Die Einheit der Briten und Nordiren steht in Frage

Man könnte die Lage so zusammenfassen, dass der Brexit – die Unabhängigkeit des UK von der EU – sowohl Brüssel als auch Sunak eigentlich egal ist. Man hat kein Problem damit, wenn er durch die Hintertür namens Nordirland wieder aufgehoben würde, wenn die EU durch letztinstanzliche Urteile Einfluss auf die Rechtspraxis im UK behielte, so wie London auf das EU-Recht. Ehrlicherweise muss man sagen, dass auch der Brexit-Premier Johnson das Land allenfalls in ein Patt mit Brüssel geführt hat, das er durch sein Protokoll-Gesetz bis auf weiteres verlängern wollte, um die Situation instabil zu halten, wenn es keine gute Stabilität für Großbritannien und Nordirland geben sollte.

Sunak gibt sich überzeugt, dass die DUP zufrieden mit seiner Lösung des Nordirland-Problems sein wird. Doch die Partei selbst beklagt, dass man in Nordirland dauerhaft die Regeln des EU-Binnenmarkts anwenden müsse, die im Rest des Königreichs nicht gelten. Das ist freilich ein Verstoß gegen die Gleichheit aller Briten und Nordiren vor dem Gesetz. Im Austausch dafür gibt einige Bonbons, die sich als praktisch erweisen könnten: Angeblich wird man in der Frage von Steuersätzen und Staatshilfen nicht mehr von Brüssel abhängen. Auch die Zollkontrollen für Waren aus Britannien, die in Nordirland bleiben sollen, werden weitgehend abgeschafft.

Sunak, der seinen Deal nun Anfang der Woche vorstellen will, hält fest: „Als jemand, der an den Brexit glaubt, für den Brexit gestimmt hat, dafür geworben hat, möchte ich zeigen, dass der Brexit funktioniert und dass er in jedem Teil des Vereinigten Königreichs funktioniert.“ „Offenfertig“ ist der Deal noch nicht ganz, das ganze Wochenende wollte Sunak daran arbeiten. Den Kritikern hält er entgegen, dass sie vielleicht nicht so sehr das Wohl der Nordiren, sondern eher ihr eigenes im Sinn hätten. Hier ist natürlich an die innerparteilichen Konkurrenten um die Macht zu denken, vor allem Johnson. Sunak will sich demgegenüber als effizienter Macher profilieren und könnte das auch schaffen. Um welchen Preis, das wird sich erst auf längere Sicht in Nordirland zeigen.

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