Kurz nach dem Terrorgroßangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober rückte bei uns die deutsche Unterstützung für palästinensische Projekte in den Fokus der Aufmerksamkeit. Seit Jahren ist klar, dass deutsche Gelder mindestens indirekt, vielleicht sogar direkt terroristischen Aktivitäten zugutekommen.
Der Druck der Umstände war groß genug, um die Bundesregierung dazu zu bewegen, ihre Gelder vorerst einzufrieren und die Vorwürfe zu prüfen. Sonderlich viel Zeit nahm sie sich dann aber nicht dafür, ihren Finanzdschungel auszuleuchten, denn schon im November gab das Entwicklungshilfeministerium (BMZ) die Gelder für das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) wieder frei.
Und Mitte Dezember informierte das BMZ den Entwicklungsausschuss des Bundestages dann auch über die Prüfung der restlichen Gelder. Der Grundtenor war so schlicht wie erwartbar: Die existenten Kontrollmechanismen hätten sich als „robust“ erwiesen; Hinweise auf Zweckentfremdung seien nicht festgestellt worden. Kurz gesagt: alles paletti – und damit weiter wie bisher. Was auch sonst!
Das Problem: Kein Mensch kann diese Angaben überprüfen, jedenfalls nicht auf üblichem Weg. Denn das BMZ hat seinen Prüfbericht nicht veröffentlicht. Auf meine Nachfrage, ob das Ministerium mir den Bericht zukommen lassen könne, heißt es nur: „Alle wesentlichen Ergebnisse sind in der Pressemitteilung enthalten.“ Im Klartext: Journalisten sollen sich darauf beschränken, die regierungsoffiziellen Verlautbarungen abzuschreiben.
Das eigentliche Problem ist aber nicht, dass die Bundesregierung den Bericht nicht herausrückt. Problematisch ist vielmehr, dass sie der Öffentlichkeit Informationen dazu verweigert, welche Organisationen sie überhaupt fördert. Ja, Sie haben richtig gelesen: Die Bundesregierung weigert sich, dem Steuerzahler Auskunft darüber zu erteilen, wohin sie deutsche Steuergelder verschiebt.
Im Transparenzportal des BMZ heißt es ganz richtig, dass in der Entwicklungspolitik „Transparenz und Rechenschaftslegung international anerkannte Prinzipien“ seien. Transparenz sei „eine wesentliche Grundlage für einen effizienten sowie sach- und fachgerechten Umgang mit öffentlichen Geldern und die Vermeidung von Missbrauch und Korruption“.
Blöd nur, dass das Portal im Falle der palästinensischen Gebiete nicht allzu viel zur Transparenz beiträgt. Es enthält dazu zwar 363 Eintragungen, glänzt im Konkreten aber mit Hinweisen wie: „Diese Information ist für diese Maßnahme nicht verfügbar.“ Man erfährt dann zwar zum Beispiel, dass zwei Millionen Euro für ein Projekt einer „donor country based NGO“ ausgegeben werden, liest aber nichts über den Namen der NGO oder gar palästinensische Partner.
Auch eine explizite Anfrage nach einer Übersicht über alle geförderten Projekte und Organisationen weist das BMZ konsequenterweise ab. Begründung: „Schutz der zivilgesellschaftlichen Organisationen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Man wolle die Partner nicht „exponieren“, um sie nicht Angriffen durch „radikalere Kräfte“ auszusetzen.
Bemerkenswert ist, dass das BMZ hier im Komparativ von „radikaleren“ Kräften spricht. Nähme man die Regierung beim Wort, würde das ja bedeuten, dass auch die geförderten NGOs selbst mindestens radikal sind. Sicherlich war das so nicht gemeint. Aber vielleicht handelt es sich um einen Freud’schen Versprecher.
Seltsam ist auch, dass die Europäische Kommission in ihrem Finanztransparenzsystem die von ihr geförderten Organisationen deutlich klarer benennt, als es die Bundesregierung tut. Wie sich dieser Widerspruch zum deutschen Verhalten erklären lässt – auch darauf hat das BMZ auf Nachfrage keine Antwort. Brüssel scheint weniger Sicherheitsbedenken zu haben als Berlin.
Mitte Dezember habe das BMZ seine Erkenntnisse im Ausschuss vorgestellt; der entsprechende Tagesordnungspunkt sei als vertraulich eingestuft worden. Verwertbare Informationen kamen dabei aber offenbar trotzdem nicht auf den Tisch. Nochmalige Nachfrage, ob auch Bundestagsabgeordnete also keine Chance haben, zu erfahren, an wen die Bundesregierung Gelder in den Palästinensergebieten überweist? Antwort aus dem Büro Frohnmaier: „Ja, das verstehen Sie richtig.“
Ganz in diesem Sinne hatte die Bundesregierung bereits im März 2022 auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion mit der Bitte um Nennung der NGOs geantwortet: Eine Übermittlung der Namen scheide auch „als Verschlusssache“ aus, und zwar „aufgrund der potenziellen Gefahr für Leib und Leben“. Die Grundrechte der palästinensischen Partner vor Ort würden das parlamentarische Informationsrecht in dem Fall „ausnahmsweise überwiegen“.
Entsprechend vernichtend fällt das Fazit der israelischen Organisation „NGO Monitor“ über die Transparenz der deutschen Entwicklungshilfe aus: Es sei „nahezu unmöglich“, nachzuvollziehen, wohin deutsches Steuergeld fließt. Bereits 2019 hatte die Organisation in einem ausführlichen Bericht festgestellt, Deutschland verfüge „über das am wenigsten transparente Entwicklungshilfesystem unter den wichtigsten Geberländern“.