Weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit zeichnet sich eine neue Weltordnung unter dem designierten 45. US-Präsidenten Donald J. Trump ab. Das politische und mediale Establishment in Deutschland glaubt indes, im Wahlsieg von Trump vor allem „das Ende des Westens“ zu sehen. Die Ablehnung Trumps gegenüber der linksliberalen politischen Korrektheit sowie seine Annäherung an Russland werden als Verursacher eines möglichen Zusammenbruchs des Westens als Wertegemeinschaft und Staatenbündnis gedeutet.
Dabei wird übersehen, dass die Vormachtstellung des Westens und seiner kulturellen wie gesellschaftspolitischen Normen der inneren Stabilität und dem industriell-technologischen Vorsprung der westlichen Welt, vor allem aber der USA als Patriarch des westlichen Staatenbündnisses zugrunde liegt.
Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und weitreichende Bürgerrechte sind ein Produkt der geschichtlich bedingten Entwicklung im Westen (griechisch-römische Traditionen, Begrenzung der königlichen Macht durch Adel und Kirche, Kapitalismus, Herausbildung eines gesellschaftlich dominierenden Bürgertums), eines enormen Wohlstandzuwachses und des damit verbundenen gesellschaftlichen Fortschritts. Auch heute hängt die Stabilität der westlichen Demokratien, wenn auch robuster als in der übrigen Welt, von der inneren Stabilität wie dem Wohlstand der Bevölkerung ab.
Gleichwohl kann sich eine funktionierende rechtsstaatlich-demokratische Staatsordnung in nicht-westlichen Ländern etablieren und westliche Standards und Maßstäbe erreichen, wenn diese einen dominierenden Mittelstand und Privatsektor durch ein marktwirtschaftliches System nach westlichem Vorbild aufweisen, weitgehend säkular geprägt sind, gesellschaftlich stabil und ideologisch einer Demokratie nicht grundsätzlich entgegenstehen. Dies setzt wiederum die Attraktivität der freien Marktwirtschaft und der demokratischen Staatsordnung der westlichen Welt für die Eliten der Zweiten und der Dritten Welt voraus.
Folgende Kausalkette kann deshalb festgestellt werden: der innere Wohlstand und die Stabilität schaffen die Voraussetzung für einen stabilen Westen. Dies wiederum ist die Grundlage der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen westlichen Vormachtstellung. Daraus erst leitet sich die Durchsetzungskraft und der Anspruch des Westens ab, in der Welt als Vorbild zu fungieren. „Ein Ende des Westens“ als solches kann deshalb nur dann herbeigeführt werden, wenn der Westen gesellschaftlich destabilisiert wird (im Innern in die Armut und gesellschaftliche Spaltung abdriftet), die Technologieführerschaft gegenüber den Schwellenländern verliert und nicht mehr zur Durchsetzung seiner Interessen fähig ist.
I. Amerikas Niedergang
Während des gesamten US-Wahlkampfes lauteten die zwei wichtigsten Wahlkampfparolen von Trump: „Make America Great Again“ und „America First“. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass diese zwei Parolen einem politischen Newcomer wie Trump zum Wahlsieg verholfen haben. Mit diesen Parolen konnte Trump einen Nerv der amerikanischen Arbeiterklasse treffen und sich deren Unterstützung sichern. Es ist davon auszugehen, dass die Ideen hinter diesen Parolen das Regierungshandeln der zukünftigen Trump-Administration maßgeblich prägen werden.
Doch was bedeuten diese Parolen?
Mit einer Volkswirtschaft, die nahezu ein Viertel der gesamten Wirtschaftsleistung der Welt ausmacht, und einer Streitmacht, deren Ausgaben einen Drittel der gesamten Militärausgaben der Welt beträgt, sind die USA unbestritten die einzige verbliebene Supermacht der Erde.
Warum glaubt Trump dann, dass es nötig ist, USA wieder „groß zu machen“?
Obwohl die offizielle Arbeitslosenquote in Amerika bei ca. fünf Prozent liegt, hat fast jeder Fünfte keinen regulären Job. Zehn Millionen Männer zwischen 25 und 54 Jahren arbeiten nicht. Das ist mehr als einer von sechs in der Altersgruppe. Seit 2007 gibt es in den USA vier Millionen Arbeitsplätze weniger für 25- bis 54-Jährige. Mittlerweile leben rund 47 Millionen US-Bürger, also 15 Prozent der Gesamtbevölkerung, von den Essensmarken der staatlichen Lebensmittelhilfe. Ein Beschäftigter in den USA verdient heute pro Stunde im Durchschnitt real weniger als vor vierzig Jahren. Darüber hinaus ist die US-Infrastruktur ein Sanierungsfall: Vielerorts sind Kanalisationen, Highways, Gleise, Tunnel, Flughäfen, Dämme völlig veraltet. Mehrere Billionen Dollar staatliche Investitionen wären nötig, um die landesweite Infrastruktur zu erneuern.
Summa summarum: Die USA sind auf „beste“ Wege, in ein gesellschaftlich extrem gespaltenes und marodes Land abzudriften. Ein solches Land kann seine politische, militärische und wirtschaftliche Vormachtstellung in der Welt nicht mehr lange aufrechterhalten. Trump hat dies erkannt.
Der Abstieg Amerikas ist nach Ansicht von Trump vor allem auf drei Ursachen zurückzuführen:
- Die USA hätten bei verschiedenen internationalen Handelsabkommen, wie bei dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) oder beim Beitritt Chinas in die WTO, zu viele amerikanische Interessen preisgegeben. So hätten die USA ihre eigene Industrie nicht ausreichend geschützt, sodass die verarbeitende Industrie der USA durch den globalen Freihandel ausgehöhlt würde.
- Die Duldung der illegalen Masseneinwanderung (hauptsächlich aus Mexiko) in die USA (schätzungsweise bis zu 20 Millionen illegale Einwanderer in den USA). Durch die illegale Masseneinwanderung würden neben dem Verlust der Arbeitsplätze für Einheimische auch die Löhne weiter nach unten gedrückt.
- Die von den USA geführten Kriege zur Errichtung demokratischer Staatsformen insbesondere in der islamischen Welt und exzessive Bündnisverpflichtungen (derzeit übernehmen die Vereinigten Staaten 70 Prozent der Ausgaben für die Nato) hätten dazu geführt, dass Mittel für die Erneuerung der US-Infrastruktur und andere inländische Investitionen fehlen würden.
II. Chinas Aufstieg
Welches Land stellt aus der Sicht von Trump der Haupt-Verursacher für den Abstieg Amerikas dar? Dieses Land ist nicht das wirtschaftlich schwache und einseitig auf Ressourcenexport fixierte Russland, welches weder in der verarbeitenden Industrie noch im Bereich High-Tech in der Lage wäre, eine Konkurrenz für die USA aufzubauen und den Amerikanern Arbeitsplätze wegzunehmen.
Dieses Land ist auch kein Verbündeter der USA wie etwa Japan, Südkorea, Australien oder Deutschland. All diese Länder haben weder das Potential, noch die Ambitionen, die Vormachtstellung der USA herauszufordern und abzulösen. Trump kann höchstens diese Länder dazu zwingen, mehr Militärausgaben zu übernehmen.
Dieses Land ist auch nicht Mexiko. Obgleich Mexiko aus der Sicht von Trump Amerika durch die illegale Massenmigration und den Freihandel massiv geschadet hat, ist dieses Land durch seine wirtschaftliche wie militärische Schwäche keine ernstzunehmende Konkurrenz für die USA. Durch eine restriktivere Einwanderungs- und Grenzpolitik sowie eine Neuverhandlung des Handelsabkommens NAFTA wären die USA wieder in der Lage, die von Mexiko ausgehenden Probleme zu minimieren.
Ja, dieses Land kann nur China sein. Aus Sicht von Trump ist es China, welches Amerika unzählige Industrie-Arbeitsplätze weggenommen hätte. Aufgrund seiner schieren Größe, seiner rasanten wirtschaftlichen Entwicklung sowie seines Potentials stelle China die größte Bedrohung für Amerikas Vormachtstellung dar.
China hat in den letzten 38 Jahren von der Globalisierung enorm profitiert und eine beispiellose Aufholjagd hingelegt:
- Chinas Bruttoinlandsprodukt hat sich vom Jahr der wirtschaftlichen Reform 1978 bis 2015 verachtundvierzigfacht
- Chinas Umwandlung von einem Kapitalimportland zur Kapitalexportmacht. Vor 1978 gab es – abgesehen von Unterstützungen für die „sozialistischen Bruderstaaten“ der Dritten Welt – so gut wie keine chinesischen Investitionen im Ausland. 2015 haben chinesische Direktinvestitionen die Marke von 1 Billion Dollar überschritten, sodass China der zweitgrößte Auslandsinvestor wurde.
- Vor 1978 gab es in China kaum Millionäre. Nach dem Hurun-Report hat China inzwischen mehr Dollar-Milliardäre als die USA.
- Die Entstehung einer zahlenmäßig großen Mittelschicht. Nach Credit Suisse wird die chinesische Mittelschicht auf 109 Millionen Menschen geschätzt.
Dieser enorme wirtschaftliche Aufstieg Chinas in solch kurzem Zeitfenster war jedoch nur möglich, da große Teile der verarbeitenden Industriezweige aus den entwickelten Staaten (vor allem aber auch aus den USA) mit dem dazugehörigen Kapital und Know-How nach China abwanderten. Wie sich herausstellte, übte ein Land wie die VR China mit einem riesigen Arbeiterreservoir mit billigem Arbeitslohn, einem autoritär geführten Staatsapparat (welcher in kürzester Zeit Infrastrukturprojekte im großen Stil umzusetzen vermochte), das Nicht-Vorhandensein von unabhängigen Gewerkschaften (denn die offiziellen Gewerkschaften unterstehen der KPCh) sowie ein riesiger unausgeschöpfter Markt einen unwiderstehlichen Einfluss für westliche Konzerne aus, sich mit Kapital und Produktionsanlagen in China niederzulassen.
Eine Kehrseite des chinesischen Erfolgs ist sicherlich die verheerende Umweltverschmutzung in China, die auch dadurch verursacht wurde, dass ein großer Teil der umweltlastigen Industrie von entwickelten Ländern mit strengen Umweltschutzstandards nach China verlagert, während ein großer Teil der Gewinne von den globalen Konzern kassiert wurde. Etwa die Hälfte der chinesischen Exporte stammen von in China ansässigen ausländischen Unternehmen. Bei einem großen Teil der chinesischen Exporte in die westliche Welt handelt es sich daher um Re-Exporte von in China produzierenden westlichen Unternehmen. Zudem ist der Wohlstandzuwachs auch in China extrem ungleich verteilt. Während die städtische Mittelschicht in den Großstädten und an der Ostküste westliche Lebensstandards erreicht hat, siecht ein großer Teil der ländlichen Gebiete Nord- und Westchinas dahin. Die ehemaligen Vorzeige-Provinzen der Mandschurei, die (auch aufgrund der Industrialisierung unter der japanischen Herrschaft) einen Großteil der Industrieproduktion der Volksrepublik China der Vor-Reformzeit ausmachten, haben sich nie vom Niedergang der Staatsbetriebe in den Schwerindustriezentren erholt. Millionen Wanderarbeiter (in China Bauernarbeiter genannt) müssen in den Großstädten schwerste körperliche Arbeit verrichten und tragen wesentlich zum Aufbau eben jener Städte voller glitzernder Wolkenkratzer bei, dürfen dort jedoch ihre Kinder nicht in die staatlichen Schulen schicken (da auf dem Papier als Bauern geltend).
Nichtsdestotrotz ist es unbestritten, dass der Staat VR China als Ganzes durch die Globalisierung und den damit zusammenhängenden Transfer von Industrien und Kapital nach China stärker wurde als je zuvor. Ebenso unübersehbar ist die Tatsache, dass der gestärkte chinesischer Staat samt seinen politischen wie gesellschaftlichen Eliten immer selbstbewusster gegenüber dem Westen auftritt, wenn es darum geht, die Interessen der Volksrepublik durchzusetzen.
Ein US-Präsident, der „Make Amerika Great Again“ auf seine Fahne geschrieben hat, wird darum zwangsläufig darauf fokussieren müssen, Industrien aus China zurückzuholen und den weiteren Aufstieg Chinas und dessen wachsenden Einfluss einzudämmen.
III. Amerikas Wiederaufstieg und Chinas Krise
Trumps Strategie für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg von Amerika (d.h. die Umkehrung der Aushöhlung der Industrie und Massenarbeitslosigkeit der Arbeiterklasse) kann als Protektionismus nach außen und Neo-Liberalismus nach innen zusammengefasst werden.
Dazu muss erwähnt werden, dass die ursprünglichen Wettbewerbsvorteile Chinas gegenüber Amerika bei den Herstellungskosten massiv erodiert sind. Auf der einen Seite sind die Löhne in China in den letzten Jahren massiv gestiegen. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Reallohns in China seit 1997 beträgt mehr als 10 Prozent, während die durchschnittliche Steigerungsrate der realen Arbeitsproduktivität lediglich 2,5 Prozent beträgt – in den letzten Jahren sogar bei Null liegt. In Amerika hingegen zeichnet sich ein anderes Bild ab: Dort sind die Reallöhne in den letzten Jahren kaum gestiegen, ja sogar gesunken, während die Arbeitsproduktivität rasant gesteigert wurde. Darüber hinaus hat Chinas Abhängigkeit vom importierten Erdgas und Erdöl zugenommen. Zeitgleich steigen die USA aufgrund der Schiefergas-Revolution zum weltgrößten Energieproduzenten auf, sodass die auf Schiefergas basierten Energiekosten in den USA viel niedriger liegen als die konventionellen Erdgas- oder Erdölpreise auf dem internationalen Markt. Hinzu kommen die explodierenden Immobilienpreise in China aufgrund der seit Jahren schwebenden Immobilienblase (deren Einnahmen übrigens den Großteil der regionalen Regierungen in China ausmachen, da das Gros der Steuereinnahmen an die Zentralregierung geht: Daher staatlich gewollt und ein strukturelles Problem), sodass Wettbewerbsvorteile Chinas in den industriellen Herstellungskosten weiter verringert werden.
Damit zusammenhängend verliert die arbeitsintensive Industrie in China zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit auch gegenüber den südostasiatischen Ländern wie Vietnam, Thailand, Philippinen oder Myanmar. Darum setzt China derzeit auf die Transformation von den arbeitsintensiven Industrien hin zu kapitalintensiven und innovativen Industrien. Aber gerade dort haben die USA viel mehr Standortvorteile als China, da die USA über mehr Rechtssicherheit und den damit zusammenhängenden Schutz des geistigen Eigentums, Innovationsfähigkeit und gut ausgebildete Facharbeiter verfügen.
Vor diesem Hintergrund kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Trump-Administration weitere protektionistische Maßnahmen gegen China verhängen wird. Zwar wird Trump wahrscheinlich nicht so drastische Maßnahmen einsetzen, wie er es im Wahlkampf angekündigt hat, etwa 45 Prozent Strafzoll gegen chinesische Güter zu verhängen oder China als einen „Währungsmanipulator“ zu brandmarken. Vor dem Hintergrund von Chinas dramatischen Verlust von Wettbewerbsvorteilen bei den Herstellungskosten von Industriegütern können aber auch kleinere protektionistische Maßnahmen Chinas Industrie sehr hart treffen.
Darüber hinaus wird Trump nach innen neo-liberale Maßnahmen einführen, die Chinas Industrie ebenfalls hart treffen würden. Zu diesen Maßnahmen gehören die radikale Senkung der Körperschaftssteuer für Unternehmen von 35 Prozent auf 15 Prozent, der Abbau von die Unternehmen belastender Bürokratie, Abschaffung der Restriktionen, die den Energie-Infrastrukturprojekten durch die Obama-Administration auferlegten wurden, und der Ausbau der Schiefergas-Förderung.
Zum Vergleich: Im Jahre 2013 betrug die gesamte Unternehmensbesteuerung in China 67,8 Prozent (Steuern + Zwangsabgaben), in den USA waren dies lediglich 43,9 Prozent. Eine weitere Steuererleichterung für Unternehmen, ein Abbau von Bürokratie sowie die Unterstützung der Schiefergas-Förderung unter der Trump-Administration werden die Wettbewerbsvorteile von Chinas Industriestandort weiterhin verringern. Eine massive Abwanderung von Industrieunternehmen aus China nach Amerika ist abzusehen.
Für China würde dies eine enorme Herausforderung darstellen. Chinas Wirtschaftswachstum basiert hauptsächlich auf dem Export und den staatlichen Anlageninvestitionen. Der chinesische Staat hat nach der globalen Finanzkrise vier Billionen Yuan für die staatlichen Investitionen ausgegeben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dadurch waren eine riesige Immobilienblase, enorme Überkapazitäten der Industrien sowie unrentable Autobahnen, Brücken, Messezentren und Geisterstädte entstanden, die die zur Finanzierung ihrer Schulden nötigen Geldströme nicht erwirtschaften können. Staatliche Investitionen als wichtigster Wirtschaftswachstumsmotor sind in China nicht mehr lange durchführbar. Bricht zudem der Export aufgrund des neuen amerikanischen Protektionismus und der wachsenden Wettbewerbsnachteile weiter kontinuierlich ein, wird China ein hohes Wirtschaftswachstum kaum noch aufrechterhalten können. Ein hohes Wirtschaftswachstum ist aber für China unverzichtbar, damit große soziale Unruhen ausbleiben (jedes Jahr kommen 15 Millionen junge Chinesen in den Arbeitsmarkt neu hinzu, für die Arbeitsplätze geschaffen werden müssen). Derzeit muss deshalb laut chinesischen Regierungsvorgaben ein Wirtschaftswachstum von 6-7 Prozent unbedingt aufrecht erhalten werden, um Chinas Gesellschaft stabil zu halten.
Das Ziel der chinesischen Führung, Deutschland und Japan bis 2035 als die führenden innovativen verarbeitenden Industriemächte zu überholen, dürfte immer schwerer realisierbar werden, wenn weiter mehr westliche Unternehmen mit ihrem Know-how und Kapital das Land verlassen und der Westen immer restriktivere Regulierungen bei der Übernahme westlicher Technologiefirmen durch chinesische Unternehmen in Kraft setzt.
IV. Geopolitische Verschiebungen
Trumps russlandfreundliche Grundhaltung sowie die Ernennung des Geschäftsführers des Mineralölkonzerns ExxonMobil, Rex Tillerson, mit weitreichenden Kontakten nach Russland zum US-Außenminister deuten auf eine grundsätzliche außenpolitische Kursänderung unter der Trump-Administration hin: Einen Annäherungskurs an Russland.
Für Amerika ergeben sich durch eine Versöhnung mit Russland gleich mehrere geopolitische Vorteile: Zum einen kann Amerika mit Russland (das im Gegensatz zu China offen militärisch in der Region präsent ist und interveniert) in Nahost und in Nordafrika kooperieren und gemeinsam den ausbreitenden islamischen Terrorismus bekämpfen und eindämmen. Zum anderen hätte die amerikanisch-russische Annäherung zur Folge, dass sich das Verhältnis der EU (deren Mitgliedstaaten zumeist auch in der Nato sind) mit Russland ebenfalls entspannt. Dies wiederum bewirkte, dass sich die russische Wirtschaft rasch wieder bessert. Eine Verbesserung der russischen Wirtschaft würde die russische wirtschaftliche Abhängigkeit von China wesentlich verringern (welche insbesondere nach Verhängen der westlichen Sanktionen gegen Russland verstärkt wurde).
Die russisch-chinesische Partnerschaft ist seit jeher von gegenseitigen Interessen und vom Ausgleich gegenüber dem Westen geprägt. Gerät eines der beiden Länder unter den Druck des Westens, so wird die Partnerschaft zum anderen Land verstärkt. Weder China noch Russland wollen jedoch ein dominantes Gegenüber. Die Russen mögen sich erinnern, als das russisch-chinesische Kräfteverhältnis vor 44 Jahren noch genau umgekehrt war. Denn damals war China hinsichtlich der Wirtschaftskraft und Modernisierung Russland gegenüber absolut unterlegen. Die USA, welche damals die UdSSR als ihren Hauptgegner sahen, arrangierten sich daraufhin mit einem überraschenden Peking-Besuch des US-Präsidenten Nixon mit China, um die UdSSR einzudämmen. Heute ist es hingegen Russland, welches hinsichtlich der wirtschaftlichen Stärke China absolut hinterher hinkt. Schon lange betrachtet Russland Chinas zunehmenden Einfluss in Ostasien, auch in Russlands dünnbesiedeltem Sibirien, mit Unbehagen. In Chinas nationalistischen Kreisen ist unvergessen, dass das ehemalige Zarenreich den größten territorialen Verlust des letzten Kaiserreiches Qing zu verantworten hatte, nämlich die Annektierung einer Fläche von 1,5 Millionen qm² in der nördlichen Mandschurei und im Nordwesten durch das zaristische Russland. Das chinesisch-russische Grenzabkommen von 1999 zur endgültigen Anerkennung der geltenden Staatsgrenzen ist in jenen Kreisen bis heute umstritten. Obgleich eine offiziele chinesische Bestrebung zur Wiedergewinnung der an Russland verlorenen Gebiete nicht zu erkennen ist, so fürchtet Russland doch die wirtschaftliche Dominanz Chinas in Sibirien. Ein zu mächtig gewordenes China ist daher nicht im russischen Interesse. Daher ist es möglich, dass Russland nach der Beilegung des Streits mit den USA die Eindämmungsversuche der USA gegen China duldet, ja sogar unterstützt.
Eine amerikanisch-russische Annäherung hätte auch einen wesentlichen Einfluss auf das russisch-japanische Verhältnis. Russland und Japan scheitern bis heute am Abschluss eines Friedensvertrags. Neben territorialen Besitzansprüchen (etwa die Frage um die von Russland nach Ende des Zweiten Weltkriegs besetzten und annektierten vier japanischen Nord-Inseln) stellt die amerikanisch-russische Spannung die größte Ursache dar, dass Japan kein zu engeres Verhältnis mit Russland entwickeln konnte (da Amerika für Japan als Schutzmacht gilt). Die chinesische Regierung betrachtet schon immer jeden Schritt der japanisch-russischen Beziehungen mit Argusaugen. Eine japanisch-russische Annäherung oder gar eine strategische Kooperation wäre der Alptraum jedes chinesischen Staatsmannes, da sich auf diese Weise zwei der drei regionalen Großmächte zum Nachteil Chinas zusammenschließen würden. Mit Russland, Japan, Taiwan und den südostasiatischen Ländern ließe sich ein Ring um China schließen, aus dem China nur schwer herauskommen könnte. Jede Destabilisierung des außenpolitischen Umfeldes indes würde weitere Investoren nach China abschrecken.
V. Deutschlands Chancen und Risiken
Auf Deutschland könnte unter der neuen Weltordnung des Donald J. Trump eine Schlüsselrolle zukommen, von der Deutschland profitieren kann, wenn seine Führung es zu nutzen weiß.
Zum einen könnten deutsche Industrieunternehmen jene hochwertige Vorleistungen liefern, die für die Erneuerung der US-Infrastruktur unverzichtbar sind. Zum anderen könnte Deutschland als Vermittler fungieren, um das Verhältnis der EU mit Russland im Sinne der Trump-Administration zu entspannen und eine Brücke zu Russland aufzubauen. Eine Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland würde insbesondere auch der deutschen Wirtschaft nützen, da deutsche Unternehmen traditionell in Russland sehr aktiv sind und dort auch gern gesehen werden.
Ein stabiles Europa könnte den USA helfen, mehr US-Ressourcen von Europa loszulösen und auf Asien zu fokussieren. Deutschland als die größte Nation der EU im Zentrum Europas könnte dabei helfen, Zentral-Europa einerseits und die Ukraine andererseits zu stabilisieren.
Die zunehmende Schwerpunktsetzung der USA auf Asien könnte auch eine einmalige Chance für Deutschland darstellen, seine Rolle in der Nato zu stärken und die Nato in Europa im Sinne der europäischen Interessen zu gestalten.
Eine deutsche Bundesregierung jedoch, die im Zeichen einer aufkommenden neuen Weltordnung immer noch ihre außenpolitischen Leitlinien von ihren ideologischen Maximen (Werte genannt) bestimmen lässt, sich aus ideologischen Gründenvon der Trumü-Administration distanziert und europäische Verwerfungen nicht in Griff bekommt, oder gar sehenden Auges verschärft – etwa indem man anderen EU-Ländern eine „Willkommenskultur“ gegenüber den irregulären Migranten aufzwingen oder weiterhin Anreize für illegale Masseneinwanderungen durch fehlende Grenzsicherung verursachen wollte – handelte offensichtlich nicht im deutschen Interesse, nicht im Interesse der USA und auch nicht im Interesse der westlichen Welt als Ganzes.