Tichys Einblick
Gefährliche Liebschaften

Spaniens schmutziges Geschäft mit den Drogen

Marokko und Spanien - eine gefährliche Beziehung. Der afrikanische Nachbar schmuggelt nicht nur Migranten auf die iberische Halbinsel, sondern auch immer mehr Drogen.

People hold a banner reading 'security' as they gather at Plaza Alta de Algeciras for a demonstration against drug trafficking in the Campo de Gibraltar in Algeciras on May 17, 2018.

© JORGE GUERRERO/AFP/Getty Images

Mit Algeciras in der südspanischen Provinz Cádiz verbinden Musik-Fans vor allem Paco de Lucia. Der 2014 verstorbene Spanier galt als einer der besten Gitarrenspieler der Welt. Er vermischte Flamenco-Töne mit Jazz und Klassik. Heute gibt es touristische Führungen durch sein Wohnviertel in Algeciras. Allerdings dürfte die derzeit kaum einer buchen. Die Hafenstadt steht seit Wochen in den Schlagzeilen wegen eines unerbittlichen Drogenkriegs. Zwischen der Meeresenge im Norden von Tarifa in Spanien, der britischen Kronkolonie Gibraltar und dem Süden der spanischen Exklave Ceuta in Marokko wird vor allem Hasch und Marihuana nach Europa gebracht. Der Krieg, der sich hier in den vergangenen Jahren zwischen verschiedenen Banden etabliert hat, kostete vor einem Monat einem 9jährigen Jungen das Leben.

Über die Straße von Gibraltar, die zwischen 14 und 44 km breit und etwa 60 km lang ist, kommen auch viele Immigranten illegal nach Europa. In den vergangenen 20 Jahren haben bei der gefährlichen Überfahrt nach Angaben der spanischen Küstenwache 6000 Menschen ihr Leben verloren . Tausende sind vermisst. Dreh – und Angelkreuz sind auch hier Andalusien und konkret die Provinz Cádiz mit der 120 000-Einwohner-Stadt Algeciras als Schwerpunkt des Drogen- und Menschenhandels. Marokko ist in Europa ohne Frage einer der Hauptlieferanten und Spanien der Haupt-Vertreiber der verbotenen Ware in den Norden des Kontinenten.

Marokkos Beziehung zu Spanien wird durch Drogengeschäft belastet

In Algeciras starten auch die Auto-Fähren nach Marokko. Im Sommer ist hier Hochbetrieb.Teilweise im Boden der Autos versteckt oder mit Motorbooten werden die Drogen bei Nacht und Nebel an die spanische Küste gebracht. Manchmal werden in den Autos auch Menschen versteckt, in der Motorhaube oder im Kofferraum. Trotz der scharfen Kontrollen schaffen es immer wieder einige auf die andere Seite. In Algeciras und den angrenzenden Gemeinden wie „La Línea de la Concepción“ verdienen sich viele der Arbeitslosen den Lebensunterhalt mit dem Drogengeschäft. „Wer kann es ihnen verübeln, dass sie versuchen an einem Tag soviel zu verdienen wie in Spanien die meisten in einem Monat“, sagt der Aktivist und in Spanien lebende deutsche Journalist Ilya U. Topper, der selber in Marokko aufwuchs. Das spanische Kino zeigt in Filmen wie „El Niño“, wie eng verflochten die Welten und schmutzigen Geschäfte in diesem Meeresabschnitt sind.

Das Geschäft mit Cannabis blüht wie nie zuvor und das gegenüberliegende Marokko ist ein treuer Lieferant. Die Rolle des Königs Mohammed VI. dabei ist umstritten. Die spanische Polizei glaubt, dass auf der anderen Seite der Verkauf nach Spanien nicht hart genug bekämpft wird. Einige spanische Medien berichten, dass das gesamte Geschäft aus dem Köngispalast gesteuert wird. Denn der Anbau von Cannabis ist gegen königliche Lizenz in Marokko legal. Der Konsum und Verkauf ist jedoch nur an einigen Orten im Rif, im Norden des Landes, wo auch angebaut wird, erlaubt. Gemäß des europäische Drogenforschungsinstituts EMCDDA ist die weltweite Produktion von Cannabis in den vergangenen Jahren um über 500% gewachsen.

Spanien ist der größte Umschlagplatz für Drogen in Europa

Einer der „Gewinner“ dieser Entwicklung ist Spanien. Nach Angaben der spanischen Nationalpolizei wird in Spanien mit Drogen jeglicher Art rund sechs Mrd. Euro im Jahr umgesetzt. Dabei weist die EMCDDA daraufhin, dass Spanien zudem nicht nur direkt nach Großbritannien einer der größten Konsumenten von Kokain ist, sondern auch hier Hauptumschlagsplatz in Europa – auch wegen seiner Verbindungen nach Kolumbien. Kokain kommt zwar auch immer mehr aus Marokko, wird jedoch hauptsächlich immer noch von Lateinamerika über Galizien nach Spanien eingeführt. Bei dem Konsum von Cannabis liegt Spanien auf dem dritten Platz in Europa, rund ein Drittel der Bevölkerung raucht nach Angaben der spanischen nationalen Drogenbehörde Joints.

Als Dealer werden leider auch immer wieder solche Menschen angeheuert, die keine Aufenthaltsgenehmigung haben in Spanien und damit keinen Zugang zum regulären Arbeitsmarkt, darunter viele Nordafrikaner. Die Regierungschefin von Andalusien, Susana Díaz, will dass die Zentralregierung weitere Mittel bereitsstellt, damit der Drogenkrieg vor ihrer Küste endlich beendet wird: „Wir können das in Andalusien nicht alleine bewältigen“. Letzendlich schaden die Negativ-Schlagzeilen auch der Haupteinnahmequelle der Andalusier: dem Tourismus.

Spanische Gefängnisse sind voll mit Drogen-Dealern

Das gilt auch für die illegale Einwanderung an den andalusischen Küsten, die ebenfalls von Marokko gesteuert wird, trotz eines bilateralen Rückführungs-Abkommens. Viele von ihnen kommen in der Landwirtschaft als Handlager unter. Alleine in diesem Jahr kamen wieder mehrere Tausende Hilfesuchende mit Schlauch- und Holzbooten in teilweise katastrophalen Zuständen in Cádiz an. Die spanische Zentralregierung kämpft jedoch derzeit an einer anderen nationalen Front und beschäftigt sich lieber mit Katalonien und der Auslieferung des Ex-Regierungschef des dortigen Parlaments, Carles Puigdemont, durch die Deutschen.

Dabei zerstört das Drogengeschäft auch den Ruf Spaniens insgesamt. Niemand glaubt, dass es nur ein Problem der Marokkaner und Kolumbianer ist, dass Europa mit Cannabis und Kokain überschwemmt wird. Die vielen Hunderte von Dealern im Land landen irgendwann fast alle im Gefängnis, viele von ihnen im „Cárcel de Navalcanero“, in der Nähe von Madrid. „Drogen-Delikte werden in Spanien inzwischen ziemlich hart bestraft, innerhalb der Gefängnisse werden aber meistens schon wieder die Kontakte für die Zeit draussen geknüpft, wo es dann weiter geht mit dem alten Geschäft. Es ist ein Kreislauf, den der spanische Staat nur schwierig durchbrechen kann“, sagt Álvaro Crespo von der spanischen Hilfsorganisation „Solidarios para el Desarrollo“.

Spaniens Steuerzahler bezahlen doppelt

Spaniens Steuerzahler müssen nicht nur den Einsatz der Küstenpolizei vor Algeciras und der dortigen Region bezahlen, sondern auch die Kosten, welche durch die viele Inhaftierungen entstehen, die an dem Kern des Problems rund um Algeciras nichts ändern. Ein marokkanischer Häftling in Navalcanero erzählt, dass seine Familie seit Jahrzehnten im Rif im Norden Marokkos vom Anbau von Cannabis lebt: „Wir haben die königliche Lizenz und dürfen anbauen“.

Es ist deswegen für den 33jährigen schwer verständlich, dass er in Spanien im Gefängnis landet, weil er etwas vertickern will, wovon in seiner Heimat rund 100 000 Familien auf Zunicken des Königs leben: „Es ist eine sehr große Scheinheiligkeit, die hier an den Tag gelegt wird, von beiden Seiten. In Spanien sitzen nun mal sehr viele Cannabis-Konsumenten. Mit der Legalisierung könnte man das Problem mit einem Schlag lösen und sehr viel Geld sparen“, sagt der Häftling. Die andalusische Regierungschefin Díaz dürfte ähnlich denken. Aber diese politische Debatte hat in Spanien derzeit keinen Platz. Auch wenn es mit der „Representación Cannábica de Navarra – Nafarroako Ordezkaritza Knabikoa (RCN-NOK)“ auch schon eine eigene Partei für dieses Anliegen gibt.

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