Tichys Einblick

Spanien zögert noch bei konkreten Sanktionen gegen russische Oligarchen

Mallorca, Malaga, Estepona und Marbella beherbergen viele Oligarchen. Die müssen jetzt um ihre dortige Habe fürchten.

IMAGO / TheYachtPhoto.com

Pedro Sánchez ist kein schlechter Redner, aber fast alles, was er sagt, egal ob auf Französisch, Englisch oder Spanisch, ist mit der EU genaustens abgestimmt. Seine Verständigung mit Ursula von der Leyen funktioniert einwandfrei. Das Sprachrohr nach Brüssel ist seine dort angesehene Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, die jüngst auch Finanzminister Christian Lindner in Madrid empfing. Die spanische Teamarbeit mit den Deutschen, auch beim aktuellen Ukraine-Konflikt, ist die Voraussetzung für die 140 Mrd. Hilfen aus Brüssel in Form von Krediten und Einmalzahlungen, auch wenn das keiner offen ausspricht. Bisher ist erst wenig von dem Geld eingegangen. Das hochverschuldete Land braucht die Liquidität jedoch dringend. Sánchez wetterte deswegen direkt nach der russischen Invasion in der Ukraine wie die Deutschen gegen die Oligarchen, die Putin finanzieren. Zudem stellte das Land einen Antrag beim Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte, die russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine zu untersuchen. Danach passierte aber wenig, die USA haben jetzt Druck ausgeübt und einen der großen Putin-Freunde in Spanien ins Visier genommen: Viktor Vekselberg.

Russisches Roulette á la española

Auf Initiative der nordamerikanischen Justiz, die wegen Steuerbetrugs, Geldwäsche und Dokumentenbetrugs gegen ihn ermittelt und ihn schon seit Jahren sanktioniert, wurde seine emblematische Yacht Tango auf Mallorca beschlagnahmt. Auch Deutschland hatte Druck gemacht auf Sánchez, weil vor allem an der spanischen Küste die schwimmenden Reichtümer der Russen geparkt wurden. Konkret beschlagnahmt wurde dort bis jetzt in Barcelona eine Yacht, die dem Chef der gröβten staatlichen Waffenfabrik in Russland gehören soll: Serguéi Chemezov. Seine „Valerie“ soll 135 Millionen Euro wert sein. Chemezov steht auf der EU-Sanktionsliste, genauso wie sein „Kollege“ Vagit Alekperov, Mehrheitsaktionär von Lukoil. Der hat seine 70 Meter lange Yacht im Hafen von Barcelona jedoch rechtzeitig aufs offene Meer fahren lassen.

Sánchez & Co. hatten verdrängt, dass einige reiche Russen seit Jahrzehnten in Spanien investieren und ihre Nähe zum Kreml einmal eine Todeschlinge sein könne. Sie haben wie die Deutschen Yachten, ihre eigenen Kirchen, Villen, Restaurants und Hotels allerdings protzen sie damit mehr. Über die Herkunft ihres Geldes wurde bisher wenig nachgedacht, obwohl einige an der Costa del Sol und auch auf Mallorca in Geldwäsche-Skandale und andere Kriminalität verwickelt waren. Auf Mallorca wurde erst im Jahr 2008 ein wichtiger russischer Mafiaboss festgesetzt.

Komplizierte Besitzverhältnisse von Yachten, Kunst und Häusern

Der spanische Anwalt Felipe García von der Organisation „Circulo Legal“ kämpft seit vielen Jahren gegen Korruption und Geldwäsche jeder Art in Spanien. Er verurteilt seit langem die mangelnde Transparenz bei öffentlichen und privaten Investitionen in seinem Land und den geringen Schutz für Whistleblower in spanischen Unternehmen und Behörden. Mehrmals wurde die aktuelle Regierung dafür auch von der EU gerügt. Der Druck auf Sánchez steigt, Farbe zu bekennen, weswegen die spanischen Behörden derzeit auf Hochtouren arbeiten, um weitere russische Oligarchen im eigenen Land festzusetzen. Gemäβ offizieller Quellen gibt es eine Liste von 915 Personen aus Russ- und Weissrussland, die derzeit unter Beobachtung der spanischen Regierung stehen. Zurzeit gäbe es elf Milliardäre, die offiziell registriertes Eigentum im Land hätten.

Spaniens Küste und Inseln sind für die Russen in vieler Hinsicht attraktiv. Ferran Font von dem spanischen Immobilienportal pisos.com erklärt das auch mit den konstant steigenden Preisen für Strandwohnungen und Häuser: „Der Luxusbereich scheint gerade auf Mallorca keine Grenzen zu kennen. Das ist attraktiv für Menschen, die nicht nur die Sonne, Meer und Gastronomie genießen wollen, sondern auch noch Wertsteigerungen für ihre Investments wünschen.“ Die seit 2013 eingeführten privilegierten Visa- und Steuer-Bestimmungen für Nicht-EU-Reiche, die hohe Investitionen in den Immobilienmarkt tätigten, boten ideale Schlupflöcher an, auch im benachbarten Portugal. Die Vergabe dieser Visa wurde jetzt ausgesetzt.

Mallorcas Ruf ist in Gefahr

„Orte wie Marbella und Mallorca bieten die Möglichkeit, sich unter seines gleichen aufzuhalten und nicht aufzufallen. Hier wird auch nicht so genau hingeschaut, wo das Geld herkommt,“ sagt García. Das gilt aber nur für den Freizeitbereich und Immobilien, beim Einstieg in die eigenen Unternehmen sind die Spanier empfindlicher. Der Oligarch Mikhail Fridman übernahm in 2019 die spanische Supermarktkette Día in einer einmaligen Übernahmeschlacht. In Spanien läuft zudem immer noch eine Ermittlung gegen ihn wegen möglichem Betrug gegen eine spanische Softwarefirma. Von seiner Investmentfirma LetterOne ist er offiziell zurückgetreten, was es schwierig macht, sein Eigentum zu beschlagnahmen. Mallorca konnte sich bisher von den dunklen russischen Geschäften an der Costa Sol zwischen Prostitution und Drogenhandel weitgehend schützen.

Die Tageszeitung “Diario de Mallorca“ befürchtet jetzt jedoch das Schlimmste und titelte Mallorca könne eine Kolonie der Russen werden. Derzeit sind jedoch nur 2000 dort offiziell angemeldet. Die Tatsache, dass immer mehr Ukrainer auf der Insel Schutz suchen bei mallorquinischen Familien, könnte zukünftig für weiteren Brennstoff sorgen. Die “Lady Anastasia” vom russischen Waffenhändler Alexandre Mijeev im Port Adriano wurde vor ein paar Wochen unter spanische Obhut genommen, auch weil ein Ukrainer der Besatzung versucht hatte, aus Rache gegen die Invasion der Russen in seinem Land die Yacht zu versenken.

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