Trotz des kalten Winters, reisst die Zahl der Immigranten an Spaniens Küsten nicht ab. Der Druck auf die europäischen Grenzen scheint in 2019, trotz EU-Zahlungen an Marokko und bilateralen Pakten zu besseren Kontrolle auf dem Mittelmeer, weiter zu steigen. Während im vergangenen Jahr gemäß des UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR insgesamt 58.569 Migranten übers Meer nach Spanien kamen, sind es im Januar diesen Jahres bereits 2140, dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Das setzt auch die Regierung Pedro Sánchez mächtig unter Druck, da eine zu laxe Kontrolle der spanischen Grenzen die rechtsextreme Partei VOX weiter erstarken lassen könnte. Das will Sanchez‘ Partei PSOE mit allen Kräften verhindern, da diese Tatsache bereits zu dem Machtverlust der Sozialisten bei den Regionalwahlen in Andalusien geführt hatte, wo derzeit die meisten illegalen Einwanderer ankommen.
Für die Asylanträge der Menschen, die in Spanien ankommen, ist die spanische Regierung nach dem Dublin-Abkommen zuständig. Jetzt wird ihr jedoch von deutscher Seite vorgeworfen, sich dieser Pflicht zu entziehen. Derzeit werden in Spanien 68.000 Anfragen bearbeitet, Tausende davon sind Rückstände aus Vorjahren. Das Land galt bisher als nicht besonders effizient bei der Bearbeitung von Asylanträgen, was viele Immigranten auch aus diesem Grund in den Norden Europas getrieben hat, wo sie sich sicherer und finanziell besser behandelt fühlen. Dieser Weg soll ihnen mit kostenlosen Bustransfers erleichtert worden sein.
Spanier sollen gegen EU-Recht verstossen haben
Nach Recherchen von WELT AM SONNTAG, die jedoch von der spanischen Regierung bisher nicht bestätigt wurden, jedoch indirekt von der FDP und deren für Migrationspolitik zuständigen Sprecherin Linda Teuteberg, sollen Bustransporte mit illegalen Immigranten von Andalusien bis in den Norden des Landes von einzelnen Beamten oder gezielt von den spanischen Behörden organisiert und bezahlt worden sein. Das Busunternehmen Autocares Rios hat gegenüber TichysEinblick zugegeben, dass sie illegale Immigranten zur französischen Grenze gebracht hätten. Konnten aber keine weiteren Auskünfte geben. Gemäβ der “Welt” ging es von der spanischen Nordgrenze dann weiter nach Belgien, Frankreich und Deutschland. Teuteberg forderte die deutsche Regierung auf, diesem Verstoss gegen das Dublin-Abkommen nachzugehen.
Gegenüber TE verweist das Büro von Teuteberg auf den Fall Kroatien, wo ebenfalls Flüchtlinge zur Grenze nach Slowenien gebracht wurden. Der EuGH habe danach ein entsprechendes Schuldurteil gefällt. Die europäische Küstenpolizei Frontex, die vor den spanischen Küsten patrouilliert, kann zu diesen Vorfällen und Beschuldigungen nichts sagen: “Wir haben dazu keine Information, da es sich um die Innengrenzen der EU handelt, wir aber nur für die Auβengrenzen zuständig sind”, erklärt ein Sprecher gegenüber TichysEinblick. Von den spanischen Medien wurde das Thema noch nicht aufgegriffen.
Offiziell bleibt Balkanroute Haupteinfallstor nach Deutschland
Für Deutschland ist nach Einschätzung der deutschen Sicherheitsbehörden die Balkanroute und nicht Spanien am bedeutendsten für die illegale Einreise von afrikanischen und asiatischen Immigranten. In einem internen Papier des Bundesinneministerium heißt es nach Angaben der “Welt”, dass die illegale (Sekundär-)Migration aus Spanien sich nicht auf Deutschland auswirke. Wie dem auch sei, es wäre auch für Paco Mena, spanischer Aktivist gegen den Drogen- und Menschenhandel in Andalusien, ein Skandal für Spanien. Er hält es nicht für unwahrscheinlich, dass es solche organisierten Bustransporte gibt: “Gerüchte darüber kommen immer wieder auf. Auch von Andalusien nach Katalonien und von Frankreich nach Italien soll es Routen geben. Sollte das bewiesen werden, ist sofortiges Handeln notwendig”.
Mena gelangte im vergangenen Sommer in Spanien zu gewissem Ruhm, weil er es schaffte, dass Sánchez’ Regierung die Sicherheitskräfte im Dreieck von Gibraltar, Algeciras und La Linia, dem Hauptumschlagsplatz von Drogen und illegalem Menschenhandel aus Marroko, verstärkte: “Die Situation hat sich hier dank dieser Polizeiverstärkung etwas entspannt”, berichtet er. Weiter unten in Cádiz und Tarifa hingegen kommen weiter Tausende von Menschen an, immer noch in die Irre geführt durch Videos, die im Netz den Gratiszugang nach Europa promoten. Die neue andalusische Rechtsregierung aus PP und Ciudadanos mit Unterstützung der rechtsextremen VOX dürfte zukünftig jedoch einiges bei der Küstensicherung verschärfen.
Sánchez versucht es allen recht zu machen
Derweil versucht die Zentralregierung mit Sánchez mal wieder die Grätsche in Sachen Immigration. Nachdem er mehrfach bereits Schiffe von “Open Arms” in Spanien hat einlaufen lassen, hat er nun eine Mannschaft in Barcelona über die dortige Küstenwache blockiert, um weitere Rettungen und damit weitere Probleme für ihn zu verhindern. Sánchez, verheiratet mit einer Aktivistin für Menschenrechte, will nicht als strenger Polizist und Immigrationsfeind darstehen, muss aber aufgrund der wachsenden politischen Bedeutung von VOX in Spanien, die mit diesem Thema versucht Stimmen zu fangen, dem nicht abreissendem Strom von illegalen Einwanderern etwas entgegensetzen.
Derzeit sitzt das “Open Arms”-Schiff in Barcelona fest und kann nicht wie geplant gen Südspanien starten. Als Begründung für das Verbot geben die spanischen Behörden an, dass Open Arms sich nicht nach den internationalen Vorschriften richte. Die Fahrt soll nur autorisiert werden, wenn klar ist, wo die im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge danach hintransportiert werden können. Das bedeutet, dass ein europäisches Land sich vorher zur Aufnahme bereit erklären muss. Dafür dürfte sich jedoch derzeit niemand bereit erklären.