Am heutigen Sonntag könnte einer der heftigsten Kulturkämpfe Europas sein Ende finden. Eine linksradikale Regierung hält bis heute Spanien im Griff. Eine Regierung, die nichts weniger versucht hat, als den Spanischen Bürgerkrieg 80 Jahre nach dessen Ende zu gewinnen. Spanien ist alles andere als ein strukturlinkes Land, hat aber nach dem Verlust seines Weltmachtstatus eine tragische Geschichte nahezu 150-jähriger, politischer Instabilität hinter sich, in der die Auseinandersetzung zwischen konservativen und progressiven Werten sich in Aufständen, Regimewechseln und Bürgerkriegen niedergeschlagen hat.
Man muss weder Franquist, katholisch oder gar konservativ sein, um zu verstehen, was solche Symbole in einem Land wie Spanien bedeuten. Es war eine Ansage. Sánchez war nicht Vertreter des spanischen Volkes, sondern Vertreter eines linken, progressiven Lagers, das historisch zu den Verlierern der spanischen Geschichte zählte. Im Hauruckverfahren von wenigen Jahren sollte Spanien transformiert werden, gewissermaßen nachholen, was das traditionell konservative Land verpasst hatte.
Dazu gehörten nicht nur gesellschaftliche Reformkuren, die das mediterran-katholische Land mit einem Satz in den LGBT-Strom angelsächsischer Regenbogenfarben warf. Die linke Regierung verordnete eine Wirtschaftspolitik, die den „Neoliberalismus“ beenden und eine „post-kapitalistische Gesellschaft“ vorbereiten sollte. In der Migrationsfrage erregte Sánchez Aufsehen, als er die strikte Politik Italiens der „geschlossenen Häfen“ von Matteo Salvini torpedierte.
Sollte Sánchez heute abgewählt werden, wäre dies jedoch nicht nur ein Aufatmen für die Mehrheit der Spanier, die der linken Bevormundung und ihrer utopischen Programme überdrüssig sind. In Brüssel spürte man das Beben schon am Samstag. Die neuen Avancen des EVP-Chefs Manfred Weber in Richtung Giorgia Melonis sind auch deswegen taktisch gesetzt, weil eine Koalition aus Partido Popular und VOX gesetzt scheint. Damit käme es neuerdings zu einer Koalition aus Parteien der EVP und EKR. Meloni ist Parteivorsitzende der EKR.
Spanien ist damit ein europäisches Wahlschlachtfeld geworden. In den Medien deutscher Sprache macht sich bereits die Panik breit. Die Taz fragt: „Kann man in Spanien noch urlauben?“ Die Badische Zeitung: „Spanien vor der Parlamentswahl: Die Angst ist allgegenwärtig.“ Deutschlandfunk: „Droht Spanien der Rechtsruck?“ Wieso „droht“ eigentlich immer der Rechtsruck, aber nie der Linksruck?
Angesichts der letzten Umfragen müsste es heißen: Spanien hofft auf den Rechtsruck. Demnach kommt der Partido Popular auf 140 Sitze, der linke PSOE von Sánchez nur auf 108 Sitze. Für die nationalkonservative VOX sieht es nach 38 Sitzen aus, für die linksradikale Sumar 33. Die realistischste Variante ist demnach – weit überlegen – die Koalition aus PP und VOX. Die linken Medien bauen bereits das Schreckgespenst von Francos Rückkehr auf – aber womöglich wäre es besser gewesen, diesen schlafenden Geist erst gar nicht zu wecken.
Partido Popular und VOX haben bereits im Wahlkampf angekündigt, eine ganze Reihe der linken Gesetze rückgängig zu machen. Während die Mitte-Rechts-Partei wie die CDU häufiger mal die Nase in den Wind hält, wird die VOX Druck machen, die Wahlversprechen einzuhalten. Ansonsten dürfte es ihr wie anderen neuen Parteien der spanischen Parteienlandschaft ergehen, die bereits wieder im Stimmzettelorkus verschwunden sind.