Tichys Einblick
Spanischer Kulturkampf

Wie der Woke-Wahnsinn die spanische Kultur zerstört

Vor einigen Tagen hat das spanische Parlament ein Amnestiegesetz für katalanische Separatisten verabschiedet. Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez, dessen PSOE die letztjährige Wahl verloren hat, konnte nur so seine Macht erhalten. Sie bleibt fragil, dennoch hat die von ihm regsam unterstützte woke Linke schon viele Lebensbereiche und Politikfelder erreicht.

Demonstration gegen das Amnestiegesetz von Pedro Sánchez in Madrid am 9. März 2024

IMAGO / SOPA Images

Als der Congreso de los Diputados am letzten Donnerstag dem umstrittenen Amnestiegesetz zustimmte, setzte Pedro Sánchez sein bekanntes verschmitztes Lächeln auf. Der spanische Premier scherte sich nur wenig um die Reaktionen seiner Landsleute. Noch mehrere Tage nach der Abstimmung versammelten sich auf dem Madrider Plaza de Cibeles sowie in den historischen Zentren anderer Städte tausende Gegner der linken Regierung. Sie schwenkten die „Rojigualda“ und forderten in Sprechchören den Rücktritt des Ministerpräsidenten. Auf einem langen Spruchband war zu lesen: „Spanien ist keine Demokratie mehr, unser Land verkommt zur Diktatur“.

Obgleich die christdemokratische Partei Partido Popular derzeit im Unterhaus über 35 Sitze mehr verfügt als die regierende PSOE, wird sie dieses unwürdige politische Geschacher nicht verhindern können. Zwar konnte sie die Parlamentswahl im letzten Sommer für sich entscheiden, kam jedoch gemeinsam mit der konservativen VOX nicht auf die absolute Mehrheit. Nun könnte die Oppositionspartei von Alberto Núñez Feijóo das Gesetz zumindest im Senat blockieren, wo sie die Mehrheit hält. Nach maximal zwei Monaten aber kehrt der Entwurf in den „Congreso“ zurück. Auf diese Weise werden die Sozialisten wohl auch künftig in vielen anderen Bereichen bleibende Tatsachen schaffen. Ein rasches Umsteuern können sich die Wähler jedenfalls vorerst abschminken. Offiziell gehören mehr als 90 Prozent der 47,4 Millionen Spanier der römisch-katholischen Kirche an. Dennoch geht der woke Wahnsinn weiter.

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Die im spanischen Parlament vollzogenen Änderungen sollen in einen gesamtheitlichen Umgestaltungsansatz der von Sánchez forcierten Revolution passen. Schon 2019 kam es für viele Katholiken und Antikommunisten zu einem handfesten Skandal: Francisco Franco wurde nach 44 Jahren aus seiner monumentalen Grabstätte „Valle de los Caídos“ geholt und in das Familiengrab in El Pardo überführt. Nun wurde der „caudillo“ zu Lebzeiten bekanntlich nicht von jedem Spanier gleichermaßen vergöttert und idealisiert, die Exhumierung löste jedoch sogar bei einigen von seinen ergrauten Gegnern Kopfschütteln aus. Die Umbettung der Überreste Francos sollte ein symbolischer Akt werden, der Sánchez politisch nichts kostete, der sich aber schließlich zur Staatsaffäre ausgeweitet hatte.

Spaniens Ministerpräsident dachte jedoch gar nicht daran, es langsamer angehen zu lassen. Wann immer ein für entsprechende gesetzliche Neuregelungen geeignet erscheinender Zeitpunkt gekommen war, wurden diese nach der für ihn üblichen Methode vorgenommen: Er ließ keine öffentlichen Diskussionen zu, sondern nutzte die Parlamentsmehrheit und den Verwaltungsapparat zu einer raschen Umsetzung von oben nach unten. Augenscheinlich sollten nicht allzu viele Köche seinen sozialistischen Brei verderben. So ignorierte er beispielsweise auch die Reaktionen der Spanischen Bischofskonferenz, die seine Regierung als „woke Avantgarde Europas“ kritisiert und deren linke Umgestaltungspolitik als „Attentat gegen die menschliche Würde“ bezeichnet hatte.

Sánchez’ Transgender-Gesetz, das die Hürden für Geschlechtsumwandlungen bei minderjährigen Kindern erheblich senkt, sorgte jedoch nicht nur in der Kirche für blankes Entsetzen. Das im letzten Jahr im Eiltempo durchgebrachte Gesetz wird ebenso von Ärzten und Psychologen skeptisch betrachtet. Demnach dürfen bereits 12-jährige Kinder nach der Erteilung einer richterlichen Erlaubnis ihr Geschlecht „wechseln“, eine vorangehende medizinische Diagnose ist nicht mehr notwendig. Dieser abscheuliche legislative Paukenschlag ging sogar einigen Sozialisten zu weit.

Selbstverständlich bleibt nach der als „revolución inconclusa“ (unvollendete Revolution) verstandenen Regierungsübernahme durch Sánchez im Jahr 2018 die Migrationspolitik nicht von einer merklichen Umgestaltung ausgenommen. Nur: Auch sie wird für ihn zu einem Problem. Die Kanarischen Inseln sind mittlerweile zum Hauptziel für illegale Einwanderer aus dem Senegal und anderen afrikanischen Ländern geworden, die Europa per Boot erreichen wollen. Die konservative Opposition (PP und VOX) kritisiert den Regierungschef für seine Willkommenspolitik. Demzufolge würden seine Minister den in anderen Ländern kursierenden Vorschlag ablehnen, mit EU-Mitteln finanzierte Zäune an den EU-Außengrenzen zu errichten. Zudem unterstütze Madrid etliche Organisationen, die den Migrationsdruck gezielt erhöhen. Sánchez’ Koalition widersetze sich überdies der Auferlegung einer gemeinsamen Asylpolitik, die man anderswo für sachlich richtig und rechtlich geboten halte.

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Spaniens Ministerpräsident riskiert indessen keine Fehlerdiskussionen, sondern zieht seine als richtig befundene „Revolution“ mit langem Atem durch, in der illusorischen Annahme, dass die Mehrheit seiner Landsleute irgendwann schon deren Vorzüge erkennen werde. Dies ist allerdings mit hohen Kosten und Vorlagen für leicht punktende Kritik verbunden, ebenso mit einer Ausweitung sowie Vertiefung der politischen und gesellschaftlichen Polarisierung für unabsehbare Zeit. Denn freilich hat Sánchez auch prominente Unterstützer. Den spanischen Starregisseur Pedro Almodóvar etwa, der keine Gelegenheit auslässt, die Konservativen durch den Schmutz zu ziehen und positive Konnotationen von traditionellen Werten (Liebe zum Vaterland, Familie und Katholizismus) in Abrede zu stellen.

Auf dem so beschrittenen Weg in eine linke Diktatur scheint Sánchez’ Politik durchaus weit vorangekommen zu sein. Und dies unter tatkräftiger Mitwirkung von linientreuen Tageszeitungen wie „El País“, deren Journalisten sich nur selten trauen, ihn mit kritischen Fragen zu konfrontieren. Diesen woken Wahnsinn verbindet die spanische Linke zudem auch noch mit Geschichtsrevisionismus. Offenkundig versuchen linkssozialistische Parteien und Bewegungen wie PSOE oder Izquierda Unida, Spanien auf eine bequeme Weise von seinen historischen Erblasten zu befreien. Als Beweise für einen solchen (insbesondere auch symbolpolitisch voranzutreibenden) Revisionismus gilt die Förderung tendenziöser Museen und Gedenkstätten sowie die Wiederherstellung öffentlicher Denkmäler in jenen Zustand, den sie in der Zweiten Spanischen Republik aufwiesen. Wenn kommunistische Verbrechen gegen Bischöfe und Priester in der Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturpolitik ausradiert werden, muss man sich nicht wundern, wenn immer mehr konservative Bürger an einer besseren Zukunft im sie anscheinend wieder ausgrenzenden Spanien zu zweifeln beginnen.

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