Schon Bismarck hat das Kern-Problem Spaniens erkannt, mit Ironie bemerkte er: “Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass Spanien das stärkste Land der Welt ist. Seit Jahrhunderten versuchen sie, sich selbst zu zerstören und haben es immer noch nicht geschafft.“ Damals Ende des 19. Jahrhunderts war der spanische Bürgerkrieg noch nicht in Sicht, der heute auch im Konflikt mit Katalonien immer noch eine groβe Rolle spielt. „Bismarck hat es auf den Punkt gebracht. Tatsächlich weist unser Land immer wieder selbstzerstörische Tendenzen auf, als würden wir uns selber das Glück nicht gönnen,“ sagt der in Madrid lebende spanische Ingenieur Fernando Rodríguez, der derzeit, hätte er keine Familienverpflichtungen, auswandern würde: „Überall Korruption und Nationalismus. Das ist nicht mehr mein Land.“
Spanien hat Drang zur Selbstzerstörung
Spanien war auf sehr gutem Weg, die Korruption schien einigermaβen unter Kontrolle. Das Land war kurz davor, sich vor Italien als viertstärkste Wirtschaftskraft und stabiler politischer Partner der EU zu etablieren. Die spanische Wirtschaft wächst um die drei Prozent, die Finanzkrise ist überwunden, die Arbeitslosigkeit gesunken und das Land zieht derzeit viele junge Unternehmen in Barcelona und Madrid an, um neue Ideen auf den Markt zu bringen.
Jetzt brennt das Feuer wieder lichterloh: Am kommenden Montag will die katalanische Regierung die Unabhängigkeit von Spanien erklären. (Per Gericht wurde die Parlamentssitzung nun untersagt.) Der junge spanische König Felipe VI reagierte darauf am Dienstag mit einer eher spaltenden als vereinigenden Rede. Der autoritäre Diskurs ist einmalig in der Geschichte der jungen spanischen Demokratie. Der Monarch musste viel Kritik dafür einstecken, auch von spanischer Seite. Per Gericht wurde zunächst die katalanische Parlamentssitzung am Montag untersagt. Aber das muß nicht viel heißen. Theoretisch kann Katalonien die Unabhängigkeit auch einfach so erklären, nachdem man schon so viele Illegalitäten begangen hat: Bei Unabhängigkeitsbestrebungen gelten die Regeln des alten Reiches eben gerade nicht mehr. Die Eskalation geht immer weiter: Die Rede des Königs wird, wie es aus Regierungskreisen heiβt, auch als Vorbote der Aussetzung der Autonomie und möglicher militärischer Einsätze in Katalonien gesehen.
Madrider Regierung erweist sich als unfähig für den Dialog
Damit wird es Ernst und nicht nur der ehemalige spanische Regierungspräsident José Maria Aznar fordert Premier Mariano Rajoy zum Handeln auf. Derweil gehen überall im Lande die Menschen auf die Strasse in Solidarität mit den spanischen Polizisten in Katalonien, die aufgrund der harten Einsätze am vergangenen Sonntag international in Verruf geraten waren.
In wenigen Tagen, am 12. Oktober, feiert Spanien seinen Nationalfeiertag, den „Dia de la Hispanidad“. Bisher war dies eine langweilige Veranstaltung, die kaum einer auf dem Bildschirm verfolgt hat, aber jetzt ist durch die katalanische Provokation auch bei den Spaniern wieder der Nationalismus entfacht worden. Die Flaggen hängen aus den Fenstern und die Vorbereitungen für die Luft-Militärshow am 12.Oktober laufen auf Hochtouren.
Deutsche Gemeinschaft in Spanien mehrheitlich für die Einheit Spaniens
Viele deutsche Unternehmer halten das Ansinnen der Katalanen für anchronistisch: „In der heutigen Zeit der Globalisierung und Digitalisierung sollten wir uns in Europa mit anderen Themen beschäftigen als Nationalismus, dieser führt zu nichts,“ sagt die in Madrid lebende deutsch-kroatische Unternehmensberaterin Silvana Buljan.
Wirtschaftlicher Schaden ist nicht mehr rückgängig zu machen
Egal, wann die spanische Regierung die Aussetzung der Autonomie einleitet, der wirtschaftliche Schaden für Spanien, das auch das Baskenland als separatische Autonomie im Nacken hat, ist auf lange Zeit irreparabel. Der spanische Aktienindex Ibex fällt, mit ihm die Werte vieler katalanische Banken und Unternehmen, darunter Banco Sabadell und La Caixa. Die Finanzierungskosten für die spanische Regierung an den Anleihemärkten steigen ebenfalls. Deutsche Investmentbanker berichten zudem besorgt von dem Rückzug vieler Kunden aus spanischen Portfolios.
Der Partner der deutschen Rechtsanwaltskanzlei Rödl & Partner in Madrid, Georg Abegg, appeliert deswegen an die Vernunft aller Politiker in Spanien und Katalonien: „Eine Verfassung ist nicht in Stein gemeisselt, es muss jetzt über eine Reform verhandelt werden. Da geht kein Weg dran vorbei. Die Regierungen müssen sich an den Verhandlungstisch sitzen.“
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Vor ein paar Tagen wäre das noch undenkbar gewesen. Demonstranten für die spanische Einheit protestieren vor dem Haus des katalanischen Ziehvaters und Nationalisten Jordi Pujol, der derzeit mit seiner gesamten Familie wegen Korruption vor Gericht steht.
Stefanie Claudia Müller ist Korrespondentin für Deutsche Medien in Madrid und Autorin des Buches „Menorca, die Insel des Gleichgewichts“.