In diesen Wochen sind wieder Hunderte an den spanischen Küsten angekommen, vor allem Cadiz, Algeciras und Tarifa sind betroffen. Rund 30.000 Immigranten haben in den vergangenen zwei Jahren Asyl beantragt in Spanien. Den wenigsten wird es gewährt trotz der Propaganda der Regierung, die sich gerne solidarisch mit den Flüchtlingen gibt. Der rechtliche Prozess, Asyl zu beantragen, ist im Königreich auch wesentlich komplizierter als in Deutschland. Noch nicht einmal 1.500 Immigranten hat Spanien seit 2015 legal in die Gesellschaft integriert. Dabei hatte sich Premier Mariano Rajoy verpflichtet, rund 17.000 aus anderen EU-Ländern aufzunehmen, nur zehn Prozent kamen bisher in Spanien an.
Klar ist, dass der Anreiz der am Strand ankommenden Ausländer, in Spanien zu bleiben oder nach Spanien zu kommen, nicht groβ ist, denn Unterhalt in Form eines Dachs über dem Kopf und Essen gibt es für Asyl-Antragsteller nur für sechs Monate. Hinzu kommen 50 Euro für öffentliche Verkehrsmittel im Monat und ein Gratis-Spanischkurs. Danach landen die meisten als Illegale auf der Straβe, wo sie dann betteln, gefälschte Ware verkaufen oder, wenn sie sehr viel Glück haben und die Sprache sprechen, in der Gastronomie oder in der Landwirtschaft irgendwo unter der Hand angestellt werden. Lina Cota ist einer der spanischen Freiwilligen, die diesen Obdachlosen, von denen dann einige irgendwann in Madrid landen, mit Essen versorgt: „Es ist ein Dilemma, vor allem, weil das Leben hier in Spanien für viele in keinster Weise besser ist als dort, wo sie herkommen. Hier gibt es keinen Krieg, aber das Überleben auf der Straße ist sehr kompliziert.“
Spanien bietet keinerlei Anreize für Asylsuchende
Anders als in Deutschland bietet Spanien allgemein wenig Sozialleistungen für nicht arbeitende oder Hilfesuchende. Immigranten werden in Spanien nicht mit Geld oder Willkommenspaketen empfangen. Das Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen helfen mit Decken und Essen am Strand, sie wärmen die Angekommenen auf, aber danach müssen viele Immigranten direkt wieder zurück nach Marokko, wenn sie dort herkommen, oder sie werden in naheliegenden Lagern untergebracht, die von vielen Hilfsorganisationen und inzwischen auch von einem Gericht in Algeciras als menschunwürdig bezeichnet wurden. Die meisten der Auffangstellen für diese Boots-Immigranten befinden sich in Tarifa und Algeciras.
Spanische Gesellschaft kriegt das Drama gar nicht mit
Von Integrationsproblemen, wie wir sie in Deutschland kennen, können die spanischen Zeitungen und Fernsehsender nicht berichten, weil seit 2015 nur rund 1.500 Immigranten wirklich als Asylbewerber integriert wurden, die meisten kommen gemäβ der Hilfsorganisation CEAR aus Syrien oder der Ukraine. 2015 hat Spanien zum Beispiel nur 220 Immigranten Asyl gewährt. CEAR klagt an, dass es wenig offizielle und vertrauliche Daten der spanischen Regierung zu der aktuellen Situation der Asylbewerrber gibt. Dieses Jahr wurden Immigranten ohne Ausweise nicht selten in küstennahen Gefängnissen untergebracht, wie zum Beispiel in Archidona, wo vor wenigen Wochen rund 500 Gestrandete aus Murcia und Almeria ein „neues Zuhause“ fanden. „Dort müssen wir sie vorrübergehend hinbringen, weil wir angesichts der unerwarteten Anstürme in diesen Tagen, keine anderen Unterbringungen haben,“ sagte der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido zu den Protesten vor dem Gefängnis.
Spanien sollte nicht nur A, sondern auch B sagen
Spanien sollte jedoch langsam aufwachen, denn gemäss der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ist Spanien in der EU neben Italien aufgrund der geografischen Lage derzeit das wichtigste Anlaufland für Immigranten aus Afrika und Nah- sowie Mittelost. In den vergangenen Jahren hatte der Strom nachgelassen, weil Spaniens Arbeitslosigkeit immer noch 18 Prozent beträgt und damit die wirtschaftliche Attraktivität des Landes deutlich gesunken ist. Aber Hunger, Dürre und Kriege kombiniert mit Schlepperbanden in Afrika erhöhten dann im Sommer wieder den Druck auf die in Marokko liegenden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Erstmals in der Geschichte wurden die Grenzen vorübergehend geschlossen. Spanien zahlt die marokkanische Regierung, damit dies möglichst nicht passiert und verlangt im Tausch für Investitionen und andere Freundschaftsgesten, dass dafür auf der anderen Seite die Immigranten von den Zäunen fern gehalten werden.
Weil die spanische Gesellschaft diese Dramen kaum mitbekommt, auch weil die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien seit dem Sommer die Medien bestimmen, spielt der Zustrom von Immigranten eine untergeordnete Rolle. „Die Spanier haben nicht das Gefühl, dass man ihnen etwas wegnimmt, wie es vielleicht die Deutschen gegenüber den Flüchtlingen empfinden,“ sagt der politische Aktivist Leon Arsenal von der neu gegründeten spanischen Partei dCIDE. Rechtsgerichtete Parteien wie die Alternative für Deutschland, die mit Immigrations-ablehnenden Positionen Wählerstimmen gewinnen wollen, haben in Spanien deswegen auch keine Chance, selbst wenn die Ausländerquote mit 10 Prozent im EU-Vergleich hoch liegt.
In diesen Tagen an Spaniens Küsten strandende Immigranten sorgen deswegen eher für Dauer-Schlagzeilen in Deutschland als hier. Headlines wie „Flüchtlinge überraschen Urlauber an Badestrand” (Rheinische Post) finden sich in Spanien nicht.
Spaniens Regierung schweigt zu der gesamten Thematik lieber gemäβ einer sehr verbreiteten nationalen Volksweisheit: Wenn ich nichts sage, bin ich schöner („callado estoy más guapo“).