Tichys Einblick
Auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg

Söldner-Chef Prigoschin mit Flugzeug abgestürzt – Steckt der Kreml dahinter?

In Russland ist Jewgeni Prigoschin, der Chef der Söldnergruppe Wagner, nach Angaben seines Telegram-Kanals bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Über die Absturzursache ist noch nichts bekannt.

Kreml in Moskau (Archiv)

dts

Eine offizielle Bestätigung gab es in der vergangenen Nacht nicht. Weder der Kreml noch das Verteidigungsministerium in Moskau äußerten sich offiziell zum Schicksal von Jewgeni Prigoschin (62). Ein mit Wagner verbundener Telegram-Kanal, Grey Zone, erklärte ihn jedoch für tot und feierte ihn gleichzeitig als Helden und Patrioten, der durch die Hand von Unbekannten gestorben sei.

Der Business-Jet des brasilianischen Herstellers Embraer war gestern Abend auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg. Dort haben die Firmen von Prigoschin ihren Sitz. Kurz nach dem Start rund 315 Kilometer nordöstlich von Moskau stürzte das Flugzeug vom Himmel. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie die intakte Maschine aus hoher Flughöhe zu Boden taumelte und in einem großen Feuerball verbrannte.

Das russische Katastrophenschutzministerium berichtete, dass alle Menschen an Bord tot seien.
Zunächst wurde nicht bestätigt, ob Prigoschin, der auf der Passagierliste stand, überhaupt in der Maschine war. Die russische Luftfahrtbehörde ordnete eine Untersuchung des Vorfalls an. Über Absturzursachen ist noch nichts bekannt.

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Im Ausland gibt es laut dts offenbar kaum Zweifel, dass der Kreml das Flugzeug absichtlich vom Himmel geholt hat. „Prigoschin hat in dem Moment, als er 200 Kilometer vor Moskau stehen blieb, sein eigenes Todesurteil unterschrieben“, sagte der Berater des ukrainischen Präsidenten Mykhailo Podolyak der „Bild-Zeitung“ (Donnerstag). Damit spielt Podolyak auf den Aufstand des Söldners-Chefs gegen den Kreml im Juni an. „Der Aufstand von Prigoschin im Juni hat Putin wirklich erschreckt“, sagte Podolyak über ein mögliches Motiv des Kreml. „Putin verzeiht niemandem seine eigene Angst.“ Podolyak sagte der „Bild“ weiter, dass eine offizielle Bestätigung für den Tod Prigoschins abzuwarten sei.

Prigoschin bezeichnete die russische Armeeführung als inkompetent beim Krieg in der Ukraine.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters schreibt, wird mit dem Tod Prigoschins die Wagner-Gruppe, die sich im Juni mit einer gescheiterten bewaffneten Meuterei gegen die Armeeführung den Zorn von Präsident Wladimir Putin zugezogen hatte, führungslos und wirft Fragen über ihre künftigen Operationen in Afrika und anderswo auf. Wer oder was auch immer hinter dem Absturz stecke, so Reuters weiter, mit seinem Tod wäre Putin auch jemanden los, der die Autorität des russischen Führers seit seinem Amtsantritt 1999 am stärksten in Frage gestellt hatte.

US-Präsident Joe Biden erklärte lediglich, er wisse nicht genau, was passiert sei. Aber er sei nicht überrascht, es gebe nicht viel, was in Russland passiere, hinter dem nicht Putin stecke. Aber er wisse nicht genug, um die Antwort zu kennen – so Biden in seinem Urlaubsort.

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Abbas Gallyamov, ein ehemaliger Redenschreiber Putins, der zum Kritiker wurde und von den russischen Behörden als »ausländischer Agent« gebrandmarkt wird, vermutete, dass der russische Staatschef, der voraussichtlich im nächsten Jahr für eine weitere Amtszeit kandidieren wird, hinter dem Absturz stecke und seine Autorität dadurch gestärkt habe. »Das Establishment ist nun davon überzeugt, dass es nicht möglich sein wird, sich Putin zu widersetzen«, schrieb Gallyamov auf Telegram. »Putin ist stark genug und in der Lage, sich zu rächen.«

Kurz nachdem die Maschine mit Prigoschin abgestürzt war, drehte ein zweites, ebenfalls mit Prigoschin in Verbindung stehendes Privatflugzeug um. Das schien ebenfalls nach St. Petersburg, Prigoschins Heimatbasis, zu fliegen. Es flog nach Moskau zurück, wie die Flugverfolgungsdaten von Flight Radar 24 zeigten, und landete später.

Ein russischer General, der seit der Meuterei der Wagner-Söldner nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen wurde, ist von seinem Posten entfernt worden, berichtet RBC News. Sergej Surowikin, 56, wurde seines Postens als Kommandeur der russischen Luft- und Raumfahrtkräfte enthoben, bleibt aber im Verteidigungsministerium, berichtet die Nachrichten-Website unter Berufung auf nicht identifizierte Personen, die mit der Situation vertraut sind. Er sei nicht mehr stellvertretender Befehlshaber der militärischen Operationen in der Ukraine, so RBC unter Berufung auf eine Person. Das Verteidigungsministerium reagierte nicht sofort auf eine Bitte um Stellungnahme.

Der General wurde nach dem kurzlebigen Aufstand im Juni von Sicherheitsbeamten wegen seiner Verbindungen zu Wagner-Führer Jewgeni Prigoschin befragt, sagte eine Person, die mit der Angelegenheit vertraut war, als der Kreml untersuchte, ob Teile des Militärs Kenntnis von dem Aufstand hatten.

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