Skandal in New York: Wie ein FBI-Agent im Russland-Sumpf ertappt wurde
Matthias Nikolaidis
Als FBI-Chef James Comey die Ermittlung zu Trumps Russland-Kollusion begann, ernannte er einen neuen Anti-Spionage-Chef. Doch Charles McGonigal scheint käuflich gewesen zu sein, spionierte im Auftrag eines russischen Oligarchen, beging Geldwäsche und verletzte die US-Russland-Sanktionen.
Zuletzt war es sein Job, Feindspione zu enttarnen und eigene Agenten anzuwerben. Sein Standort New York soll dazu besonders geeignet gewesen sein, weil sich dort Spione und Gegenspione konzentrieren. Zudem laufen sich Geschäftsleute und Politiker, Repräsentanten bei den Vereinten Nationen und ethnische Minderheiten in der Ostküstenmetropole über den Weg. Ein reiches Reservoir für jede Art von Spionage und Gegenspionage.
Charles McGonigal war der Leiter der New Yorker Anti-Spionage-Abteilung des FBI, für die letzten zwei von 22 Jahren in der Bundesbehörde. Zum Leiter der Spionageabwehr wurde er von FBI-Chef James Comey berufen, der etwa in jener Zeit die Untersuchung gegen Trump begann, um dessen vermeintliche Russland-Kollusion unter dem Operationsnamen „Crossfire Hurricane“ aufzuklären.
Charles McGonigal, one of the first FBI agents to push the Trump/Russia collusion hoax, now charged with violating US sanctions on Russia and lying about his connections to Russia. https://t.co/P97WlSp4kG
Zu diesem Zeitpunkt war McGonigal schon sehr gut vernetzt, er kannte jeden in der Welt der Sicherheitsbehörden. Hinzu kam, dass er angeblich immer etwas mehr Geld brauchte, als er gerade verdiente. Er gab es gerne mit vollen Händen aus, wie eine außereheliche Affäre bei Business Insider erzählte, verschenkte schon einmal 100 Dollar an einen Bettler – weil er es konnte und etwas mehr Geld als derselbe hatte. Daneben fehlte es nicht an Besuchen in teuren Restaurants und Geldgeschenken an die Geliebte. Zusätzliche Einkünfte waren folglich immer willkommen. Seine beiden Kinder sollten auch studieren können.
Noch in seiner Zeit als FBI-Agent baute McGonigal eine „Freundschaft“ zu einem albanischen Premierminister auf, den er – angeblich gegen den moderaten Preis von 225.000 Dollar – über die Vergabe von Ölbohrlizenzen informierte. Daneben leitete er sogar eine Ermittlung gegen einen US-Bürger ein, der für den politischen Gegner des albanischen Regierungschefs arbeitete. Auch mit anderen Balkanländern stand McGonigal im Kontakt: Das arrangierte Treffen eines bosnischen Pharmavertreters mit einem amerikanischen UN-Beamten sollte 500.000 Dollar kosten, obgleich unklar ist, ob der Handel abgeschlossen wurde.
Russischer Sumpf um McGonigal
Mehr Aufsehen als dieses zweifellos unkorrekte Mikro-Lobbying erregen nun Geldzahlungen in insgesamt nebelhafter Höhe von dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska. Deripaska war einst russischer Diplomat gewesen und hatte seinen Reichtum in der russischen Aluminium-Industrie begründet. Zusammen mit dem ehemaligen sowjetischen, dann russischen Diplomaten Sergey Shestakov soll McGonigal Geld für diverse Dienste angenommen haben, unter anderem um einen Rivalen des Oligarchen Deripaska auszuspionieren. Außerdem versuchte er, Deripaska von der US-Sanktionsliste herunter zu bekommen. Deripaskas Name war McGonigal natürlich aus seiner FBI-Zeit und der Trump-Untersuchung bekannt.
Daneben war möglicherweise einer von Deripaskas Untergebenen mit der mysteriösen Benennung „Agent-1“ ein russischer Spion. Die Tochter dieses „Agent-1“ erhielt dank McGonigal eine VIP-Behandlung durch die New Yorker Polizei (NYPD). Angeblich soll es auch um ein Praktikum der Agententochter beim NYPD gegangen sein, nämlich in der Abteilung für „Antiterrorismus, Geheimniserwerb und ‚internationale Beziehungen‘“. Was es alles gibt bei der New Yorker Polizei. McGonigal aber soll durchaus enge Beziehungen zu Deripaska unterhalten haben, ihn auch in seinen Häusern in London und Wien besucht haben. In Nachrichten zwischen McGonigal, Shestakov und „Agent-1“ hieß Deripaska auch „unser Freund in Wien“, „der Wiener Kunde“ oder schlicht „das Individuum“.
Am vergangenen Samstag wurde Charles McGonigal, der seinen FBI-Dienst 2018 quittierte, um bei einer hochpreisigen Immobilienfirma anzufangen, von seinen früheren Kollegen verhaftet. Am Montag kam er gegen Kaution wieder frei. Ihm werden unter anderem Verstöße gegen die US-Russland-Sanktionen und Geldwäsche vorgeworfen. Für jeden der vier Anklagepunkte drohen McGonigal 20 Jahre Haft.
Im selben Jahr 2016, in dem McGonigal zum Chef der Spionageabwehr wurde, leitete James Comey am 31. Juli die Operation „Crossfire Hurricane“ ein. Mit ihr sollten die damals vermuteten Verbindungen von Donald Trump, seinen Mitarbeitern und Kampagnenhelfern zu russischen Offiziellen aufgeklärt werden. Das Ergebnis der Untersuchung ist bekannt: Es fand sich nichts Handfestes. Zwar hatte Russland laut dem Mueller-Report versucht, durch eine Social-Media-Kampagne gegen Hillary Clinton Front zu machen, und so Trump indirekt unterstützt. Aber direkte Kontakte zwischen dem Trump-Lager und Putins Russland, durch die sich die beiden koordiniert hätten, konnten nicht nachgewiesen werden.
Ein „Einhorn-Fall“, so möchte die Nachrichtengemeinde glauben
Auch in Muellers Bericht tauchte Deripaskas Name als der eines engen Vertrauten von Präsident Putin häufig auf. Das Ironische ist nun: James Comeys FBI gerät damit selbst ins eigene „Kreuzfeuer“ – ob sich die Affäre zu einem „Orkan“ auswächst, das muss man allerdings noch sehen. Fest steht: Charles McGonigal, einer der wichtigsten Mitarbeiter Comeys, ist nun selbst als korrupt durch ausländische Mächte entlarvt. In seiner Amtszeit ging es da, gemäß den bisherigen Indizien, nur um Zwerge wie Albanien oder Bosnien-Herzegowina. Aber spätestens nach seinem Rücktritt ging McGonigal an die Kapitalisierung seiner Kenntnisse und Kontakte im Namen russischer Interessen.
Dem Oligarchen Deripaska wird von der US-Regierung ein langes Sündenregister vorgehalten, unter anderem Erpressung, Geldwäsche, Abhören von Regierungsbeamten und einiges Schlimmere, das vielleicht nicht über den Vorwurf hinausreicht. Die US-Nachrichtengemeinde ist folglich alarmiert. Manch einer bevorzugt es, von einem „Einhorn-Fall“ zu sprechen – also etwas „unglaublich“ Seltenem, das ja offensichtlich geeignet sei, das Vertrauen der US-Bürger in Institutionen wie das FBI zu erschüttern. Aus Sicht der Washington Post muss man nun auch James Comey verantwortlich machen für die Förderung seines zweifelhaften Mitarbeiters. Die Comey-Jahre seien die schlimmsten in der Geschichte des FBI gewesen seit dessen Anfängen unter J. Edgar Hoover.
Auch seine Geliebte, die Rudy-Giuliani-Vertraute Allison Guerriero, wurde von McGonigal betrogen – denn der war die ganze Zeit verheiratet und hatte offenbar auch nicht vor, seine Frau wegen Guerriero zu verlassen. Als sie eine Tüte voller Geld in seiner bescheidenen Brooklyner Wohnung fand, behauptete der FBI-Agent, er habe auf ein Baseball-Spiel gesetzt und gewonnen. Guerriero tröstet sich nun, da alles vorbei ist: „Er hat sie alle zum Narren gehalten. Warum sollte ich mich schlecht fühlen, weil er mich getäuscht hat?“
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