Italiens Premier Mario Draghi und das Verteidigungs- sowie Außenministerium schlagen (abermals, und wie so oft) Alarm, bitten um eilige Gespräche und Konsultationen, denn so könne es nicht weiter gehen. Täglich erreichen Italien die Migrationsströme aus Libyen und Maghrebstaaten, vorneweg Algerien und Tunesien, und das Urlaubsland fühlt sich allein gelassen, die Anlandungen, die einer Invasion gleichen, zu bewältigen.
Ob es sich Mario Draghi je so vorgestellt hatte? Als Chef der Europäischen Zentralbank saß er in luftigen Höhenweit weit weg von solchen Problemen, die seine Landsleuten täglich seit Jahren plagen. Vielleicht auch deshalb liebäugelt Draghi mit dem Posten des Staatspräsidenten, wenn Sergio Mattarella bald abdankt. Die EU jedenfalls, so zeigt es sich, und das merkt auch Draghi, scheint keinen Plan zu haben.
Draghis Berater aus der ‚Farnesina‘, dem Außenministerium, sprechen Klartext, wie die Zeitung Il Giornale, zu berichten weiß, „Italien gefährdet bereits die eigene Sicherheitslage und öffentliche Ruhe … “, wenn es so weiter gehe. Zu Hunderten, ja bald Tausenden, schippern die NGO-Aktivisten illegale Migranten, unterwegs aufgegriffen, nach Italien, dümpeln vor dem Land, erhöhen den Druck, und bitten um Aufnahme und freie Fahrt.
Bereits vor vierzehn Tagen habe im italienischen Außenministerium ein Treffen zwischen dem Generalsekretär Ettore Sequi und seinem Gegenüber Tore Hattrem mit einer kleinen Delegation aus Norwegen stattgefunden. Im ausführlichen Sitzungsprotokoll betraf der dritte Gesprächspunkt den „Migrationsbereich“.
Der italienische Diplomat Sequi „bezog sich auf die Schiffe Ocean Viking und Geo Barents, die unter norwegischer Flagge fahren und im Auftrag von NGOs Rettungsaktionen im Mittelmeer durchführen“, soweit das Protokoll. Der Generalsekretär versuchte zudem, seinen norwegischen Amtskollegen „an die Verantwortung der Flaggenbehörden für die Seenotrettung, und die Ausweisung des Ausschiffungshafens“ zu erinnern. Unter welcher Flagge ein Schiff fahren würde, müsse auch dieser Nation zugeordnet werden können – rein rechtlich.
Der Norweger Hattrem nahm dies zur Kenntnis, erinnerte aber am Ende der Konsultationen daran – aufgepasst(!) – „es seien die Empfindlichkeiten der öffentlichen Meinung, die eine proaktivere Haltung der norwegischen Behörden erschweren würden“. Aha, selbst möchte man keinen Stress mit Migranten, aber Italien solle es handhaben und abwickeln?
Als Ergebnis konnte die Ocean Viking schließlich 553 weitere Menschen nach Italien bringen – nach den bereits 572 vom 9. Juli.
Aber es kommt noch dicker und die Situation zeigt das ganze Dilemma, das andere Flaggschiff, ebenfalls unter norwegischer Flagge, Geo Barents von MSF, hat sich bereits in tunesischen Rettungsgewässern in Position gebracht, nachdem das Alarmtelefon der Überwachungszentrale über treibende Boote berichtet hatte.
Auch für die 257 Migranten und NGO-Aktivisten an Bord der Sea Watch 3, die auf einen sicheren Hafen in Italien warten, scheint die gehisste deutsche Flagge völlig irrelevant zu sein. Und erst jüngst schickten die unverbesserlichen Aktivisten, die sich Seenotretter nennen, obwohl es keine Männer in Seenot sind, die aus dem Meer direkt von ihrem Kahn übernommen werden, auch einen Bericht an das Gericht von Catania, Sizilien, um die Anwesenheit von über 70 Minderjährigen an Bord (!), die dehydriert und verletzt, aber ganz sicher traumatisiert seien, zu dokumentieren.
Italien könne nicht mehr tun, als auf die Brisanz für die ganze EU hinzuweisen, was die Norweger wohl kaum tangiere. Beim jüngsten Treffen mit dem norwegischen Außenminister unterstrich der italienische Abgesandte abermals die zentrale Bedeutung Libyens für die Stabilität der Region und erwähnte, dass es, wenn sich die Aussichten in dem nordafrikanischen Land verschlechtern würden, circa 700.000 potenzielle Migranten bereit stünden, in Richtung Europa aufzubrechen.
Ein weiteres Dokument, das der Zeitung vorliege, und worüber sie exklusiv berichtet, zeige außerdem die Haltung der dänischen Reeder, der Unternehmen, die Container, Ölfässer und vieles mehr verfrachten, nachdem einer ihrer Öltanker nach der „Rettung“ von etwa dreißig Migranten fast einen Monat lang mit erheblichen Kostensteigerungen blockiert wurde.
Auch deshalb bereiteten die Dänen Anfang Juli einen Resolutionsentwurf vor, wonach dieser bei der nächsten Sitzung eines wichtigen Ausschusses der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation angenommen werden soll.
Darin heißt es „Dänemark hält es für ratsam, dass der Ausschuss – so der Text im Dokument – absolut bekräftigt, wie wichtig eine wirksame und rechtzeitige Beteiligung der Regierungen in solchen Situationen ist“, um zu vermeiden, dass Handelsschiffe durch die Hilfe für Migranten auch noch stigmatisiert und bestraft, ja blockiert würden. Zeit ist Geld, auf hoher See.
Alles richtig, aber die Dänen unterstreichen dann, es müsse die Möglichkeit geben, die (vermeintlich) Geretteten unmittelbar nach dem Einsteigen, auch wieder von Bord gehen zu lassen, am nächstmöglichen Hafen.
Und auch wenn sie es nicht ausdrücklich schreiben, so ist doch allen klar, und wohl ganz im Sinne der EU, dass Italien damit gemeint ist, und immer den Preis zahlen soll.