Shanghai: Lockdown setzt sich fort – Infektionszahlen steigen trotzdem
Max Roland
Es sind brutale, dystopische Bilder, die jeden Tag aus der chinesischen Metropole Shanghai an die Öffentlichkeit dringen - und das, obwohl Pekings Zensoren ihr bestes tun, um das zu verhindern. Doch die Fallzahlen steigen weiter - durch Massentests verlängern die Behörden das Leid der Bevölkerung unnötig.
Der Lockdown in der chinesischen Metropole Shanghai setzt sich fort. Teilweise seit dem 28. März sitzen die über 26 Millionen Bewohner der Stadt in ihren Wohnungen fest – sie zu verlassen ist streng verboten. Trotz Chinas massiver Internetzensur dringen immer wieder Bilder aus der zum Massengefängnis gewordenen Stadt nach außen. Das Video eines Bewohners zeigt, wie die Menschen ihre Verzweiflung aus den Fenstern herausschreien, was wie aus einem Horrorfilm anmutet. Manch anderer Protest ist still: Auf einem Balkon steht demonstrativ der offene, leere Kühlschrank. Die Versorgung der eingesperrten Menschen ist, wenn überhaupt vorhanden, nur äußerst dürftig. Ein Einwohner berichtet, dass erst Tage später ein wenig Reis mit Soße geliefert worden wäre. Der Staat, der Essenslieferungen organisieren müsste, versagt komplett: Videos und Fotos zeigen ganze LKW-Ladungen von Essen, die angeliefert verrotten, während die Menschen in ihren Apartments immer größeren Hunger leiden. Es kommt in Folge dessen zu einer steigenden Anzahl von Protesten und Plünderungen. In ihrer Verzweiflung wählen immer mehr Menschen den Freitod, springen aus ihren Gebäuden.
Die sozialen Medien sind voll von solchen Aufnahmen, die den Horror der „ZeroCovid“-Strategie Chinas zeigen. Doch selbst dieser brutale Lockdown senkt die „Infektionszahlen“ in Shanghai nicht. Gestern meldeten die Behörden knapp 25.000 lokal übertragene Infektionen. Allerdings seien nur gut 1000 der Fälle symptomatisch. Die restlichen Fälle existieren nur auf dem PCR-Papier – die Massentests der Regierung halten die Infektionszahlen künstlich hoch. In Shanghai wird mit schärfsten Maßnahmen ein Ausbruch bekämpft, der in dieser Form gar nicht existiert. Wer positiv auf das Corona-Virus getestet wird, muss in eine staatliche Isolationseinrichtung. Die hygienischen Zustände in diesen Massenunterkünften, die eher Konzentrationslagern als Krankenhäusern gleichen, werden als zum Teil katastrophal beschrieben. Ein ehemaliger Insasse berichtet, man werde dort „wie Vieh“ behandelt. Menschen werden teilweise in noch nicht einmal fertige Lager deportiert und Stundenlang in Bussen „zwischengelagert“. Kinder werden von ihren Eltern getrennt, die große Mühe haben, diese wiederzufinden.
Der Druck im Kessel steigt und steigt: Peking verlegte bereits tausende Soldaten in die Stadt, um den Deckel draufzuhalten. Ab heute greifen in Shanghai einige minimale Lockerungen. Die Wohngebiete wurden in drei Risikokategorien unterteilt, um Einwohnern in den Gebieten, in denen innerhalb von zwei Wochen keine positiven Fälle auftraten, wieder die Möglichkeit zu „angemessenen Aktivitäten“ in ihren Vierteln zu geben. Doch ein Ende des Lockdowns bedeutet das nicht – solange die Massentests weitergehen, wird sich auch der Lockdown fortsetzen.