Die USA haben sich mit ihren Sanktionen möglicherweise übernommen. Am Montag hatte Washington angekündigt, dass es sich den Maßnahmen gegen Russland anschließt – auch bei der Einfuhr von Öl. Doch die US-Diplomatie bei der Suche nach Alternativquellen entpuppt sich als Fiasko. Um die prekäre Situation der USA in einem Satz zusammenzufassen: Washington hat in Venezuela angefragt. Man sieht sich sogar dazu bereit, die Sanktionen gegen das Land zu entschärfen, wenn dafür der amerikanische Öldurst gestillt wird. Ob das bei einem Land gelingt, das eigentlich zu Russlands Verbündeten zählt, bleibt fraglich.
Die USA waren fast in der energiepolitischen Autarkie angekommen – bis die Demokraten die Energiewende wollten
Energiepolitik ist Sicherheitspolitik. Für die USA hatte diese historische Prämisse Bedeutung beim Aufbau und Erhalt eines Imperiums. In Deutschland hat man in jüngster Zeit die Energiepolitik aus den Fängen der Sicherheitspolitik gerissen und sie der Klimapolitik untergeordnet. Über diesen verhängnisvollen Fehler ist genügend geschrieben worden. Doch manchmal genügen nicht elf Jahre, sondern ein einziges Jahr mit Joseph Biden, um die Energiesicherheit einer Nation zu gefährden.
Dass die USA in der Lage sind, Flüssiggas nach Europa zu verkaufen und in einigen Jahren – nach dem Aufbau von LNG-Hafenterminals – die Abhängigkeit vom russischen Gas lindern könnten, liegt vor allem in der Fracking-Strategie begründet. Diese hatte besonderen Aufschwung in den Jahren der Obama- und Trump-Administration erfahren. 2015 träumten einige sogar von einer Autarkie der Weltmacht. Das Land, das seinen Ressourcenhunger stillte, indem es aus Krisenländern importierte, schien auf einem guten Weg, sich nicht länger mit diesen geopolitisch brisanten Regionen beschäftigen zu müssen.
Biden düpierte Saudi-Arabien als „Paria-Staat“
Biden machte bereits im ersten Amtsjahr klar, dass er ähnlich wie Deutschland auf „Erneuerbare Energien“ setzen wollte. Auf Bundesgebiet sollten keine neuen Öl- oder Gasbohrungen stattfinden. Große Teile des Landes sollten in Zukunft zu Naturschutzgebieten umgewandelt werden, um auch zukünftige Bohrprojekte zu verhindern. Stattdessen sah der Demokrat in der Solarenergie und Offshore-Windanlagen die Zukunft. Bereits damals gab es zahlreiche mahnende Stimmen: Das alles bedeute wieder größere Abhängigkeit von Übersee-Öl.
Doch auch, wenn ein großer Teil dieser Projekte mittlerweile auf Eis liegt, weil die Maßnahmen selbst in der eigenen Partei unpopulär sind, hat Biden Entscheidungen getroffen, die bereits Auswirkungen auf die US-Energiepolitik hatten und sich als verheerend erweisen. Er stoppte den Ausbau der Keystone-Pipeline (Keystone XL), die eine bessere Versorgung aus Kanada ermöglicht hätte. Er vergrößerte Naturschutzgebiete, um Bohrungen zu verhindern. Und er zerrüttete die Beziehungen mit den Ölstaaten des Nahen Ostens, namentlich mit Saudi-Arabien, das er als „Paria-Staat“ bezeichnete. Es waren allesamt Kontramaßnahmen zu Gesetzen und Strategien der vorherigen Trump-Administration – so, als ginge es bei allen Aktionen nur noch ums Anti-Trump-Prinzip.
Die Saudis beraumen einen „Regime Change“ durch Ölsanktionen an
Das klingt wie eine Verschwörung – soll es auch. Denn bis heute hat Trumps Schwiegersohn Jared Kushner exzellente Beziehungen in Riad. Kushner ist nur wenige Tage zuvor nach Saudi-Arabien gereist, um sich mit hohen Vertretern der saudischen Elite zu treffen. Grund? Unbekannt. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass man in den Golfstaaten die Republikaner und Trump der jetzigen Administration gegenüber bevorzugt. Der eigentliche Chef im Staat, Kronprinz Mohammed bin Salman, hat seine Verachtung für Biden offen kundgetan und gilt als Freund des Ex-Präsidenten.
Auch das ist eine neue Erfahrung für die Amerikaner: Sanktionen mit der Absicht eines Regime Change. Retourkutschen kann der Orient. Was dies indes für Europa bedeutet, sollten die USA gezwungen sein, in Zukunft vermehrt von Öl auf Gas umzustellen, ist kein Geheimnis. Dann hätte Deutschland zwar endlich ein LNG-Terminal in Brunsbüttel, aber vermutlich kein Gas, das es mehr importieren kann.