Sie hatten wahrlich losgeledert, und wie so oft nach einer enttäuschenden Liaison, diese dauerte immerhin 14 Monate – eigentlich ganz schön lang für eine Vernunftsverlobung, wurde schmutzige Wäsche gewasche. Alle wollten sie sich irgendwie rein waschen, von ihrer Schuld und Inkompetenz (oder Angst vor einer EU, die Italien wie England stutzen möchte).
Dann war Matteo Salvini, der Lega-Chef und Innenminister an der Reihe. Man muss hinzufügen, dass es zu Salvinis Repertoire gehört, andere in ihren Reden nie zu unterbrechen, dafür aber kann sein Gesicht gegnerische Reden mit einer Mimik kommentieren, die nichts gutes bedeutet.
Der Autor dieser Zeilen findet, dass Salvini mit dem parteilosen Conte als Premier etwas zu hart ins Gericht ging – denn auch Salvini hatte sich einst für Conte ausgesprochen. Giuseppe Conte war letztendlich als Moderator und Vermittler, nicht nur zwischen den Koalitionären gescheitert (in der Frage des Weiterbaus der Schnellbahntrasse, Turin-Lyon, TAV, war Conte sogar klar auf Salvinis Seite – ein Abbruch wäre teurer als der Weiterbau), sondern wohl auch als Vermittler zwischen Italien und EU.
Matteo Salvini – welcher andere Innenminister und Vize-Regierungschef sah sich je so vielen Gegnern gegenüber? – empfand den ersten Vertrauensbruch bereits nach der EU-Wahl, bei der Farce der Nominierung des neuen Kommissionspräsidenten, als die Fünfsterne in der EU das Spiel mitmachten, obwohl die Lega auf 34 Prozent gekommen war. Salvini, ein recht emotionaler Politiker, schaltete wohl ab da schon ab.
In seiner Rede, stehend im blauen Sakko, gestikulierend, griff er Conte ganz speziell an, hatte dieser doch behauptet, Salvini hätte die Politik für seine Ideen und Themen missbraucht (fast wie im Brief am Ferragosto). Mit fester Stimme schleuderte Salvini allen entgegen: „Ich würde alles noch einmal genauso machen“, um gleich darauf anzufügen, dass er sich „die ganzen vergangenen 14 Monate vom Premier nie richtig unterstützt“ gefühlt habe.
Er, Salvini, habe auch keine Angst vor einer Neuwahl, wie auch immer die Italiener entscheiden würden. Der Souverän sei schließlich das Volk, demokratischer und transparenter ginge es nicht. Premier Conte habe ihn, und seine Ideen, mehrmals als unverantwortlich oder gar als gefährlich beschrieben, kein Wunder also, dass sich immer irgendeiner fand, der ihn, Salvini, attackieren durfte.
Dann wählte Salvini ganz deutliche Worte zur Europapolitik in der EU. „Ich möchte kein Land wie ein kleines Hündchen, das sich von der Unterschrift irgendeines EU-Kommissars“ abhängig mache. Italien sei ein freies Land.
Und dann nahm Salvini nochmals Bezug auf das besagte Video von Conte mit Kanzlerin Merkel am Tresen vor der EU-Wahl aufgenommen und viral ins mediale Orbit geschickt: „Komisch, ich habe mit der Merkel nie über Tipps zum Wahlkampf gesprochen. Und habe sie auch nie gefragt, wie man einen politischen Gegner ausbremsen könne“ , Salvini sehe die Fünfsterne und Conte bereits mit denen (der PD) am Tisch, die sie einst bekämpft hätten, mit genau denen von den Sozialdemokraten, die die Bürger ausgenommen und die Banken gerettet hätten.
Nochmals wiederholte Salvini, die Lega wolle ein wirtschaftliches Manöver einleiten und keinen Stillstand. Italien würde unter ihm nie ein Sklave Brüssels sein. Viel Applaus aber auch Pfiffe begleiteten diese und andere Aussagen.
In den frühen Abendstunden dann machte die Meldung die Runde, Salvini habe mit seiner Lega den Misstrauensantrag gegen Conte zurückgenommen. Während die Opposition Salvini der Mutlosig- und Lächerlichkeit preisgeben will, sagen andere politische Beobachter, um eine Tür offen zu halten, damit offene Gesetzesvorlagen sowie der Haushalt verabschiedet werden können, könne man Conte jetzt nicht in Frage stellen und ihm das Vertrauen entziehen.
Salvini auch an Staatspräsident Mattarella gerichtet: „Ich vertraue darauf, dass der Präsident der Republik, Mattarella, die Gesamtsituation bewertet, von Beginn an, im Parlament sowie außerhalb. Italien braucht keine Abgeordneten, die nur ihre Sessel retten möchten …“. Ein schmaler Grat, auf dem sich die Lega mit Salvini bewegt, auch wenn man ihnen das Anliegen eines guten Abschlusses für Italien nicht absprechen kann. Giuseppe Conte war auf dem Weg zum Präsidenten, seinen Rücktritt einzureichen. Staatschef Mattarella wird alle Möglichkeiten durchgehen.
Früher oder später werden sicher doch noch Neuwahlen anstehen.