Tichys Einblick
Lage zunehmend angespannter

Kommt es in Rumänien zur Eskalation?

Die Lage im geostrategisch wichtigen Land wird immer unübersichtlicher. Auf Tiktok wird nach der annullierten Präsidenschaftswahl zu gewaltsamem Widerstand am 21. Dezember aufgerufen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andreea Alexandru

Sfantu Gheorghe / Sepsiszentgyörgy – Der 22. Dezember wird in Rumänien als Tag der rumänischen Revolution gefeiert – es ist der Tag, an dem eine staatlich organisierte Massenkundgebung für den damaligen Diktator Nicolae Ceausescu sich in eine Protestkundgebung verwandelte. Am nächsten Tag, also am 22. Dezember, floh Ceausecu, wurde aber gefasst und nach einer summarischen Verhandlung vor einem improvisierten Militärgericht mit seiner Frau Elena zum Tode verurteilt und erschossen.

Bis heute ist nicht wirklich geklärt, was damals geschah. Oft wird vermutet, dass dies kein Volksaufstand war, sondern von prorussischen Teilen des damaligen Geheimdienstes Securitate provoziert wurde. Nach der „Revolution” kamen die von Ceausescu marginalisierten prorussischen Elemente der damaligen kommunistischen Partei an die Macht, unter der Führung von Ion Iliescu.

Kann sich diese Geschichte wiederholen? Unter chaotischen Umständen annullierte am 6. Dezember das rumänische Verfassungsgericht die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentschaftswahl (die am 24. November stattgefunden hatte) und damit auch die Stichwahl. Noch ist nicht klar, wann die Wahl wiederholt werden wird. Die Rede ist von Ende Februar, Mitte März oder gar Anfang April. Bis dahin kann noch viel geschehen.

Am 20. Dezember endet normalerweise die Amtszeit des gewählten Präsidenten Klaus Johannis. Am dem 21. müsste dann sein Nachfolger das Amt übernehmen. Da es aber keinen Nachfolger geben wird, weil die Wahl storniert wurde, will Johannis im Amt bleiben bis es einen neuen Präsidenten gibt. Das kann dauern.

Das Verfassungsgericht hat diese Lösung für rechtens erklärt, obwohl laut Verfassung auch der amtierende Senatspräsident das Amt vorübergehend übernehmen könnte.

Annulliert wurde die Wahl, nachdem das Verfassungsgericht aufgrund veröffentlichter Geheimdienstdokumente entschieden hatte, dass „eine ausländische Macht” die Wahl manipuliert habe. Handfeste Beweise enthalten die Dokumente aber nicht. Fest steht jedoch, dass ein rechter Kandidat mit Sympathien für Russland, Calin Georgescu, die erste Runde sehr überraschend mit Abstand gewonnen hatte und auch die Stichwahl zu gewinnen drohte. Dabei spielten TikTok-Influencer eine große Rolle, die nach Auffassung der Behörden in koordinierter Weise und mit auswärtiger Finanzierung massiv für Georgescu geworben hätten.

Nun wird auf TikTok zum Widerstand aufgerufen, am 22. Dezember in Bukarest, also am 25. Jahrestag des Sturzes der Ceausescu-Diktatur. Das Nachrichtenportal G4media.ro berichtete von „Hunderten” entsprechender TikTok-Videos und verlinkte einige. Unter anderem wird dazu aufgerufen, die Parteizentralen der „proeuropäischen” Altparteien PNL, PSD, USR und der Partei der ungarischen Minderheit UDMR nieder zu brennen. Daneben, so berichtet G4media, gebe es aber auch solche, die zu friedlichen Demonstrationen aufrufen, oder dazu, von Protesten lieber abzusehen.

Derweil berichtete das Nachrichtenportal News.ro, Tiberiu Bosutar, ein regionaler Koordinator der rechten AUR-Partei – die Georgescu bei der Präsidentschaftswahl unterstützte – sei vorübergehend in Gewahrsam genommen worden, weil er in sozialen Netzwerken dazu aufgerufen habe, die örtliche Präfektur in die Luft zu sprengen.

Die Staatsanwaltschaft verhörte am Wochenende mehrere Wahlkampfhelfer Georgescus sowie einige Tiktok-Influencer, die seine Botschaften verbreitet oder für ihn geworben hatten. https://kronikaonline.ro/belfold/influenszereket-georgescu-kampanystabjanak-tagjait-hallgatjak-ki Einige Influencer verkündeten auf Tiktok, sie wollten das Land verlassen – dies berichtet das (regierungsnahe) ungarische Nachrichtenportal mandiner.hu.

Andere sagten, die Vorwürfe sie seien frei erfunden, sie hätten kein Geld für ihre Aktivitäten erhalten und Georgescu gar nicht namentlich erwähnt.

Tiktok selbst reagierte auf die Vorwürfe mit Angaben dazu, wieviele Konten, Likes und Videos sie bereits profikalisch „verhindert” hätten, also nicht nachträglich gelöscht, sondern bereits im Vorfeld ausgeschaltet. Erwähnt wurde auch Deutschland: Dort habe man 42 vernetzte accounts gelöscht, die auf politische Einflussnahme in Deutschland abzielten.

In Rumänien habe man „allein seit September proaktiv fast 45 Millionen gefälschte Likes und über 27 Millionen gefälschte Follow-Anfragen verhindert und die Erstellung von über 400.000 Spam-Konten blockiert”, hieß es in einer TikTok-Stellungnahme. Zudem habe man im Jahr 2024 in Rumänien drei „neue Einflußnetzwerke” gelöscht.

Die Lage bleibt extrem undurchsichtig. Ein ranghoher Regionalpolitiker der ungarischen Minderheit in Rumänien sagte gegenüber Tichys Einblick, er könne sich vorstellen, dass die Ereignisse einerseits Ausdruck eines Machtkampfes zwischen rivalisierenden rumänischen Geheimdiensten seien, andererseits versuchten sowohl Russland als auch die USA, Einfluss zu nehmen auf die politische Entwicklung.

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